INV-SCL912 Villa Frey Unterdorfstrasse 7, 1895 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-SCL912
Signatur Archivplan:SCL912
Titel:Villa Frey Unterdorfstrasse 7
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Nordwesten (2015)
Bezirk:Kulm
Gemeinde:Schöftland
Adresse:Unterdorfstrasse 7
Versicherungs-Nr.:101
Parzellen-Nr.:371
Koordinate E:2646173
Koordinate N:1239651
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2646173&y=1239651

Chronologie

Entstehungszeitraum:1895
Grundlage Datierung:Brandkataster

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Repräsentatives Wohnhaus, Villa

Dokumentation

Würdigung:Herrschaftliche Fabrikantenvilla, die 1895 für die Gebrüder Jakob und Rudolf Frey, Besitzer der Oberen Mühle, errichtet wurde. Der grosszügige Historismusbau besticht durch seine kräftige Sandsteingliederung und durch sorgfältig gestaltete Fassadenelemente in den Formen des Neubarock und des Klassizismus. Das in der äusseren Erscheinung wie auch in der inneren Raumordnung intakte und noch mit erheblicher historischer Ausstattung versehene Gebäude repräsentiert auf eindrückliche Weise die gehobene wirtschaftliche und gesellschaftliche Stellung der Müller- und Industriellenfamilie Frey in Schöftland. Es handelt sich somit um ein Baudenkmal von überkommunaler Ausstrahlung.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Die beiden Mühlen von Schöftland werden im 16. Jh. erstmals schriftlich erwähnt, doch dürfte ihre Existenz noch weiter zurückgehen [1]. Die Obere Mühle, zu der die Fabrikantenvilla Frey gehört, war von alters her eine Handelsmühle, die Getreide angekauft und Bäckereien mit Mehl beliefert hat. 1867 erwarb Heinrich Frey-Peter von Gontenschwil die Obere Mühle, nachdem er 1852 bereits die Untere Mühle gepachtet und kurz darauf gekauft hatte; letztere wurde in der Folge weiterhin als Kundenmühle geführt. 1873 ersetzte er die Gebäude der Oberen Mühle durch einen Neubau mit Turbinenanlagen und baute das Unternehmen kontinuierlich zum Industriebetrieb aus [2]. Nach seinem Tod 1880 ging die Untere Mühle an seinen ältesten Sohn Heinrich Frey-Lüscher über. Den Betrieb der Oberen Mühle übernahmen die beiden anderen Söhne Jakob und Rudolf Frey. Das Geschäft blühte, so dass die beiden Brüder gegenüber dem Gewerbebau ein prächtiges Fabrikanten-Wohnhaus errichten konnten [3]. Im Brandkataster wird dieses 1895 als "Wohnhaus von Stein, mit 6 Kellern" neu eingetragen und mit einem für damalige Verhältnisse ausgesprochen hohen Versicherungswert von 40'000 Franken belegt [4].
Am 24. März 1895 schrieb Jakob Frey (1850-1898) an einen Freund in Amerika: „Wir haben das grosse Strohhaus von Gloor, Küfer, und Wälty, Schlosser, gekauft, dasselbe abgerissen und es erhebt sich schon ein Neubau für unser Wohnhaus bestimmt auf dem Platz, in das wir im Herbst einzuziehen gedenken.“ Allerdings konnte er das geräumige Haus nicht allzu lange geniessen, verstarb er doch bereits 1898 recht unerwartet. Seine Frau Marie Frey-Lüthy überlebte ihn um mehr als 30 Jahre. Mit Hilfe zweier Mägde führte sie den Grosshaushalt weiter. Sie hatte den Schwager Rudolf Frey, ihre beiden Söhne, den Buchhalter Gottlieb Lüthy und viele Angestellte zur Kost und betrieb im "Buchserhaus", einem Nebengebäude der Mühle, einen kleinen Verkaufsladen für Mehl, Griess und Hühnerfutter [5].
