G7 Wohnqualität und Lärm
Der Anteil an überbauten Wohn- und Mischzonen mit guter bis sehr guter ÖV-Erschliessung stagniert im Kanton Aargau in den letzten Jahren. Ein zunehmender Anteil der Bevölkerung fühlt sich vom Verkehrslärm gestört.
Eine hohe Wohnqualität ist zentraler Bestandteil der allgemeinen Lebensqualität sowie ein wichtiger Standortfaktor. Hohe Wohnqualität bestimmt sich durch eine gute Lage mit guter Erreichbarkeit. Weiter bedeutet Wohnqualität, dass die Bedürfnisse der Wohnbevölkerung aufgenommen werden. So tragen etwa Begegnungsräume, die den sozialen Austausch ermöglichen, Frei- und Bewegungsräume, Nähe zu Natur- und Erholungsräumen, Einkaufsmöglichkeiten in Gehdistanz sowie eine gute Erschliessung mit dem ÖV zur Wohnqualität bei. Lärm hingegen ist das Haupthindernis für eine gute Wohnqualität und verursacht hohe Kosten: Gesundheitsschäden, Wertminderungen von Immobilien oder Aufwände für den Lärmschutz.
Indikatoren: Erschliessungsqualität und Verkehrslärm
Die Wohnqualität wird anhand der Qualität der Erschliessung der Wohn- und Mischzonen sowie des Anteils der durch Verkehrslärm beeinträchtigten Bevölkerung gemessen. Der Anteil überbauter Wohn- und Mischzonen in den ÖV-Güteklassen A und B soll steigen. Der Bevölkerungsanteil, der sich von Verkehrslärm gestört fühlt, soll sinken.
Der Wohnqualitätsaspekt ÖV-Erschliessung zeigt sich in den verschiedenen Güteklassen. A bedeutet eine sehr gute, B eine gute ÖV-Erschliessung. Da für das Jahr 2013 keine Daten vorliegen, wurde der Wert interpoliert.
Erschliessungsqualität von Wohn- und Mischzonen, Aargau, 2007 - 2023
langfristig (seit 2007) | positiv |
kurzfristig (seit 2020) | unverändert |
Der Indikator zeigt den Anteil der Einwohnerinnen und Einwohner, ab 15 Jahren und in Privathaushalten lebend, die gemäss eigenen Angaben in ihren Wohnräumen durch Verkehrslärm von Autos, Züge oder Flugzeuge gestört sind.
Anteil der durch Verkehrslärm beeinträchtigten Bevölkerung, Aargau, 2002 - 2022
langfristig (seit 2002) | positiv |
kurzfristig (seit 2017) | negativ |
Stand 2024
Durchschnittliche Erschliessung, sinkende Lärmbelastung durch den Verkehr
Der Anteil an überbauten Wohn- und Mischzonen die mit dem ÖV sehr gut oder gut erschlossen sind (Güteklassen A und B), hat sich in den letzten vier Jahren nicht weiter verbessert und liegt 2023 auf 13,6 %. Vor zehn Jahren lag der Wert auf leicht besseren 14,7 %. Bei einem beachtlichen Teil der überbauten Wohn- und Mischzonen besteht entsprechend bei der Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr weiterhin Verbesserungspotenzial (BVU 2024a). Die durchschnittliche Luftliniendistanz vom Wohnort zur nächsten Haltestelle, als Indikator für den Zugang zum öffentlichen Verkehr, lag im Kanton Aargau 2021 bei 243 Meter. Die Distanz hat in den letzten zehn Jahren nur wenig, das heisst, um 10 Meter, abgenommen. Im Vergleich mit 19 Kantonen ist der Kanton Aargau, mit sieben weiteren Kantonen schlechter als der Schnitt aller Kantone (228 Meter im Jahr 2021) (Cercle Indicateurs 2023). Vor allem in urbanen und dichten Räumen können mit einem ausgebauten ÖV-Angebot die Verkehrsemissionen reduziert und die Wohnqualität erhöht werden.
