Ringier Bildarchiv - Ein Sicherungs- und Vermittlungsprojekt
2009 übernahm das Staatsarchiv Aargau das gesamte analoge Bildarchiv des Zofinger Medienunternehmens Ringier. Mit rund sieben Millionen Bildern handelt es sich um das grösste fotografische Bildarchiv der Schweiz in öffentlicher Hand. Im Zentrum der aktuellen Projektphase (2014-2016) steht die Sicherung und Vermittlung des umfangreichen Bestandes.
Ein wichtiges Argument für die Übernahme des wertvollen visuellen Kulturgutes ins Staatsarchiv Aargau war die Verwurzelung der Firma Ringier in Zofingen. Zudem entspricht es der Strategie des Kantons Aargau, sich vermehrt mit der Unternehmens- und Industriegeschichte des Kantons und seiner wirtschaftlichen Entwicklung im 20. Jahrhundert auseinanderzusetzen.
Das Medienunternehmen Ringier mass Fotografien schon früh hohe Bedeutung zu. In den hauseigenen Illustrierten platzierte der Verlag Bilder an prominenter Stelle und bestimmte so auf visueller Ebene das Zeitgeschehen. Ab den 1960er Jahren baute Ringier ein Gebrauchsarchiv auf, mit dem es auf die steigende Nachfrage nach gutem, jederzeit verfügbaren Bildmaterial reagierte. Die "Ringier Dokumentation Bild" wurde bis Ende der 1990er Jahre weitergeführt, geriet jedoch durch digitale Bildtechnologien zunehmend ins Hintertreffen.
Der fotografische Bestand erstreckt sich von den 1930er Jahren bis zum Ende des 20. Jahrhunderts und enthält sowohl Abzüge als auch Negative, Dias und Glasplatten. Die Bilder stammen aus den Bereichen öffentliches Leben, Politik, Sport und Unterhaltung. Sie erlauben Einblicke in die Alltags- und Frauengeschichte der Schweiz des 20. Jahrhunderts und stellen darüber hinaus herausragende Quellen für die Fotografie- und Mediengeschichte dar.
Vom Gebrauchsarchiv zum öffentlichen Archiv
Das Sicherungs- und Evaluationsprojekt Ringier Bildarchiv (RBA) verfolgt das Ziel, die "Ringier Dokumentation Bild" von einem firmeninternen Gebrauchsarchiv in ein historisches Archiv überzuführen. In einer ersten Projektphase ging es darum, einen Überblick über die rund sieben Millionen Fotografien zu gewinnen. Auf dieser Grundlage werden nun Konzepte für die Bewertung, Konservierung, Erschliessung, Nutzung und Vermittlung erarbeitet wie auch eine Finanzierung für deren Umsetzung gesucht. Übergeordnetes Ziel ist es, für den mittel- und langfristigen Umgang mit Grossbeständen Handlungsoptionen zu entwickeln.
Projektorganisation
- Projektverantwortliche: Andrea Voellmin, Bibliothek und Archiv Aargau
- Projektleitung: Daniela Nowakowski, Stadtmuseum Aarau
Projektfinanzierung
Das Projekt wird vom Swisslos-Fonds des Kantons Aargau und vom Medienunternehmen Ringier AG finanziert.
Projektdauer
2009 bis 2020
Projektphasen
Sicherung und Evaluation
Anhand von drei einheitlich aufgebauten Evaluationsprojekten wurden Methoden und Arbeitsprozesse entwickelt, die auf den gesamten Bestand anwendbar sind und Aufschluss über den Zustand des Ringier Bildarchivs geben. Untersucht wurden dabei die Prozesse der Bewertung, Konservierung, Erschliessung, Vermittlung sowie Nutzungsfragen. Ziel war es, zu Erfahrungswerten zu kommen, die eine Planung für die Archivierung des gesamten Bestandes ermöglichen und Eckdaten zum Zeit- und Finanzrahmen liefern.
Evaluationsprojekt "Farbe bekennen"
Im Evaluationsprojekt "Farbe bekennen" werden Verfahren für die Konservierung und Erschliessung der Farbbestände AA und RC entwickelt. Erste ausgewählte Bilder aus dem AA-Bestand sind nun online.
