2. Feldkurs mit Freiwilligen in Gebenstorf-Steinacher
Im Rahmen des Freiwilligenprogramms der Abteilung Kultur führte die Kantonsarchäologie im August 2020 zum zweiten Mal eine Ausgrabung mit Freiwilligen durch.
Die 15 Freiwilligen untersuchten unter fachkundiger Anleitung der Kantonsarchäologie die Überreste einer römischen Siedlung. Der Feldkurs ermöglicht den Freiwilligen eine aktive Teilhabe im Einsatz für unser gemeinsames Kulturerbe.
Freiwilligen-Blog
Archäologinnen und Archäologen leben gefährlich
Archäologinnen und Archäologen leben gefährlich
Archäologinnen und Archäologen müssen sich in fernen Ländern während ihrer Ausgrabungen manchmal vor gefährlichen Tieren in Acht nehmen. Schlangen, Skorpione, giftige Spinnen, ja sogar Raubtiere treiben sich im Gelände herum. Nicht so bei uns in der Schweiz – denkt man.
Unsere Ausgrabungsfelder befinden sich in einem Obstgarten mit wunderschönen alten Apfel- und Zwetschgenbäumen. Die Früchte sind reif, werden jedoch zur Freude einiger Tiere nicht geerntet und fallen zu Boden. Die Äpfel rollen teilweise auch in die Grabungsfelder. Grosse Freude haben vor allem die Wespen. Weniger Freude haben die in den Feldern arbeitenden Freiwilligen. Scheucht man die Tiere weg, werden sie nervös. Gereizt werden sie, wenn man ihnen die Nahrung wegnimmt. Fühlen sie sich bedroht, reagieren sie aggressiv.
All dies geschieht in und um die Grabungsfelder. Die Menschen wedeln mit Armen und Werkzeugen herum, entfernen die Äpfel und manch einer steht ungewollt mit den schweren Arbeitsschuhen auf so ein kleines Tierchen. Auch summende Staubsauger stellen eine Bedrohung für die Wespen dar.
Was ist also zu tun? Wir haben drei Wochen Zeit, um eine friedliche Koexistenz zu entwickeln und auszuprobieren. Bisher haben wir keine Stichverletzungen zu verzeichnen. Hoffen wir, dass es so bleibt. Eines ist jedoch gewiss, nach diesen drei Wochen werden wir Menschen diesen Ort wieder verlassen, die Wespen werden bleiben.
Im Zusammenhang mit dem Thema unserer Grabung stellt sich noch die Frage: Kannten die Römer die "Wespenplage" auch? Die Tiere mit dem schönen Namen Vespinae gab es ja schon damals. Und, wie haben sie Wespenstiche behandelt? Vielleicht kann schon jemand diese Fragen beantworten. Oder tut sich da ein neues Forschungsfeld auf? (Martha)
Risiken und Nebenwirkungen archäologischer Arbeiten
Risiken und Nebenwirkungen archäologischer Arbeiten
Wenn der Bagger abgezogen ist, die Profilschichten schön senkrecht gehobelt und der Fundortboden in der richtigen Tiefe ausgebuddelt und säuberlich ausgekratzt ist, die Mäuerchen und Steine freigebürstelt, der Boden staubgesaugt und nach dem Benetzen mit der Sprühdose fotografiert ist − dann wird gezeichnet.
Stundenlang stieren nun bewundernswert geduldige Menschen ins Grabungsfeld und versuchen, jede Kante, jeden Stein (und sogar jeden Nicht-Stein!), jedes Mörtelstück, jede Scherbe und auch noch den kleinsten Kohlefleck massstabsgetreu in 20-facher Verkleinerung, millimetergenau auf dem Zeichnungsblatt festzuhalten. Ihr geistiger Horizont beschränkt sich auf 20 x 20 cm grosse Quadrate und den Fundus von Details, die diese einschliessen.