Gemäss Gesundheitsbefragung Schweiz fühlen sich 2022 rund 23,4 % der Aargauer Bevölkerung zu Hause regelmässig durch Verkehrslärm (Auto-, Zugs- oder Flugzeuglärm) gestört. Im Schweizer Vergleich liegt der Kanton Aargau damit leicht unter dem Durchschnitt von 25,4 %. Seit der ersten Erhebung 2002 hat der Anteil der lärmgestörten Bevölkerung stetig abgenommen, gegenüber 2017 ist der Wert nun wieder um deutliche 3,6 % gestiegen (BFS 2024).
Im Kanton Aargau werden auf Innerortsstrecken, wo es technisch machbar ist, nur noch lärmmindernde Asphaltbeläge eingebaut. Die Wirkung gegenüber alten Belägen beträgt auch ca. 10 Jahre nach ihrem Einbau immer noch minus 2 bis 3 Dezibel. Durch diese Massnahme an der Quelle profitieren nicht nur die direkten Anwohnenden, sondern auch Passantinnen und Passanten sowie Nutzerinnen und Nutzer von Aussenräumen. Bauliche und planerische Massnahmen führten dazu, dass die Anzahl Personen, die von Immissionsgrenzwertüberschreitungen betroffen sind in den letzten 35 Jahren (das heisst, seit Inkraftsetzung des Umweltschutzgesetzes (USG)) im Kanton Aargau fast halbiert werden konnte. 1985 waren rund 30 % der Gesamtbevölkerung von lästigem oder schädlichem Strassenlärm betroffen (Überschreitung der Immissionsgrenzwerte). Bis 2023 sank die Zahl auf 54'767 Personen oder rund 8 % der Gesamtbevölkerung (BVU 2024b). Obschon der Einsatz lärmmindernder Beläge deutliche Erfolge zeigt, ist die entsprechende Anzahl der Betroffenen immer eine Momentaufnahme. Werden Lärmschutzmassnamen nicht konsequent weiter getroffen, steigt die Anzahl von Grenzwertüberschreitung Betroffener zwangsläufig wieder (akustische Alterung der Beläge, Verkehrs- und Bevölkerungsentwicklung, innere Verdichtung).
Während der Covid-19-Pandemie ist die Fluglärmbelastung deutlich zurückgegangen. Mittlerweile hat die Lärmbelastung tagsüber als auch nachts wieder das Niveau von vor der Covid-19-Pandemie (2019) erreicht. Innerhalb der Nachtstunden haben sich verspätete Start- und Landeereignisse von der 1. Nachtstunde (zwischen 22 und 23 Uhr), auf die 2. Nachtstunde (zwischen 23 und 24 Uhr) verschoben. Besonders Starts von Langstreckenflugzeugen führen hier zu einer Erhöhung der Lärmbelastung. 2022 sind in fünf Aargauer Gemeinden Wohngebiete von Planungswertüberschreitungen durch Fluglärm betroffen (BVU 2023 / Empa 2023).
Zusätzlich zum Verkehrslärm führt auch der sogenannte Alltagslärm immer wieder zu Klagen. Gemäss schweizerischer Gesundheitsbefragung fühlten sich 2022 im Kanton Aargau 15,8 % der Bevölkerung von Nachbarschaftslärm gestört. Dieser Anteil hat seit 2017 um rund einen Fünftel zugenommen und liegt über dem Schweizer Schnitt (BFS 2024).
Auch Geruchsimmissionen sowie die Belastung durch nichtionisierende Strahlung (NIS) können sich negativ auf die Wohnqualität auswirken. Mit über 1'000 Mobilfunkantennen wurde das Mobilnetz im Kanton Aargau in den letzten Jahren zunehmend dichter. Zudem schreitet der Ausbau auf 5G und adaptive Antennen mit grossen Schritten voran (BVU 2024c).
