Höchstzahlen im ambulanten Bereich
Im Rahmen von kostendämpfenden Massnahmen in der Krankenversicherung sind die Kantone gemäss Art. 55a des Krankenversicherungsgesetzes angehalten, in mindestens einem medizinischen Fachgebiet eine Höchstzahl (manchmal auch als Zulassungsstopp oder Ärztestopp bezeichnet) für die im Kanton ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte zu definieren. Dies kann Einfluss auf Leistungsberechtigungen für die obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) haben. Sie finden nachfolgend Informationen zum kantonalen Vollzug.
Mit der Bundesverordnung über die Festlegung der Höchstzahlen für Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Bereich haben die Kantone bis zum 1. Juli 2023 in mindestens einem Fachgebiet eine Höchstzahl für die im Kanton ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte zu definieren sowie die kantonalen Regelungen zur Einschränkung der Zulassung zur Tätigkeit zulasten der OKP anzupassen. Ansonsten steht den Kantonen die Möglichkeit offen, die ermittelten Ärztinnen und Ärzte als bedarfsgerecht zu definieren, was bewirkt, dass weitere Zulassungen zulasten der OKP als nicht mehr zweckmässig und wirtschaftlich zu werten sind. Aufgrund verschiedener Faktoren wie eine wachsende und älter werdende Bevölkerung erachtet der Kanton indes weitere Zulassungen als notwendig. Dies bewirkt bereits jetzt die Notwendigkeit der Definition von Höchstzahlen.
Die methodologischen Grundlagen zur Erarbeitung von Höchstzahlen sind dabei auf Stufe Bund vorgegeben. Diese sehen vor, dass die Höchstzahlen unter Berücksichtigung der von den Kantonen ermittelten Anzahl tatsächlicher Vollzeitäquivalente (VZÄ) der Ärztinnen und Ärzte eines bestimmten Fachgebiets, die in einer bestimmten Region tätig sind, und von regionalen Versorgungsgraden pro Fachgebiet festgelegt werden. Die Festlegung der Höchstzahlen durch die Kantone nach Artikel 55a KVG beruht auf der Ermittlung des Angebots an Ärztinnen und Ärzten und der Herleitung des Versorgungsgrads pro Region. Diese wurden auf Bundesebene gesamtschweizerisch in einem einheitlichen Modell für alle Kantone ermittelt. Das Departement Gesundheit und Soziales hat daher die vom Bund im Februar 2023 erhaltenen Daten zur tätigen Ärzteschaft plausibilisiert und durch eigene Erhebungen ergänzt.
Etappiertes Vorgehen
Die Höchstzahlen kommen ab 1. Juli 2023 zur Anwendung. Spätestens am 1. Juli 2025 müssen die Kantone die Höchstzahlen nach den Vorgaben des Bundes definitiv umsetzen.
Da dies einen wirtschaftlichen Eingriff in die Position der Ärztinnen und Ärzte darstellt, wird eine ordentliche gesetzliche Grundlage benötigt (vgl. auch Urteil vom 18. Januar 2023 des basellandschaftlichen Kantonsgerichts). Die Ausarbeitung des Gesetzes vor der vom Bund gesetzten Frist 1. Juli 2023 ist nicht möglich.
Die aargauische Kantonsverfassung sieht indes vor, dass der Regierungsrat alleine die zum Vollzug des Bundesrechts notwendigen Bestimmungen als Verordnung erlassen kann, sofern eine zeitliche Dringlichkeit besteht. Die Verordnungsbestimmungen verlieren spätestens nach zwei Jahren die Gültigkeit. Der Regierungsrat beabsichtigt, bis dann ein formelles Gesetz auszuarbeiten, welches die ab 1. Juli 2023 geltende Verordnung ablöst. Ebenso sollen die Methodik und der Datenaustausch verfeinert werden.
Nachstehend finden Sie Informationen zu Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen können.
Generelle Fragen zu Höchstzahlen
In der Schweiz herrscht ein Ärztemangel. Warum erlässt der Kanton nun Höchstzahlen?
Hier gilt es zu unterscheiden, von welchem medizinischen Bereich respektive Fachgebiet gesprochen wird. In der Grundversorgung besteht im Kanton Aargau teilweise eine gravierende Unterversorgung. Diese Situation betrifft auch mehrere spezialisierte Bereiche. Für einzelne Grundversorger besteht weiter seit 18. März 2023 gestützt auf Art. 37 Abs. 1bis des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) die Möglichkeit einer Ausnahmezulassung. Der Kanton Aargau konnte bereits mehrere solche Zulassungen erteilen.
