INV-AAB935 Palisadenweg 6, 1910 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-AAB935
Signatur Archivplan:AAB935
Titel:Palisadenweg 6
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Süden (2020)
Bezirk:Zofingen
Gemeinde:Aarburg
Ortsteil / Weiler / Flurname:Högerli
Adresse:Palisadenweg 6
Versicherungs-Nr.:390
Parzellen-Nr.:710
Koordinate E:2635311
Koordinate N:1241546
Situationsplan (AGIS):https://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2635311&y=1241546

Chronologie

Entstehungszeitraum:1910
Grundlage Datierung:Brandkataster

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Wohnhaus

Schutz / Status

Status Bauinventar:Neuaufnahme Bauinventar 2021

Dokumentation

Würdigung:Villenartig gestaltetes, aber vergleichsweise kleinformatiges Wohnhaus, das 1910 nach Plänen des Oltner Architekten Carl Reimann für Alfred Ryniker-Dietschi erbaut wurde. Das in hervorragendem Zustand erhaltene Gebäude fällt durch die künstlerisch ausgesprochen qualitätvollen und originellen Formen im Sinn des Heimatstils und der Reformarchitektur auf; seine Zierformen verweisen auf den geometrischen Jugendstil. Über einem eingeschossigen verputzten Baukörper erhebt sich ein steiles, das ganze Obergeschoss miteinbeziehendes Mansardgiebeldach, dessen Stirnseiten in auffälligem Materialwechsel durch Klebdächer, Sichtfachwerk sowie einen gewölbten Ziegelschirm belebt sind. Im Inneren hat sich weitestgehend die kunsthandwerklich sorgfältige bauzeitliche Ausstattung bewahrt. In Aussichtslage auf dem Geländesporn über der Festung errichtet, trug das Gebäude ursprünglich den Hausnamen «Lueg is Land» und diente als Alterssitz für den als Geschäftsmann aus Amerika zurückgekehrten Erbauer, wodurch sich auch das reduzierte Raumprogramm erklärt. Als Beispiel für die künstlerisch anspruchsvolle Wohnkultur der Zeit um 1900 kommt dem Haus für Aarburg wie auch die weitere Umgebung ein herausragender Stellenwert zu.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das Wohnhaus wurde gemäss Angabe im Brandkataster 1910 für Alfred Ryniker (oder Riniker)-Dietschi erbaut, der sein Leben als Geschäftsmann in Amerika verbracht hatte und sich auf das Alter, vermutlich als Privatier, mit seiner Frau oder weiteren Familienmitgliedern wieder in Aarburg niederliess. Architekt war Carl Reimann aus Olten, über den, was angesichts der Qualität des Entwurfs erstaunt, nichts bekannt ist. Gemäss einer historischen Ansichtskarte trug das Haus den zeittypischen und zur Aussichtslage passenden Namen «Lueg is Land» [1].
Im Lauf seines Bestehens hat das Gebäude, abgesehen von einem Garageneinbau im Sockel um die Mitte des 20. Jh., kaum Veränderungen erfahren. Dank kontinuierlichem Unterhalt präsentiert es sich heute in einem hervorragenden, weitestgehend noch der Bauzeit entsprechenden Erhaltungszustand.
Beschreibung:Das Einfamilienhaus liegt, von einem sorgfältig gestalteten Garten umgeben, in landschaftlich herausragender Situation im «Högerli» auf der Krete des Geländesporns oberhalb der Festung, von wo sich der Blick über die Aare nach Ruttigen und zum Oltnerberg öffnet. Es handelt sich um ein ebenso originelles wie künstlerisch herausragendes Werk der Reformarchitektur um 1910, mit dekorativen Elementen des geometrischen Jugendstils. Gemessen am Charakter eines villenartig gestalteten Einfamilienhauses und an dem zu vermutenden gesellschaftlichen Anspruch des Bauherrn fällt das Gebäude durch seine vergleichsweise geringen Dimensionen auf, was sich durch die Funktion als Alterssitz erklären dürfte. Der eingeschossige gemauerte Baukörper erhebt sich über quadratischem Grundriss und wird von einem steilen, tief herabgezogenen Mansartgiebeldach abgeschlossen, welches in einer um 1910 beliebten Weise das ganze Obergeschoss mit einbezieht. Die nach Südwesten ausgerichtete Giebelfront ist dabei als eindeutige Hauptschauseite ausgebildet. In sorgfältig komponiertem Materialwechsel tritt das Erdgeschoss als verputzter Mauerbau in Erscheinung, während das Mansardengeschoss in Fachwerk ausgeführt und der obere Bereich des Giebelfelds in ungewöhnlicher Weise als bauchig ausschwingender Schirm von Biberschwanzziegeln gestaltet ist. Ganz als Fachwerkwand ausgebildet ist das einfacher gestaltete rückwärtige Giebelfeld. Beide Stirnseiten werden auf Traufhöhe durch ein markantes Klebdach begrenzt. Das wohl rein dekorative Fachwerk besitzt durch den Verzicht auf Schrägstreben und die quadratischen Gefache eine stark geometrische Erscheinung, womit die ebenfalls quadratisch vertäferten, zweifarbig gefassten Dachuntersichten korrespondieren.