Neben der Lärmsituation und den Verhältnissen in der direkten Wohnumgebung wirkt sich unter anderem auch die Ausstattung der Wohnung auf die Wohnqualität aus. In den Nordwestschweizer Kantonen (AG, BL, BS) waren 2020 15,8 % der Bevölkerung von mindestens einem Wohnproblem wie Feuchtigkeit in der Wohnung, zu wenig Licht oder mangelhafte oder keine sanitären Einrichtungen betroffen (BFS 2022).
Herausforderungen
- Die hochwertige Siedlungsentwicklung nach innen fordert Lösungen für die stark genutzten Strassenräume. Verlangt sind neue Ideen für Strassenraumkonzepte in Kombination mit einer flächeneffizienteren Mobilitätsabwicklung.
- Die 24-Stunden-Gesellschaft und die Siedlungsentwicklung nach innen an gut erschlossenen Lagen kann Lärmemissionen stärker in den Fokus rücken − zum Beispiel durch Aktivitäten im Freien oder Mehrverkehr. Angestrebt werden gemeinsame Lösungen im Themenfeld zwischen Lärmtoleranz und dem Bedürfnis nach Ruhe.
- Mit der von der Raumplanung angestrebten Siedlungsentwicklung nach innen, wird immer mehr in stark lärmbelasteten Gebieten gebaut. Gleichzeitig wird auch an solchen Orten eine gute Wohnqualität in den Innenräumen wie auch im Aussenraum gefordert. Mit der laufenden Revision der Umweltschutzgesetzgebung sollen auf Bundesebene die Siedlungsentwicklung und der Lärmschutz besser aufeinander abgestimmt werden. Im Zentrum steht die Frage, inwiefern das Bauen in lärmbelasteten Gebieten erleichtert werden soll, respektive wie die Lärmreduktion an der Quelle thematisiert wird.
- Kurz- und mittelfristig nimmt der Strassenverkehr weiter zu und führt zu stärkeren Lärmbelastungen. Längerfristig tragen Massnahmen an der Quelle des Lärms (zum Beispiel lärmarme Strassenbeläge oder Elektrofahrzeuge) zu einer Reduktion der Belastung bei. Lärmarme Beläge verursachen höhere Kosten und haben allenfalls eine tiefere Lebensdauer.
- Der nächtliche Güterverkehr insbesondere auf den wichtigen Transitkorridoren im Kanton Aargau steigt weiter, dank strengen Vorschriften für Zugswagen (neue Lärmemissionsgrenzwerte seit 01.01.2020) und den bereits umgesetzten Lärmsanierungen am Schienennetz, wird der Eisenbahnlärm jedoch abnehmen.
Spotlight Klima
Der Klimawandel ist eine der wichtigsten Herausforderungen, welche ein nachhaltiges Handeln erfordern. Die Spotlights Klima beleuchten ausgewählte Massnahmen im Zusammenhang mit dem Klimawandel aus Sicht der kantonalen Verwaltung.
Weitere Informationen zum Klimawandel
Hitzeangepasste Siedlungsentwicklung in der Nutzungsplanung umsetzen:
Bringt vielfältige Vorteile
Mit der kommunalen Bau- und Nutzungsordnung schafft die Gemeinde die Grundlage für eine qualitätsorientierte und nachhaltige Siedlungsentwicklung. Dazu gehören auch grundeigentümerverbindliche Vorschriften zur Hitzeminderung. Die laufenden Revisionen der allgemeinen Nutzungsplanung zeigen, dass die Gemeinden die Thematik aufnehmen. So werden beispielsweise Grünflächenziffern festgelegt, das Unterbauen von Grünflächen auf das Notwendige beschränkt, Bäume geschützt und gefördert, Anreize für das lokale Versickern sowie das Sammeln und Wiederverwenden von Regenwasser ergänzt und Vorschriften zu klimaoptimierter Gebäudestellung gemacht.
Verweise
Für das Thema "Wohnqualität und Lärm" relevante SDGs der Agenda 2030
Das Thema "Wohnqualität und Lärm" ist Teil vom Nachhaltigkeitsbericht des Kantons Aargau:
Quellen
Mitarbeit | |
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Referenzen |
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