22.2.5 Berechnung der ausstehenden Unterhaltsbeiträge
22.2.5.1 Indexierung der Unterhaltsbeiträge
Unterhaltsbeiträge sind gemäss Urteil in den meisten Fällen indexiert, d.h. sie werden jährlich dem Indexstand der Konsumentenpreise angepasst. Oft wird auf den 1. Januar per Indexstand November des Vorjahres angepasst. Der Unterhaltsbeitrag ist entsprechend der Formel im Urteil zu berechnen und zu runden. Unterstützung dabei bietet auch der LIK-Teuerungsrechner des Bundes. Die unterhaltspflichtigen Personen sollten sinnvollerweise spätestens im Dezember durch die zuständige Gemeinde über die neue Indexierung informiert werden, damit der angepasste Unterhaltsbeitrag für den darauffolgenden Januar rechtzeitig bezahlt werden kann.
Mehr zum Thema:
LIK-Teuerungsrechner des Bundes
22.2.5.2 Anpassung des Unterhaltsanspruchs nach Alter des berechtigten Kindes
Unterhaltsbeiträge werden im Unterhaltstitel oft dem Alter des Kindes angepasst. Sind nicht genaue Termine für die jeweilige Anpassung auf Monatsende definiert, wird empfohlen, den Betrag pro rata zu berechnen. Mit dem Abstellen auf das exakte Geburtsdatum werden alle unterhaltsberechtigten Kinder rechtsgleich behandelt.
Beispiel Berechnung pro rata
Ein Kind, geboren am 20.05.2011, erhält Fr. 500.− Unterhaltsbeiträge. Gemäss Unterhaltstitel erhält es ab dem 10. Lebensjahr Fr. 700.−. Für den Monat Mai 2021 erhält das Kind folgende Unterhaltsbeiträge: Fr. 500.− bis 19.05.2021 (500:31 x 19 Tage) und Fr. 700.− ab 20.05.2021 (700:31 x 12 Tage) = Fr. 577.−
Auch Familienzulagen werden je nach Kanton im Alter zwischen 12 und 16 Jahren erhöht. Hier ist die entsprechende Verfügung der Ausgleichskasse zu berücksichtigen beziehungsweise sind bei der zuständigen Ausgleichskasse entsprechende Abklärungen zu tätigen.
22.2.5.3 Ausstandsberechnung
Die Berechnung der ausstehenden Unterhaltsbeiträge gibt Auskunft darüber, welche Beträge in welcher Periode nicht bezahlt wurden. Diese Berechnung dient der unterhaltsberechtigten Person zur Bestimmung ihrer Forderungshöhe und der unterhaltspflichtigen Person als Beleg für ihre Zahlungen. Für die Ausstandsberechnung werden praxisgemäss insbesondere die nachfolgenden Aspekte berücksichtigt:
- Berechnungsgrundlage: Angaben im Rechtstitel
- Bei mehreren unterhaltsberechtigten Personen ist pro Person eine separate Berechnung der Unterhaltsbeiträge und des Saldos zu erstellen
- Jährliche Indexierung ausweisen
- Altersanpassungen berücksichtigen
- Umrechnungskurse bei Fremdwährungen ausweisen
- Unterscheiden zwischen bevorschussten und nicht bevorschussten Unterhaltsbeiträgen beziehungsweise Familienzulagen
- Zahlungseingänge dokumentieren
22.2.5.4 Zahlungsanrechnung
Gültig ab 1. Januar 2024
Gestützt auf Art. 86 Abs. 1 OR kann die unterhaltspflichtige Person bestimmen, an welche Schuld ihre Teilzahlungen anzurechnen sind. Äussert sich die unterhaltspflichtige Person nicht zur Anrechnungsfrage, so wird die eingehende Zahlung grundsätzlich an die fällige Schuld oder – unter mehreren fälligen – an die früher verfallene Schuld angerechnet. Dies gilt nicht für bereits betriebene Forderungen (Art. 87 Abs. 1 OR).
Im Übrigen muss die zuständige Gemeinde über die korrekte Anrechnung der eingehenden Zahlungen entscheiden. Es gelten dafür die folgenden Grundsätze:
- Wird Inkassohilfe sowohl für den Unterhaltsbeitrag als auch für die Familienzulagen geleistet (Art. 3 Abs. 2 InkHV), so ist eine Teilzahlung vorab auf den Unterhaltsbeitrag anzurechnen (Art. 15 InkHV).
- Bei mehreren anspruchsberechtigten Kindern hat die Anrechnung im gleichen Verhältnis zu erfolgen (vgl. BGE 137 III 59 E. 4.2).
- Die Unterhaltspflicht gegenüber dem minderjährigen Kind geht den anderen familienrechtlichen Unterhaltspflichten vor (Art. 276a Abs. 1 ZGB).
