22.2.4 Anspruchsvoraussetzungen
Zahlt die unterhaltspflichtige Person ihre Unterhaltspflicht nicht, nicht rechtzeitig oder nur teilweise, kann die begünstigte Person am zivilrechtlichen Wohnsitz ein Gesuch um Inkassohilfe stellen. Dies gilt für alle Unterhaltsansprüche aus dem Kindesrecht, dem Ehe- und Scheidungsrecht, dem Partnerschaftsgesetz sowie für Familienzulagen, solange diese in einem Unterhaltstitel festgelegt wurden (Art. 3 InkHV).
22.2.4.1 Vollstreckbarer Rechtstitel
Ein Anspruch auf Inkassohilfe setzt voraus, dass der Unterhaltsbeitrag in einem vollstreckbaren Rechtstitel festgelegt ist. Als Rechtstitel gelten:
- gerichtliche Entscheide über den Unterhalt von Kindern und Eltern (insbesondere rechtskräftige Scheidungs-, Trennungs- oder Vaterschaftsurteile, Entscheide im Eheschutzverfahren, Entscheide betreffend vorsorgliche Massnahmen im Ehescheidungs- oder Ehetrennungsverfahren, Entscheide betreffend vorläufige Zahlung von Unterhaltsbeiträgen im Vaterschaftsverfahren),
- durch die zuständige Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde genehmigte Unterhaltsverträge (vor 2013: Genehmigung Amtsvormundschaft / kommunale Vormundschaftsbehörde)
- schriftliche Unterhaltsvereinbarungen des volljährigen Kindes mit einem oder beiden Elternteilen.
Der Unterhaltstitel muss vollstreckbar sein. Dies bedeutet, dass die Rechtsmittelfrist für eine Anfechtung des Entscheids unbenutzt abgelaufen sein muss und das Gericht die Vollstreckung nicht aufgeschoben hat. Ein Unterhaltstitel ist auch vollstreckbar, wenn die Rechtsmittelfrist für eine Anfechtung des Entscheids noch nicht abgelaufen ist, jedoch die vorzeitige Vollstreckung durch das Gericht bewilligt wurde.
Die Vollstreckbarkeit muss vom zuständigen Gericht oder der zuständigen Behörde bestätigt werden. Dies erfolgt mittels Bescheinigung auf dem Unterhaltstitel / Entscheid, welche grundsätzlich von der unterhaltsberechtigten Person einzuholen ist.
22.2.4.2 Vollstreckbarer Rechtstitel für Volljährigenunterhalt
Der Anspruch auf Unterhalt über die Volljährigkeit – und bis zum Abschluss der Ausbildung – hinaus muss im Unterhaltstitel klar und unmissverständlich deklariert sein. Ansonsten ist der Rechtstitel nicht vollstreckbar und es kann keine Inkassohilfe geleistet werden. Wurde der Unterhalt über die Volljährigkeit hinaus im Unterhaltstitel für den Unterhalt während der Minderjährigkeit nicht bereits klar und unmissverständlich festgesetzt, so muss der Unterhalt nach Volljährigkeit durch einen neuen Unterhaltsvertrag festgesetzt werden. Dieser kann einvernehmlich zwischen Elternteil und Kind erstellt werden und wird nicht durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde genehmigt. Können sich das volljährige Kind und der unterhaltspflichte Elternteil nicht einigen, kann das Kind den Unterhalt auf dem Zivilweg geltend machen. Im Rahmen der Inkassohilfe (Art. 12 lit. c InkHV) ist das volljährige Kind auf die Möglichkeit der Geltendmachung seines Unterhaltsanspruchs hinzuweisen, um einen vollstreckbaren Entscheid erlangen zu können.
Der Anspruch auf einen Unterhalt nach Volljährigkeit setzt voraus, dass sich die unterhaltsberechtigte Person in Ausbildung befindet. Als Ausbildung gelten der Besuch von Schulen oder Kursen, die der Allgemeinbildung oder der Berufsbildung dienen sowie die berufliche Ausbildung im Rahmen eines eigentlichen Lehrverhältnisses. Gleiches gilt für Tätigkeiten ohne speziellen Berufsabschluss, welche eine systematische Vorbereitung auf eine zukünftige Erwerbstätigkeit darstellen (z.B. obligatorisches Praktikum). Macht ein volljähriges Kind ein Zwischenjahr (z.B. zwischen Matura und Studium), hat es in dieser Zeit keinen Anspruch auf Unterhaltsbeiträge sowie Ausbildungszulagen. Die Begründung liegt darin, dass das volljährige Kind in dieser Zeit die Möglichkeit hätte, seinen Lebensunterhalt selber zu verdienen. Bei einer weiterführenden Ausbildung, zum Beispiel nach einer abgeschlossenen Lehre, muss erkennbar sein, dass es sich um eine Fortführung der ersten Ausbildung handelt.
Wer zwischen zwei Ausbildungsphasen Militär- oder Zivildienst leistet, wird die unterhaltsberechtigte Person während dieser Zeit nur dann als "in Ausbildung" betrachtet, wenn dieser Unterbruch nicht länger als fünf Monate dauert und die Ausbildung unmittelbar nach dem geleisteten Dienst fortgesetzt wird. Ein solcher Unterbruch kann beispielsweise im Absolvieren der Rekrutenschule bestehen, sofern sie in eine unterrichtsfreie Zeit fällt (etwa zwischen Matura und Beginn des Studiums), oder in einer Militärdienstleistung (zum Beispiel fraktionierte Rekrutenschule) in den Semesterferien. Wer längere Dienstleistungen am Stück erbringt (wie Durchdienen oder Abverdienen in Folge), befindet sich in dieser Zeit nicht in Ausbildung.
Mehr zum Thema:
Formulare der Bezirksgerichte für Parteieingaben