INV-WEG919 Gasthof zum Schlüssel, 19. Jh. (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
1/2

Identifikation

Signatur:INV-WEG919
Signatur Archivplan:WEG919
Titel:Gasthof zum Schlüssel
Bezirk:Rheinfelden
Gemeinde:Wegenstetten
Adresse:Hauptstrasse 43
Versicherungs-Nr.:79, 547
Parzellen-Nr.:316
Koordinate E:2637192
Koordinate N:1260882
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2637192&y=1260882

Chronologie

Entstehungszeitraum:19th cent.
Grundlage Datierung:Schätzung

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Gasthaus, Gasthof

Dokumentation

Würdigung:Der seit 1779 bestehende, ursprünglich in einem weiter nördlich gelegenen Haus eingerichtete Gasthof zum Schlüssel, ist eine von ehemals vier alten Tavernen im Dorf. Der stattliche dreigeschossige Mauerbau unter geknicktem Satteldach, der mit seiner eindrücklichen, neun Achsen zählenden Trauffassade und einem Nebengebäude die Hauptstrasse säumt, wurde vermutlich im frühen 19. Jahrhundert errichtet. Als bäuerlicher Vielzweckbau konzipiert, zeigt er eine in der Region eher ungewöhnliche Nutzungskonstellation mit unter den Wohnteil geschobenen Stallräumen (gestelzte Bauweise). Zur vielfältigen Nutzungsgeschichte des Gebäudekomplexes tragen eine Erweiterung mit Tanzlokal und Färberei sowie ein Wasch- und Brunnenhaus mit Badstübchen bei. Ein Korbbogenportal und axial angeordnete Rechtecklichter mit sorgfältig zubehauenen Muschelkalkgewänden prägen als charakteristische Elemente das Erscheinungsbild. Für die Wirkung im Strassenraum ausserordentlich wichtig ist auch der gegenüberliegende baumbestandene Platz.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Für die ehemals im Haus Hauptstrasse 11 (Vers.Nr. 132) beheimatete Taverne zum Schlüssel existiert eine "Würtschafts-Conzession" aus dem Jahr 1779, die im Namen von "Nicolaus Fridolin Freyherr von und zu Schönau, Herr zu Oeschgen und zu Wegenstetten, des hohen Teutschen Ordens Ritter und Comendur zu Rufach, Seiner Kaiserlichen Königlichen Apostolischer Majestät wirklicher Kammerer" zugunsten von "Joseph Gass mein Unterthan zu Wegenstetten" (gest. 1826) ausgefertigt wurde. "Concediere und übergebe ich hiemit für mich und meines Lehens Nachkommen ihm Joseph Gass und seinen absteigenden Eheleiblichen Erben, Mann und weiblichen Geschlecht das Wirtschaftsrecht dergestalten, dass er in seinem Hause den Taffern Schilt zu Schlüssel anhenken, alle Wirthsutilitaten als gerichtliche Sessionen, gemeine Rechnungen, Weinkäufe, Hochzeiten Gemeinds Rechnungen, Ganten, Kirchweyhungen, Fassnachten und derglichen gaudiren, auch zu gewissen Zeiten Tänze etc. halten möge". Durch Heirat gelangte der "Schlüssel" 1858 von der Familie Gass in den Besitz der Schnyder [1].
Schon in der ersten Hälfte des 19. Jh. muss das Tavernenrecht auf das heutige Gebäude übergegangen sein. Die auf historischen Aufnahmen des frühen 20. Jh. dokumentierten Kreuzstockfenster mit Bleiruten und die fein gekehlte Gesimsform sprechen für eine Erbauung desselben kurz nach 1800 (vgl. Bilddokumentation). Der Brandkatastereintrag von 1850 erwähnt eine "Tavernenwirtschaft samt Scheune, Stall nebst Anbau mit Tanzboden, Wasch- und Brunnenhaus, Badstübchen; von Stein und Rieg, 3 und 2 Stock hoch, mit Träm- und gewölbtem Keller unter Ziegeldach" [2]. Der Beschreibung zufolge bestand der Gasthof schon damals aus mehreren Trakten unterschiedlicher Höhe: dem dreigeschossigen Hauptgebäude mit Wirtschaft, Scheune und Stall, einem Anbau mit Tanzboden und einem zweigeschossigen Wasch- und Brunnenhaus mit Badstübchen. Zugemauerte Fenster an der Stirnfront sprechen für eine etappenweise Entstehung des Gebäudekomplexes [3].
Der dreistöckige Hauptbaukörper, ein stattlicher Vielzweckbau mit integrierter Scheune und Ställen im Erdgeschoss, dürfte ursprünglich nur sieben Achsen lang gewesen sein. Die beiden leicht abgesetzten Achsen im Südwesten wurden vermutlich nachträglich angefügt, um einen Tanzsaal einrichten zu können. Dieser Gebäudeabschnitt besitzt denn auch eine grössere Raumtiefe und tritt rückseitig aus der Fassadenflucht vor. In den ebenerdigen Kellerräumen sowie im ersten Obergeschoss war hier im späteren 19. Jh. bis 1910 eine im Nebenerwerb betriebene Färberei eingerichtet [4]. Das benötigte Wasser stammte aus der eigenen Quelle. Für den Antrieb der Einrichtungen wurde Wasser teilweise mittels Holzrinnen vom Winterhaldenbach auf ein Wasserrad beim östlichen Anbau geleitet und die Kraft von dort mit einem 25 Meter langen Wendelbaum aus Eichenholz in die Färberei übertragen. Die "Mangi" und das "Farbstübli" im ersten Obergeschoss mussten 1939 im Zusammenhang mit der Militäreinquartierung weichen. Die Wirtsstube war im ersten Obergeschoss (Hauptgeschoss) eingerichtet, darüber erstreckten sich die privaten Wohnräume. Beim nordöstlichen Anbau handelt es sich wohl um das ehemalige Wasch- und Brunnenhaus mit Badstübchen. Hinter dem Haus war früher eine Kegelbahn eingerichtet [5].