Es war und ist für das Departement klar, dass in der Grundversorgung (Allgemeine Innere Medizin, Kinder- und Jugendmedizin, Psychiatrie und Psychotherapie sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie) sowie inspezialisierten Bereichen mit einer klaren Unterversorgung keine Höchstzahlen eingeführt werden sollen. Bei raschen wachsenden Fachbereichen oder einer Überversorgung erweist sich eine Höchstzahl indes als sinnvoll. Ebenso kann bei Einführung einer Höchstzahl die maximale Anzahl Zulassungen noch nicht ausgeschöpft sein. In diesem Fall ist wie bisher bei Erfüllung der gesetzlichen Kriterien die Erteilung einer Leistungsberechtigung für die OKP möglich, da ein Puffer bis zur Erreichung der Höchstzahl besteht.
Was bewirkt eine Höchstzahl?
Gemäss Art. 55a KVG definieren die Kantone mindestens in einem Fachgebiet Höchstzahlen. Sofern diese erreicht sind, können à priori keine weiteren Ärztinnen und Ärzte für eine Leistungserbringung im entsprechenden Fachgebiet zugelassen werden. Dies umfasst sowohl den praxisambulanten wie auch den spitalambulanten Bereich.
Besteht eine Höchstzahl in einem Fachgebiet, aber ist diese noch nicht erreicht, können weiterhin Leistungsberechtigungen zulasten der OKP erteilt werden.
Welche Fachbereiche sind von Höchstzahlen betroffen?
Jeder Kanton muss die Bereiche, in welchen Höchstzahlen gelten, selber definieren. Im Kanton Aargau gelten ab 1. Juli 2023 Höchstzahlen für eine Tätigkeit in den Bereichen Radiologie und Ophthalmologie (Augenheilkunde).
Ich bin in einem Fachgebiet tätig, welches keine Höchstzahl hat. Was heisst das für mich?
Da keine Höchstzahlen festgelegt sind, ändert sich für Sie nichts.
Wo finde ich Wartelisten bezüglich der Höchstzahlen?
Der Kanton Aargau hat sich gegen das Führen von Wartelisten entschieden. Ärztinnen und Ärzte, die eine Tätigkeit meistens sofort aufnehmen möchten, sollen zeitnah Klarheit erhalten, ob eine OKP-Zulassung oder Bestätigung zum jetzigen oder zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist.
Wartelisten bedeuten häufig lange Wartezeiten, bis eine Zulassung wieder möglich ist. Nach einigen Monaten auf einer Warteliste besteht der Wunsch, eine Tätigkeit aufzunehmen, in vielen Fällen nicht mehr. Zudem sollen pro-forma-Gesuche und Spielereien mit etwaigen Wartepositionen. vermieden werden.
Da Höchstzahlen im ambulanten Bereich gelten, könnten nun die Spitäler ohne Einschränkung weiteres Personal anstellen. Werden so Höchstzahlen umgangen?
Höchstzahlen gelten gemäss dem Krankenversicherungsgesetz für den spitalambulanten und den praxisambulanten Bereich (niedergelassene Ärzteschaft). Es ist daher nicht vorgesehen und auch nicht möglich, dass die Spitäler, welche neben den stationären auch ambulante Leistungen erbringen, nun einfach Ärztinnen und Ärzte in Fachgebieten mit Höchstzahlen anstellen; dies auch im Sinne von Wettbewerbsverzerrungen. Die Spitäler selbst sind gehalten, dem Departement in regelmässigen Abständen Daten zu liefern. Die Daten erlauben es nachzuvollziehen, ob ein Spital Personal angestellt hat, um den spitalambulanten Bereich zu erweitern.
Bereiche mit Höchstzahlen
Ich möchte neu eine Tätigkeit in einem Fachgebiet mit Höchstzahl aufnehmen. Ist das möglich?
Wenn die Höchstzahl noch nicht erreicht ist, kann Ihrem Antrag auf Zulassung oder Bestätigung zulasten der OKP bei Erfüllung der gesetzlichen Kriterien wie bis anhin entsprochen werden.
Ist die Höchstzahl erreicht, kann grundsätzlich keine weitere Leistungsberechtigung für eine Zulassung oder Berechtigung zulasten der OKP erteilt werden. Ausnahmen betreffen die Erhaltung der nötigen Versorgungsituation.
Zurzeit arbeite ich als angestellte Ärztin in einer Einrichtung. Kann ich bei einem Wechsel des Arbeitgebers weiterhin meinen bisherigen Besitzstand beanspruchen?