Die Fabrikantenvilla umfasste von Beginn weg zwei grosszügige Stockwerkwohnungen für die beiden Fabrikanten Jakob und Rudolf Frey. Zwischenzeitlich waren im Erdgeschoss auch Büroräume eingerichtet. Diese wurden anlässlich einer grösseren Renovation in den 1990er Jahren aufgehoben und damit die ursprüngliche Wohnsituation wieder hergestellt.
Beschreibung:Bei der Fabrikantenvilla Frey handelt es sich um einen überaus stattlichen, historistisch geprägten Mauerbau unter eternitgedecktem Mansarddach. Der breit gelagerte Baukörper weist eine rhythmische Fassadenabfolge und reiche Gestaltung mit Hausteindekor aus Sandstein auf. Kräftige, teils rustizierte Eckquader betonen die Vertikale, während Sohlbank- und Stockwerkgesimse mit dazwischen liegenden skulptierten Brüstungsplatten die Horizontale bilden. Öffnungen mit klassizistisch übergiebelten Gesimsbekrönungen weisen das Obergeschoss als Beletage aus, auch wenn die Parterrefenster mit spätbarocken Stichbögen und betonten Schlusssteinen nur unwesentlich schlichter gehaltenen sind.
Die nach Westen zum Mühlengelände gerichtete Schaufront mit den repräsentativen Wohnräumen akzentuiert ein leicht vorspringender Mittelrisalit mit ausnehmend grosszügigen Fensterflächen und zweigeschossigem, aus Guss- und Schmiedeeisenteilen gefertigtem Balkon. Die gleiche Materialwahl und Formensprache findet sich bei einem zweiten Verandavorbau an der südlichen Schmalseite und bei den sorgfältig gestalteten Blechfassungen der Giebeldachlukarnen. Als Pendant zum Mittelteil der westlichen Schaufassade findet sich an der bahnhofzugewandten östlichen Rückfront ein stärker auskragender Treppenhausrisalit, welcher die Haupterschliessung des Gebäudes aufnimmt. Zusätzlich existieren zwei Nebeneingänge an den beiden Schmalseiten des Gebäudes.
Das Hausinnere erschliesst sich über das rückwärtige Treppenhaus und identisch auf beiden Geschossen über einen mittigen Längsgang, an den beidseitig die Wohn-und Schlafräume anschliessen. die Küche nimmt jeweils die Nordostecke des Hauses ein. An historischer Ausstattung haben sich Türen, Parkettböden, Felderdecken, mit neobarocken Dekorationsmalereien geschmückte Stuckdecken sowie diverse Einbauschränke erhalten. In der nordwestlichen Hauptstube im Parterre steht ein stattlicher weisser Turmofen mit diversen Inschriften zur Familiengeschichte der Industriellenfamilie Frey.
Anmerkungen:[1] Zur Geschichte der Mühlen in Schöftland vgl. Holliger 1992, S. 161-164.
Lienhard 1954, S. 13-16; Chronik des Kantons Aargau 1963, S. 140-141.
[2] Von dieser Mühlenanlage ist noch der Türsturz mit den Initialen des Bauherrn und dem Baujahr ("HF./1873") erhalten (vgl. Bilddokumentation).
[3] Die frühere Behausung, das so genannte "Dävihus", wurde in der Folge 1932 durch Feuer zerstört (vgl. Bilddokumentation).
[4] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0274-0277: Brandkataster Schöftland 1850-1938.
[5] Hundert Jahre Obere Mühle Frey 1873-1973.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung.
Literatur:- Jakob Lienhard, Von den Mühlen in Schöftland, in: Jahresbericht der Vereinigung für Heimatkunde des Suhrentals, 1954, S. 13-16.
- Christian Holliger, Schöftland: Geschichte und Geschichten, Schöftland 1992, S. 161-164.
- Heinz Baumann/Walter Widmer, Weisch no? Alte Photographien aus dem Ueker-, Suhren- und Ruedertal, Schöftland 1981, S. 67, 68.
- Chronik Kanton Aargau, Bezirk Kulm, Zürich 1963, S.140-141.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0274-0277: Brandkataster Schöftland 1850-1938.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=128344
 

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