Für dieses Evaluationsprojekt wurden zwei Farbbestände aus den Reportagebeständen von Ringier ausgewählt: Der frühe Farbbestand AA (1960–1973) und Ringier Color RC (1979–2000). Obschon es sich in beiden Fällen um Diapositive handelt, präsentieren sich die beiden Konvolute aus konservatorischer Sicht unterschiedlich. Die Dias aus dem AA-Archiv sind ungerahmt und weisen teilweise auf den Hüllmaterialien Klebespuren auf. Jene aus dem RC-Archiv sind mehrheitlich gerahmt und ungünstigerweise in PVC-Hüllen abgelegt. Ausdünstungen dieser Kunststofftaschen haben zu einem seltsamen, bisher unbekannten Schadensbild geführt. Zudem sind bei beiden Beständen Farbveränderungen vorhanden.
Auch hinsichtlich der Erschliessung sind die beiden Bestände sehr verschieden. So ist der RC-Bestand in der Referenzdatenbank RDB erfasst, der AA-Bestand hingegen gar nicht. Das dritte Evaluationsprojekt deckt somit zwei weitere wichtige Bereiche ab, wobei dem AA-Bestand der Vorrang gegeben wird.
Umfang und Material
Die beiden Farbbestände AA und RC sind zwischen 1960 und 2000 entstanden und enthalten unterschiedliche Trägermaterialien, die verschieden alterungsbeständig sind. Im Projekt werden nicht die gesamten Bestände aufgearbeitet, sondern ausgewählte Teile.
Dieses Projekt zur Erhaltung und Erschliessung der Farbbestände wird mit der Unterstützung von Memoriav realisiert.
Literatur
Anna Leibbrandt: "Nicht nur die Stadt ist vieltausendfarbig". Erschliessung und Konservierung des frühesten Farbbestandes im Ringier Bildarchiv, in: Rundbrief Fotografie 21 (2014), No. 3, S. 36-44
Archivierungsprojekt "Prominent!"
Das Archivierungsprojekt "Prominent" nimmt sich dem ATP/RiBiDi-Personenbestand an und prüft mögliche Verfahren mit der Personenerschliessung.
Die Personenbestände werden bei Bildanfragen regelmässig nachgefragt, weshalb nun der ältere der beiden Bestände im Rahmen eines Projekts aufgearbeitet wird. Ziel des Projekts ist es, den Personenbestand des Arnold Theodor Pfister Bilderdienstes (ATP) und des Ringier Bilderdienstes (RiBiDi) zu bewerten und zu erschliessen sowie teilweise zu konservieren und zu digitalisieren.
Der Personenbestand ATP/RiBiDi enthält nationale und internationale Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Sport aus den Jahren von 1936 bis 1976. Die Mehrheit der Aufnahmen sind Porträts oder aber repräsentative Aufnahmen von wichtigen Momenten aus dem Leben dieser Personen, beispielsweise von internationalen Konferenzen oder Ausstellungseröffnungen.
Anhand dieses Projekts wird eine mögliche Einbindung der Personennormdateien (PND) in die Erschliessung angestrebt, so dass für die erschlossenen Personen eine internationale Standardisierung der Daten zum Zuge kommt. Dies ist insbesondere für die Schreibweise von internationalen Namen relevant. Damit sind die Datensätze bestens vorbereitet für die Einbindung in verschiedene Datenplattformen.
Die Aufarbeitung des späteren Personenbestandes (ca. 1960 bis 2000) wird von den Erfahrungen dieses Projekts profitieren. Ebenso können die anderen Pressebildarchive der Schweiz für Ihre Personenbeständen aus diesen Erfahrungen schöpfen.
Umfang und Material
Der ATP/RiBiDi-Personenbestand enthält ca. 270‘000 Nitrat-, Acetat- und Polyesternegative, ca. 2‘000 Gelatinetrockenplatten und ca. 137'000 DOP-Gelatinesilber Papierabzüge (9x12 cm). Bei letzteren handelt es sich um Vintageprints auf Barytpapier. Die Fotografien sind nicht inventarisiert, aber sehr gut beschriftet, so dass die Erschliessung ohne grössere Recherchearbeiten ablaufen kann.
Dieses Projekt zur Erhaltung und Erschliessung des Personenbestandes ATP/RiBiDi wird mit der Unterstützung von Memoriav realisiert.