Der Wirtebetrieb wurde vor wenigen Jahren aufgegeben.
Beschreibung:Der traufständig zur Hauptstrasse errichtete Gasthof zum Schlüssel präsentiert sich als mächtiger dreigeschossiger Mauerbau unter einem steilen, geknickten Satteldach (im Bereich der beiden südwestlichen Fensterachsen gerade über den rückwärtig aus der Flucht tretenden Anbau hinweggezogen), an den im Nordosten ein zweigeschossiges Nebengebäude unter geradem Satteldach anschliesst. Der langgestreckte Hauptbaukörper ist mit Ökonomie- und Wohnräumen unter durchlaufendem Dach als bäuerlicher Vielzweckbau gestaltet, wobei die Ställe und Kellerräume in origineller Weise unter den Wohn- und Wirtschaftsteil geschoben sind (gestelzte Bauweise). Die insgesamt neun Achsen zählende Schauseite wird im Nordosten von einer Scheune mit Korbbogenportal und zwei schartenartigen Lüftungsöffnungen am darüber liegenden Heubergeraum bestimmt. Den übrigen Teil der Fassade rhythmisieren in den beiden oberen Geschossen jeweils fünf einzelne Rechtecklichter, indem diese in zwei Zweier- und eine Dreiergruppe angeordnet sind. Am Erdgeschoss sind neben der Scheune Eingänge und Fenster zu zwei separaten Stallungen eingelassen. Südöstlich schliesst der ursprünglich aussen liegende Haupteingang an, gefolgt von der ebenfalls ebenerdigen Erschliessung des jüngeren südwestlichen Gebäudeteils. Mit Ausnahme der drei überformten Gaststubenfenster im ersten Obergeschoss haben sich die hochrechteckigen Hausteingewände mit Ladenfalz erhalten. Diese weisen am Obergeschoss noch die originalen, fein gekehlten Gesimse auf [6]. Holzläden mit Füllungen und Jalousien ersetzen die früheren Bretterläden (vgl. Bilddokumentation). Die Stirnfront ist mit etwas schmaleren und am Giebel etwas kleineren Rechteckfenstern ausgestattet. Das charakteristische Korbbogentor, welches noch die alten hölzernen Torflügel mit rauten- und strahlenförmiger Aufdoppelung bewahrt, zeigt an der steinernen Einfassung einen Schlussstein, gewölbte Bogenanfänger und Radabweiser. Historischen Aufnahmen zufolge zeigte der nebenliegende Stall früher eine lokaltypische Bretterverschalung und eine Rundbogentür (vgl. Bauinventarobjekt WEG916). Die ursprünglich wohl allesamt recht niedrigen Eingänge am Erdgeschoss wurden im frühen 20. Jh. teilweise erhöht, desgleichen das Kellerfenster. Auch die mit einem Fugenstrich und Kranzgesimsen versehenen Putzlisenen sind eine Zutat dieser Zeit. Ein die Fassade oben abschliessendes Gesimsprofil und ein dekorativ ausgeschnittenes Friesbrett entlang der Trauflinie begleiten die mit einer Rahmenkonstruktion und Krallentäfer verschalte Dachuntersicht. Das filigran geschmiedete Wirtshausschild mit spätbarockem Zierwerk könnte mit Ausnahme des erneuerten Schlüssels noch aus der Zeit um 1800 und somit vom vorgängigen Standort der Taverne an der Hauptstrasse 11 stammen.
Das ehemalige Wasch- und Brunnenhaus im Nordosten, das heute im Fassadenbild eine grosse Ähnlichkeit zum Ökonomietrakt aufweist, besass einst eine Doppeltür und darüber eine grosse Aufzugsöffnung, die später durch einen zweiten Lüftungsschlitz ersetzt wurde.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Wortlaut abgedruckt in: Schreiber-Brändlin 1996, S. 83; zur Besitzergeschichte S. 84.
[2] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0586-0588: Brandkataster Gemeinde Wegenstetten 1850-1938.
[3] Vgl. dazu auch Schreiber-Brändlin 1996, S. 84-85.
[4] Laut Ackermann bestand das Wasserrecht seit 1830, vgl. J. Ackermann, Aufnahmen von älteren Häusern und Hausgruppen, 1934, Blatt Nr. 23 (Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv).
[5] Schreiber-Brändlin 1996, S. 84.
[6] Gleichartige Gesimse finden sich auch an den Bauinventarobjekten WEG901, WEG903, WEG906, WEG912, WEG918, WEG924.
Literatur:- Hans Schreiber-Brändlin, Dorfgeschichte Wegenstetten, Wegenstetten 1996, S. 82-85.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0586-0588: Brandkataster Gemeinde Wegenstetten 1850-1938.
- J. Ackermann, Aufnahmen von älteren Häusern und Hausgruppen, 1934, Blatt Nr. 23 (Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv).
- Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, IX-12, 14.
 

URL for this unit of description

URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=47358
 

Social Media

Share
 
Home|Login|de en fr it
Online queries in archival fonds