Die südwestliche Stirnseite ist mittig mit einem konvex vorspringenden, das Klebdach durchstossenden Standerker besetzt, der im Obergeschoss als Balkon dient. An der südlichen Gebäudeecke springt eine geräumige Laube in den Baukörper ein. Der direkte Gartenausgang an der Südostseite ist für die Entstehungszeit als modern zu werten. Nördlich an den Standerker anschliessend liegt, in ungewöhnlicher Nähe zu den Hauptwohnräumen und zum Terrassensitzplatz, der Hauseingang, was der Zugangssituation im Vergleich zu zeitgleichen repräsentativen Wohnhäusern einen eher privaten Charakter verleiht und wohl ebenfalls mit dem Bauprogramm eines Alterssitzes zu erklären ist. Durch eine Vielzahl sorgfältig gestalteter Architekturformen und Details wird die Erscheinung des Gebäudes zusätzlich belebt. Das Kunststeingewände des mehrteiligen Erkerfensters ist mit gekehlten Zwischenpfosten und unregelmässig gequaderten Kanten versehen. Der Hauseingang, der von einer kurzen Freitreppe erreicht wird, besitzt ein geohrtes Korbbogengewände, das von einem liegenden ovalen Oberlicht überhöht wird. Das bauzeitliche Türblatt ist wiederum quadratförmig gegliedert. Die Laube besitzt ein rustikales hölzernes Staketengeländer, dem im oberen Bereich ein lambrequinartiger, quadratisch gestalteter Gitterrost korrespondiert. Einen Blickfang bildet ein grosser, kreisrunder Okulus knapp unter dem First. Der weit ausschwingende Dachfuss ist mit geometrischen Jugendstilornamenten in Quadrat- und Kreisform akzentuiert.
Der Gebäudesockel ist mit grob behauenen, aber flächig versetzten Muschelkalkquadern verkleidet. Über dem glatt verputzten Erdgeschoss leitet ein Würfelfries zu den vertäferten Dachuntersichten über. Die übrigen Fensteröffnungen des Erdgeschosses wie auch der Balkonausgang in der Laube werden von sorgfältig scharrierten Kunststeingewänden gerahmt und tragen hölzerne Jalousieläden. Im Fachwerk sind die Fensteröffnungen ohne Einfassungen ausgeführt. Die Fenster sind erneuert. Das Dach besitzt eine Doppeldeckung mit Biberschwanzziegeln. An der südlichen Traufseite wird das Mansardengeschoss von zwei markanten Schlepplukarnen belebt. Den First überhöhen zwei Blitzableiter aus der Bauzeit.
Das Hausinnere zeigt einen originellen Grundriss, der sich aus dem stirnseitigen Zugang und dem reduzierten Raumprogramm mit einem einzigen Hauptwohnraum ergibt. Das Erdgeschoss wird vom Hauseingang her durch einen Korridor erschlossen, der winkelförmig das zentral gelegene Wohnzimmer umschliesst und in seinem ersten Schenkel den hölzernen Treppenlauf ins Obergeschoss und den Abgang in den Keller umfasst. Vom zweiten Schenkel aus sind der Hauptwohnraum sowie die Küche und zwei Zimmer auf der Rückseite zu betreten. Vollständig intakt erhalten ist die kunsthandwerklich hochwertige Ausstattung. Das Holzwerk der Türen im Gang ist wohl seit jeher crèmefarben gestrichen und zeigt an den Supraporten einen schachbrettfarbig gefassten Würfelfries sowie eine vergoldete Punktleiste. Die Korridorwände sind im unteren Bereich mit gestrichenem Rupfen versehen, der von einer farblich abgesetzten Randleiste abgeschlossen wird. Das mit holzsichtigem Täfer ausgestattete Wohnzimmer besitzt eine von schmalen Stäben eingefasste seidene Wandbespannung mit floralen Motiven. Der vollständig vertäferte Erkerbereich an der Stirnseite ist durch eine Stufe im Boden räumlich abgesetzt. Das Obergeschoss ist um einen als Quergang ausgebildeten Vorplatz organisiert, wobei der von der Treppe aus gesehen rückwärtige Bereich mit der Bedienstetenkammer sowie der Estrichtreppe durch einen verglasten Abschluss abgetrennt ist. Das Obergeschoss besitzt Riemenböden aus Pitchpine-Holz.
Den ursprünglichen Hauptzugang zum Haus bildet ein Kiesweg, welcher auf den Palisadenweg und seine steile Fortsetzung als Fussweg zum Städtli ausgerichtet ist. Unmittelbar vor dem Eingang erhebt sich eine mächtige Linde, welche einen bereits bauzeitlich vorhandenen, markanten Baum ersetzt (vgl. historische Ansicht in der Bilddokumentation). Der privatere Bereich des ursprünglichen Ziergartens liegt südlich vor dem Haus. Auf der Rückseite schliesst eine wohl schon ursprünglich als Nutzgarten angelegte Wiese mit Obstbäumen an. Nordwestlich des Hauses erhebt sich ein Nebengebäude mit Schopf und Waschhaus, das als einfach gestalteter, langgestreckter Mauerbau mit firstparallelem Giebeldach ausgeführt ist (Vers.-Nr. 440). Südostseitig wurde wohl im mittleren 20. Jh. eine Garagenzufahrt in das Terrain eingetieft. Die Garteneinfriedung bewahrt die bauzeitlichen Mauerpfosten, welche durch einspringende, schräge Reckteckfelder und einen steil abgekanteten Abschluss akzentuiert sind; der ursprünglich helle Lattenzaun ist erneuert.
Anmerkungen:[1] Freundliche Auskunft sowie Baupläne (unvollständig) und historische Postkarte im Besitz der Eigentümerin; Baujahr gemäss StAAG, Brandkataster Aarburg.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung.
Quellen:- Eigentümerschaft: Baupläne, historische Postkarte.
- Staatsarchiv Aargau (StAAG): CA.0001/0599-0602, Brandkataster Gemeinde Aarburg, 1850-1938.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

URL for this unit of description

URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=138292
 

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