Evaluationsprojekt "Bilder des Sports: Der ATP/RiBiDi-Sportbestand"
Der ATP/RiBiDi-Sportbestand diente als erstes Evaluationsprojekt des Ringier Bildarchiv als Pilot für die Entwicklung von Massenerschliessungs- und Konservierungsverfahren sowie für die Bewertungsdiskussion.
Der ATP/RiBiDi-Sportbestand wurde aufgrund der konservatorischen Dringlichkeit für eines der drei Evaluationsprojekte ausgewählt. Er umfasst drei Teile, bezeichnet als "Sport-Themen", "Sport-Länder" und "ATP-Früh". Entstanden zwischen 1936 und 1976, umfasst der Bestand in Taschen abgelegte Reportagen zu verschiedenen Sportereignissen der unterschiedlichsten Sportarten in der Schweiz und im Ausland. Fotografie- und mediengeschichtlich ist dieses Konvolut von Interesse, da ATP wie die meisten Fotoagenturen ihre ersten Schritte mit der Sportfotografie machte. Insofern dokumentiert dieser Teilbestand den Beginn der schweizerischen Presseagenturarbeit.
Umfang und Material
Der ATP/RiBiDi-Sportbestand umfasst ca. 500'000 Negative. Rechtliche Fragen stellten sich keine, da die Rechte vollumfänglich bei Ringier lagen und ans Staatsarchiv übergegangen sind. Entsprechend der Entstehungszeit zwischen Ende der 1930er und Mitte der 1970er Jahre handelt es sich bei den Bildträgern zunächst um Cellulosenitrat-, dann um Celluloseacetat- und zuletzt um Polyesternegative. Sowohl die Cellulosenitrat- als auch die Celluloseacetatnegative sind teilweise von Selbstzerstörungen betroffen, weshalb dringender Handlungsbedarf bestand. Für den ATP/RiBiDi-Sportbestand gab es kein Verzeichnis, dafür sind die Reportagen gut beschriftet.
Erkenntnisse
- Eine Bewertung auf der Ebene der Dossiers zur Reduktion der Bestände lohnt sich nur, wenn konservatorische Massnahmen notwendig sind, um das Bild zu retten. Daher muss bei Cellulosenitrat- und Celluloseacetatnegativen zunächst der konservatorische Zustand bestimmt und anschliessend bei schlechtem Befund eine Bewertung vorgenommen werden. Dieses Vorgehen wurde gewählt, weil die Bewertung selbst zeitintensiv ist. Die Ergebnisse aus dem Bewertungsverfahren beim ATP/RiBiDi-Sportbestand sind grundlegend für das gesamte Bewertungsverfahren im Ringier Bildarchiv. Es wurde im Tagungsband "Über den Wert der Fotografie" veröffentlicht.
- Die Erschliessung der gut beschrifteten Reportagetaschen über Retrokonversion hat sich bewährt, da diese Vorgehensweise sehr kostengünstig und mit sehr kleiner Fehlerquote versehen ist. Die Erschliessung auf der Dossierebene über die Retrokonversion kann auf den Themenbestand des ATP/RiBiDi-Bestandes übertragen werden. Der Teilbestand Personen sowie die Teilbestände Länder und Königshäuser hingegen, müssen intern erschlossen werden, da sie nicht gut beschriftet sind.
- Konservatorisch hat der ATP/RiBiDi-Sportbestand des Ringier Bildarchivs eine hohe Dringlichkeit, weshalb die Konservierungsarbeiten unbedingt weitergeführt werden müssen. Diese Dringlichkeit gilt für den gesamten ATP/RiBiDi-Bestand. Das entwickelte Verfahren entspricht einer Massenverarbeitung, mit der effizient und kostengünstig gearbeitet werden kann. So ist die Konservierung solch grosser Negativbestände machbar.
Dank der Unterstützung von Memoriav sind die wichtigen Sportbilder für die Nachwelt erhalten und zugänglich gemacht worden.
Evaluationsprojekt "Schweizer Geschichte in Bildern 1940–1980"
Das Projekt "Schweizer Geschichte in Bildern 1940–1980" entwickelt Verfahren für die Konservierung von Abzügen und die Erschliessung von Themendossiers.