Die Zahlungsanrechnung stellt für die Gemeinden insbesondere bei Teilbevorschussungen von Kindesunterhalt eine Herausforderung dar. Die Gemeinde ist in diesen Fällen gleichzeitig für die Alimentenbevorschussung und die Inkassohilfe zuständig. Die Gemeinde leistet für den nichtbevorschussten Unterhaltsanspruch Inkassohilfe und wird in Bezug auf den bevorschussten Unterhalt selbst zur Gläubigerin. Wenn die eingehenden Leistungen der unterhaltspflichtigen Person nicht zur Deckung beider Forderungen ausreichen, stellt sich demnach die Frage, an welche Forderung die Zahlung vorrangig anzurechnen ist. Aufgrund der aktuellen Rechtsprechung der Beschwerdestelle SPG sowie unter Berücksichtigung der oben erwähnten Rechtsgrundsätze, scheintfolgende Rangfolge der Anrechnung angezeigt:
1. Anrechnung an die Ansprüche des laufenden Monats
1.1. An die bevorschussten Kindesunterhaltsbeiträge des laufenden Monats
1.2 An die nicht bevorschussten Kindesunterhaltsbeiträge für minderjährige Kinder des laufenden Monats
1.3 An die nicht bevorschussten Kindesunterhaltsbeiträge für volljährige Kinder des laufenden Monats
1.4 An die Unterhaltsansprüche aus Ehe oder eingetragener Partnerschaft des laufenden Monats
1.5 An die Familienzulagen des laufenden Monats
2. Anrechnung an Rückstände (nur wenn eine Zahlung die Ansprüche des laufenden Monats übersteigt)
2.1 An die Rückstände der bevorschussten Kindesunterhaltsbeiträge
2.2 An die Rückstände der nicht bevorschussten Kindesunterhaltsbeiträge für minderjährige Kinder
2.3 An die Rückstände der nicht bevorschussten Kindesunterhaltsbeiträge für volljährige Kinder
2.4 An die Rückstände der Unterhaltsansprüche aus Ehe oder eingetragener Partnerschaft
2.5 An die Rückstände der Familienzulagen
Innerhalb einer Kategorie ist die Zahlung aufgrund der geltenden Verjährungsfristen (vgl. Kapitel 22.2.5.6 Verjährung) an die jeweils ältesten Rückstände anzurechnen.
Gültig bis 31. Dezember 2023
Gestützt auf Art. 86 Abs. 1 OR kann die unterhaltspflichtige Person bestimmen, an welche Schuld ihre Teilzahlungen anzurechnen sind. Sofern sie das nicht tut, muss die zuständige Gemeinde über die Anrechnung entscheiden. Wird Inkassohilfe sowohl für den Unterhaltsbeitrag als auch für die Familienzulagen geleistet (Art. 3 Abs. 2 InkHV), so ist eine Teilzahlung vorab auf den Unterhaltsbeitrag anzurechnen (Art. 15 InkHV). Bei mehreren anspruchsberechtigten Kindern hat die Anrechnung im gleichen Verhältnis zu erfolgen (vgl. BGE 137 III 59 E. 4.2). Die Unterhaltspflicht gegenüber dem minderjährigen Kind geht den anderen familienrechtlichen Unterhaltspflichten vor (Art. 276a Abs. 1 ZGB).
22.2.5.5 Mankobeträge
Seit dem revidierten Unterhaltsrecht im Jahre 2017 bilden der Bedarf des Kindes und die Leistungsfähigkeit der Eltern die Eckpfeiler für die Berechnung des Unterhaltsanspruchs. Kann aufgrund der Leistungsfähigkeit der Eltern der gebührende Unterhalt des anspruchsberechtigten Kindes nicht gedeckt werden, wird im Unterhaltstitel angegeben, wie hoch die Differenz ist, und diese wird als Mankobetrag ausgewiesen. Kommt es bei der unterhaltspflichtigen Person in einem späteren Zeitpunkt zu einer ausserordentlichen Verbesserung der finanziellen Verhältnisse, so kann der Betrag, welcher während der letzten fünf Jahre zur Deckung des gebührenden Unterhalts gefehlt hat, beim unterhaltspflichtigen Elternteil nachgefordert werden (Art. 286a ZGB).
22.2.5.6 Verjährung
Unterhaltsbeiträge (Kinder- und Ehegattenalimente) verjähren grundsätzlich nach 5 Jahren (Art. 128 Ziff. 1 OR). Seit dem 1. Januar 2017 gilt allerdings ein Verjährungsprivileg für Forderungen des Kindes gegenüber den Eltern, wonach die Verjährungsfrist erst ab dem 18. Geburtstag des unterhaltsberechtigten Kindes zu laufen beginnt.
Das Verjährungsprivileg gemäss Art. 134 Abs. 1 Ziff. 1 OR findet immer dann Anwendung, wenn das Kind seine Forderung selber geltend macht oder wenn das Gemeinwesen für das Kind Inkassohilfe leistet. Für jene Forderungen, welche das Gemeinwesen im Sinne einer Rückerstattung für bevorschusste Unterhaltsbeiträge geltend macht, ist die Anwendung dieses Verjährungsprivilegs umstritten. Auch wenn bereits einige ausserkantonale Gerichte die Anwendung bejaht haben, steht die bundesgerichtliche Rechtsprechung noch aus. Es wird deshalb empfohlen, die Verjährung für bevorschusste Unterhaltsbeiträge ohne Verjährungsprivileg zu berechnen und entsprechend vor Ablauf von 5 Jahren seit Fälligkeit der Forderung verjährungsunterbrechende Massnahmen zu ergreifen.
Befindet sich die unterhaltspflichtige Person im Ausland beziehungsweise ist deren Aufenthalt unbekannt, steht zudem die Verjährungsfrist still, solange die Forderung nicht vor einem Gericht geltend gemacht werden kann (Art. 134 Abs. 1 Ziff. 6 OR). Nach der Rechtsprechung kann sich auf diese Bestimmung nur berufen, wer aus objektiven, von seinen persönlichen Verhältnissen unabhängigen Gründen, daran gehindert ist, in der Schweiz oder im Ausland zu klagen (vgl. BGE 124 III 449 E. 4).