Dieses unnatürliche Verhalten bleibt nicht ohne Folgen. Der Strukturenerfassungsmodus lässt sie auch ausserhalb der Grube noch längere Zeit nicht los; beim Spaziergang, beim Jogging, beim Velofahren richtet sich ihr Blick automatisch nach unten, erspäht die Rundungen von Kieselsteinen, den Schattenwurf eines Randsteins, die Bruchkante von Pflastersteinen, die Übergänge von Kies- zu Sandbereich, den Wurzelverlauf der Kornblumen am Strassenrand, die Dichte des Asphaltbelages. Und manchmal steigt so ein Mensch vom Rad oder kniet sich nieder, um sich mitten auf der Strasse zu vergewissern, ob das glänzende Stück Material nun eine eingetretene Bierverschlusskappe oder ein Stück Alufolie von einer weggeworfenen Schokolade ist.
Falls Ihnen in nächster Zeit jemand mit solch seltsamen Verhaltensweisen auffällt, haben Sie etwas Verständnis, versuchen Sie ihn mit ruhigen Worten in die reale Welt zurückzuholen oder umfahren sie ihn grossräumig. Archäologische Zeichnerinnen und Zeichner sind eine gesuchte Spezies und als solche hochgradig schützenswert. Und die Deformation legt sich zum Glück nach ein paar Wochen wieder.
Wenn Sie allerdings jemanden beobachten, der sich minutenlang mit den Schnittflächen eines Stücks Engadiner Nusstorte beschäftigt, mit den Nüssen, die aus dem Profil hervorstehen, den unregelmässigen Bodenbruchstellen, der die Füllungsdichte mit der Gabel prüft, anstatt hineinzubeissen und zu geniessen, dann sollte über eine psychologische Betreuung nachgedacht werden. (Hans)
Erntezeit
Erntezeit
Sieht ein Ausgrabungsort der Kantonsarchäologie so aus!? Der Bauwagen passt, was aber ist mit den gestapelten grünen Erntekistchen gleich nebenan, der hohen Pflückleiter, den Schubkarren, den Schaufeln, Hacken und Spaten, die in Reih und Glied auf ihren Einsatz warten? Man ist geneigt zu glauben, beim Obst- und Gemüsebauer zu sein, aber weit gefehlt! Im idyllischen Garten weiter hinten unter den Ostbäumen entdecke ich denn auch die vorbereiteten Flächen, wo wir Freiwillige in den nächsten drei Wochen in die archäologische Feldarbeit eingeführt werden.
Bereits in der ersten Woche durften wir Teilnehmenden enorm viel ernten! Für dieses Mal nicht Obst und Gemüse, dafür römische Mauerzüge, ornamentierte Fragmente von Terra Sigillata-Gefässen, wunderbare Objekte wie eine mit Emaille besetzte Fibel oder eine silberne Münze. Wir Freiwilligen sind aber nicht allein der Funde wegen hier, viel mehr geht es um das Erlernen des Handwerks, ums Erforschen und „Mitschreiben“ an einem kleinen Stück Geschichte unseres Kantons.
So wie wir für einen gesunden Körper vom regionalen Bauern Obst und Gemüse brauchen, brauchen wir die Teilhabe an unserem kulturellen Erbe für unsere Seele.
Den Verantwortlichen, die das Freiwilligenprogramm des Kantons Aargau ermöglichen, sei gedankt! (Bruna)
Edle Funde
Edle Funde
Zwei Hügel türmt der Bagger neben der Grabungsstätte auf, einen mit dem Humus und einen anderen, mit dem, was darunter liegt. Und auf den sind sie scharf, die "Metalliker" mit ihren sensiblen Detektoren. Da kraxeln sie dann rum, auf dem Schutthügel, in der Hand das Suchgerät, über den Ohren die Kopfhörer, welche ihnen die Informationen liefern, wo, wie tief, wie gross und aus welchem Metall sich da etwas im ausgebuddelten Haufen verbirgt. Zu 90% sind es Nägel oder Teile davon, vielleicht mal ein Griff, eine Schnalle und eben − gaaanz selten − eine MÜNZE!