Der zweite ausgewählte Bestand ist der Abzugsbestand "Schweiz" aus dem Länderteil des Allgemeinen Archivs. Die ausschlaggebenden Auswahlkriterien waren seine Bedeutung für die Schweizer Geschichte, die darin enthaltenen Materialien, die Zusammenstellung nach und die Erschliessung über Stichwörter sowie die Vielfalt der rechtlichen Fragen. Die Abzüge stammen teilweise von anderen Fotoagenturen oder freischaffenden Fotografen, zu welchen die Rechtssituation noch klärungsbedürftig war. In diesem Evaluationsprojekt wurde der gesamte Teilbestand "Schweiz" bearbeitet.
Umfang und Material
Entstanden zwischen 1940 und 1980 umfasst er ca. 62'000 Abzüge. Bei den Bildträgern handelt es sich um Baryt-, PE-Abzüge, Funkbilder und Bélinographie. Zudem sind Agenturmeldungen vorhanden.
Erkenntnisse
- Die Erschliessung auf der Dossierebene hat sich bewährt, die Bilder sind gut auffindbar. Unumgänglich ist die aufwändige Art der Umlagerung. Was die Schadensbilder betrifft, so scheinen sich diese in den Abzugsbeständen zu wiederholen, können aber mit der ausgetüftelten Methode eingegrenzt werden.
- Der Teilbestand Schweiz steht von der Struktur her stellvertretend für das ganze „Allgemeine Archiv“, weiter aber auch für das Blickarchiv, die Bestände „Zweiter Weltkrieg“, „SSA-Plan“, und grosse Teile des Personenarchivs, des Sport- und des Showarchivs sowie für die Königshäuser. Diese 8 Bestände, die alle einen grossen Anteil an Abzügen aufweisen und insgesamt ca. 1.2 Millionen Bilder umfassen, können in praktisch identischer Art und Weise aufgearbeitet werden.
Dieses Projekt wurde vom Bundesamt für Kultur unterstützt
Landesausstellungen
Der Teilbestand Landesausstellungen ist erschlossen und konserviert. Ausgewählte Aufnahmen können in der Bildergalerie betrachtet werden.
Die Landesausstellungen sind Höhepunkte der Selbstdarstellung der Schweiz und damit für die Pressefotografie interessante Ereignisse, die von der Planung, dem Aufbau bis zum Abbau begleitet wurden. Neben den zentralen Themen wie der Pavions, Ausstellungen und der Eröffnung wurden einzelne Besuchergruppen wie Pfadfinderinnen, Kinder und Alte sowie Persönlichkeiten dokumentiert.
Der Bilderdienst Arnold Theodor Pfister (ATP) schickte gleich mehrere Fotografen an die Landi von 1939, so sind Bilder von bekannten Schweizer Fotografen wie Björn Eric Lindroos, Heinrich Weiss, Hermann Schmidli und Hans Bertolf, aber auch von Arnold Theodor Pfister selbst zu finden.
Der Ringier Bilderdienst (RiBiDi), der Ringier als Nachfolgedienst für ATP begründete, verfolgte die Arbeiten rund um die Expo64 von 1964 und die Ausstellung selbst nicht minder intensiv. Für ihn waren Siegfried Kuhn, Donald Stampfli, Jean-Pierre Grisel und andere unterwegs.
Umfang und Material
Der Teilbestand ATP/RiBiDi-Landesausstellungen enthält gut 14‘000 Cellulosenitrat- und Celluloseacetatnegative sowie vereinzelt Barytabzüge. Zudem sind oft auch Agenturmeldungen und weitere Kontextinformationen vorhanden.
Vermittlung und Archivierung
Das Ringier Bildarchiv entwickelt in der aktuellen Phase eine Palette an Bildungs- und Vermittlungsangeboten für verschiedene Zielgruppen wie Führungen, Workshops und öffentliche Veranstaltungen. Weitere Schwerpunkte sind die Erschliessung und Archivierung der Bestände.
2017 - 2020
Kooperation mit dem Aarauer Stadtmuseum
Nachdem der Regierungsrat des Kantons Aargau das gemeinsame Projekt mit einem Beitrag aus dem Swisslos-Fonds unterstützt, kann die Kooperation unter dem Arbeitstitel "Foto+Film – Ringier Bildarchiv" weiter intensiviert und fortgeführt werden (2017–2020). Das Stadtmuseum entwickelt die bisherigen Formate weiter und organisiert Veranstaltungen, Publikationen und Wechselausstellungen. Im Rahmen der Kooperation werden auch die Arbeiten in den Fachbereichen Erschliessung, Konservierung und Digitalisierung der Fotobestände sowie der Bilderdienst weitergeführt