Es existiert ein Besitzstand für die Weiterführung der Tätigkeit. Sofern Sie im spital- oder praxisambulanten Bereich vor Inkrafttreten der Höchstzahlen eine Zulassung zur OKP erhalten und Leistungen zulasten jener erbracht haben, können Sie weiterhin in Ihrem Fachbereich tätig sein, sofern Sie in der gleichen Einrichtung verbleiben.
Wenn Sie bei erreichter Höchstzahl die Einrichtung wechseln und in der gleichen oder angrenzenden politischen Gemeinde die Tätigkeit fortsetzen, ist dies möglich, ansonsten muss die Situation evaluiert werden.
Wegen meiner Schwangerschaft und anschliessendem Mutterschaftsurlaub pausiere ich meine Tätigkeit. Verliere ich meine OKP-Berechtigung, wenn ich meine Tätigkeit nachher wieder aufnehme?
Gemäss den geltenden Regelungen sind Sie verpflichtet, Änderungen sowie eine Tätigkeitsaufgabe zu melden. In begründeten Fällen der Pausierung (Sabbatical, Unfall, Mutterschaftsurlaub) kann trotz Inaktivität an Ihrer OKP-Berechtigung festgehalten werden. Melden Sie sich bei Unsicherheiten vorab beim Departement Gesundheit und Soziales für eine Besprechung der Lage.
Ein Oberarzt beginnt neu bei uns im Spital. Gehen wir richtig in der Annahme, dass wir von den Höchstzahlen nicht betroffen sind, da wir eine stationäre Einrichtung sind?
Die Höchstzahlen gelten gemäss dem Krankenversicherungsgesetz auch für den spitalambulanten Bereich. Ein im Spital tätiger Arzt erbringt oftmals schnell wechselnd Leistungen bei ambulanter wie auch bei stationärer Patientenschaft. Das Departement Gesundheit und Soziales hat mit den Spitälern Meldepflichten für Änderungen beim Spitalpersonal vereinbart.
In unserem Betrieb in einem Fachgebiet mit Höchstzahl hat eine Kollegin gekündigt. Gleichzeitig bleibt die Zahl unserer Patientinnen und Patienten stabil. Wie können wir einen Ersatz für die kündende Kollegin erhalten?
Sofern die Höchstzahl noch nicht erreicht ist, kann wie bis anhin um eine Leistungserbringung zulasten der OKP ersucht werden.
Sofern die Höchstzahl erreicht ist, kann im Sinne der Patientensicherheit unter gewissen Umständen gleichwohl einem Antrag auf Zulassung oder Bestätigung zulasten der OKP stattgegeben werden.
Wie sieht es für Ärztinnen und Ärzte aus, welche soeben den Facharzttitel in einem Gebiet mit Höchstzahlen erlangten oder bald einen solchen erlangen werden?
Wenn die Höchstzahl noch nicht erreicht ist, kann einem Antrag auf Zulassung oder Bestätigung zulasten der OKP bei Erfüllung der gesetzlichen Kriterien wie bis anhin entsprochen werden.
Im Sinne der Durchlässigkeit und des Erhalts der Ausbildungsmöglichkeiten kann neuen Fachärztinnen und Fachärzten auch bei erreichter Höchstzahl eine Zulassung oder Bestätigung zulasten der OKP gegeben werden, sofern diese Personen vorher in einem Spital oder mit kantonaler Assistenzbewilligung tätig waren und nun beim gleichen Arbeitgeber tätig sind oder in einer Region mit unterdurchschnittlicher Versorgungsdichte im Kanton Aargau tätig sein möchten.
Ich war bis im 2018 im Kanton Aargau tätig, dann habe ich in einen anderen Kanton gewechselt. Nun möchte ich wieder im Aargau eine medizinische Tätigkeit aufnehmen. Ist das möglich?
In dieser Situation verfügen Sieüber eine inaktive, aber gültige Berufsausübungsbewilligung. Da Sie am 1. Januar 2022 (Inkraftsetzung der KVG/KVV Änderungen vom 19. Juni 2020) nicht tätig waren, scheidet die Möglichkeit, einen Besitzstand zu beanspruchen, aus. Es ist daher eine Berechtigung für eine Tätigkeit zulasten der OKP einzuholen. Dabei werden auch allfällig geltende Höchstzahlen berücksichtigt.
Rechtliche Grundlagen
Bundesebene
Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10)
Verordnung über die Festlegung der Höchstzahlen für Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Bereich (SR 832.107)
Kantonsebene
Verordnung über Höchstzahlen bei der Zulassung von Ärztinnen und Ärzten zur Abrechnung zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (HZV; SAR 311.416)