Dann schlägt das Herz des Finders fast mit der gleich hohen Frequenz wie der Ton des Suchgerätes. Was ist es? Bronze, Silber oder gar ein Aureus aus Gold? Schnell wird mit dem Fingernagel die verkrustete Erde abgekratzt, die Münze vielleicht noch mit etwas Spucke gereinigt, um hinter das Geheimnis ihrer Prägung zu kommen? Um Gottes Willen! Auf keinen Fall. Man würde den Fund wohl irreparabel beschädigen und das wissen die geübten Detektoren natürlich genau. Also wird die Münze mit der ihrem hohen Alter entsprechenden Vorsicht behandelt, nur an der Kante angefasst und keineswegs mit Schweisshänden, und dann separat in ein Einzelcouvert für besondere Fundstücke verpackt.
Aber ob es ein Denar aus Silber oder ein Sesterz aus Bronze oder eben womöglich doch ein Aureus ist, kann auch der Nicht-Münzenspezialist erkennen. Darauf folgt unweigerlich die Frage: "Was hätte sich der Römer oder die Römerin, welche diese Münze vor über 2000 Jahren verlor, damit kaufen können?" Es wird gegoogelt was das Zeug hält. Was kostete ein Brot, ein Krug Bier um 60 nach Christus? Verdiente ein Legionär wirklich 900 Denar Sold im Jahr, wenn doch ein Esel offenbar 500 kostete? Und für einen Senatorenposten brauchte man 1 Million Aurei Vermögen, hätte dann ein Senator 50'000 Esel kaufen können? Oder doch 500'000? Die Währungsspekulationen schlagen hohe Wellen, jede und jeder trägt zum steigernden Wert-Tohuwabohu bei, bis Albert die ganze Sache mit einer Geschichte auf den Punkt bringt: "Ein Bauer kommt vom Markt heim und berichtet seinem Nachbarn, er habe soeben eine Kuh für 50'000 Franken von einem Händler gekauft. Der Nachbar ist entsprechend erstaunt ob des stattlichen Preises und fragt ungläubig, ob er die Kuh auch noch bar bezahlt habe. Ja, sagt der Bauer, aber erst nachdem er vorher zwei Hühner für je 25'000 verkauft habe."
Womit klar ist: Geld ist eine Glaubenssache. (Hans)
Details bei 34 Grad Celsius
Details bei 34 Grad Celsius
Woche zwei des Feldkurses neigt sich dem Ende entgegen. Wieder haben die Freiwilligen zur archäologischen Feldarbeit viel dazugelernt. Dank professioneller Anleitung sind sie auf fachlich gutem Niveau unterwegs, sei es beim Freilegen einer Mauerecke, beim Putzen eines Profils, beim Einmessen und Zeichnen einer fein gesäuberten und fotografierten Fläche, beim genauen Vermessen mit dem Nivelliergerät oder beim fachgerechten Reinigen von Fundstücken. Dem konzentrierten Arbeiten der Teilnehmenden können auch die hohen Temperaturen nichts anhaben!
Zugegebenermassen fallen bei mir zeitweise die nötigen Trinkpausen ein bisschen länger als gewohnt aus. Diese wiederum ermöglichen mir, den Blick vom Wesentlichen auf nebensächliche Details zu lenken. Dabei bemerke ich, dass die freiwilligen Archäologinnen und Archäologen auch bezüglich Ausrüstung up to date sind. Angefangen bei der persönlichen Spitzkelle, die eigens aus England bestellt wurde. Dass sie aus einem Guss gefertigt sein muss, Zuverlässigkeit und Langlebigkeit garantieren soll, waren die Hauptkriterien bei der Wahl. Aber auch bezüglich Arbeitskleidung wird auf Qualität geachtet! Arbeitshosen sollen nicht nur schützen, sondern auch viel Platz für Werkzeug, Meter, Notizbüchlein und Schreibutensilien bieten. Und dann wären noch die technischen Mittel zu erwähnen. Unter den Freiwilligen hat es auch einige Prospektoren, die im Auftrag der Kantonsarchäologie das ganz Jahr hindurch zugewiesene Gebiete mit dem Metalldetektor absuchen. Da spricht es sich von selbst, dass man top ausgerüstet auf Platz erscheint. Dank diesen Geräten wird man denn auch auf der Grabung fündig, was auch technisch weniger Affine, aber durchaus Interessierte beeindruckt. Nicht zu vergessen die Smartphones neusten Modells, die Frau und Mann auf sich tragen und dafür sorgen, dass Informationen über Fundstücke an Ort und Stelle gegoogelt, Bilder festgehalten, das Foto der Woche für die Webseite direkt verschickt oder diskrete Hintergrundmusik abgespielt werden kann, um die zuweilen harte Arbeit etwas zu mildern.
Ob mit eigener Ausrüstung oder mit der von der Kantonsarchäologie zur Verfügung gestellten: Die Umsetzung der anstehenden Arbeiten, die hohe Motivation und der Spirit auf der Ausgrabungsstätte bleiben gleich − und dies auch bei 34 Grad Celsius!
Weshalb der Feldkurs in Gebenstorf stattfand
Das Grabungsareal in Gebenstorf-Steinacher liegt in der Bau- und Gewerbezone und wird in naher Zukunft überbaut. Deshalb sind die archäologischen Reste gefährdet. Dank dem Engagement der Freiwilligen konnte das Gelände mit einer kleinen Flächengrabung untersucht werden. Beim zukünftigen Bauprojekt ist die Kantonsarchäologie dank der Ergebnisse des Feldkurses sehr gut vorbereitet und kann die kommenden Grabungsarbeiten optimal auf den Bauablauf abstimmen.
Die letzte unbebaute Fläche
Das Areal liegt an der Strasse vom Legionslager Vindonissa Richtung Baden. Davon zeugt ein Meilenstein, der in Turgi gefunden wurde. Die Limmat, die nicht unweit des Grabungsortes fliesst, diente in der Römerzeit als wichtiger Transportweg. Während dem Bau der Bahnlinie 1856 kamen Gräber von Legionären zum Vorschein, die zu einem Gräberfeld des Legionslagers Vindonissa gehören. Vereinzelte römische Funde und Mauerreste zeugen im Weiteren von einer römischen Siedlung, die jedoch kaum bekannt ist. So wurden beim Strassenbau 1978/80 die Reste eines herrschaftlichen Gebäudes aufgedeckt.
Bei der Parzelle handelt es sich um die letzte unbebaute Fläche, in der die Reste der römischen Siedlung noch erhalten sind. Die Kantonsarchäologie führte 2017 geophysikalische Messungen durch. Dabei fanden sich Hinweise auf römische Mauerzüge.
In der Folge fand der erste Feldkurs 2019 in Gebenstorf statt.
Bilder der Woche
Woche 1
Freiwillige entdecken…
…wo Sonne ist, muss Schatten hin!
Für die wissenschaftliche Dokumentation sind gute Fotos wichtig: die archäologischen Strukturen im Boden müssen gut erkennbar sein. Das ist meist im Schatten der Fall. Und wenn wir einen solch sonnigen Sommer haben… muss man sich zu helfen wissen.
In Woche 1 waren 10 Freiwillige im Einsatz auf der Grabung Gebenstorf-Steinacher. Sie haben sich unentgeltlich für ihr Kulturerbe eingesetzt. Ihnen gilt unser herzlicher Dank!
Das Bild der Woche fotografierten und wählten die Freiwilligen selbst aus.
Woche 2
Freiwillige entdecken...
...das unbekannte Gerät: Der Staubsauger.
Woche 3
Freiwillige entdecken...
...nichts hält ewig.