INV-VEL923 Wildeggerstrasse 25, 1899 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-VEL923
Signatur Archivplan:VEL923
Titel:Wildeggerstrasse 25
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Nordosten (2015)
Bezirk:Brugg
Gemeinde:Veltheim (AG)
Ortsteil / Weiler / Flurname:Rischmatt
Hist. Name Objekt:„Chalet Rischmatt“
Adresse:Wildeggerstrasse 25
Versicherungs-Nr.:149
Parzellen-Nr.:344
Koordinate E:2653606
Koordinate N:1254058
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2653606&y=1254058

Chronologie

Entstehungszeitraum:1899
Grundlage Datierung:Brandkataster; Schriftliche Quelle

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Wohnhaus
Epoche / Baustil (Stufe 3):Schweizer Holzbaustil

Dokumentation

Autorschaft:Jacques Gros (1858-1922), Architekt, Zürich (Typenprojekt); Chaletfabrik Kuoni, Chur
Inschriften:"1899" (Strassenfassade)
Würdigung:Für Betsy Meyer, die Schwester des bekannten Dichters Conrad Ferdinand Meyer, errichtetes Wohnhaus von 1899, das von der bekannten Chaletfabrik Kuoni in Chur geliefert wurde und wohl einem Typenprojekt des Architekten Jacques Gros folgte. Als echter Blockbau mit flach geneigtem, weit vorspringendem Dach, zierförmig ausgesägten Pfettenkonsolen und weiterer Holzornamentik folgt das rustikale, gelichwohl aber herrschaftliche Gebäude den gängigen Merkmalen des damals als spezifisch schweizerisch empfundenen Bautypus des Chalets. Es ist an dem zur Entstehungszeit noch weitgehend unverbauten Dorfrand von Veltheim an die Strasse nach Wildenstein gestellt, wo es umgeben von hohen Rottannen noch heute ein auffälliges Element im Landschaftsbild bildet. Dem aussen wie innen besonders gut erhaltenen Beispiel für die zeitgenössisch beliebte Chaletarchitektur kommt nicht nur hoher baugeschichtlicher Zeugenwert zu; durch seine Entstehungsgeschichte besitzt das Haus auch eine erhebliche lokalhistorische Bedeutung für Veltheim.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das chaletartige Wohnhaus wurde 1899 für Betsy (Elisabeth) Meyer (1831-1912), die Schwester des bekannten Dichters Conrad Ferdinand (1825-1898), erbaut [1]. Die Bauherrin, die ihr Leben vor allem als Sekretärin, Mitarbeiterin und teilweise auch Mitautorin für ihren Bruder verbrachte und im übrigen aus einer religiösen Grundhaltung heraus karitativen Tätigkeiten nachging, war 1893 in den Aargau gezogen, um in der Nähe ihres damals in der Anstalt Königsfelden untergebrachten, geisteskranken Bruders sowie dessen Biografen zu leben. Nachdem sie zeitweise eine Wohnung im „Waldhaus“ in Wildegg gemietet und bei der befreundeten Schlossherrin von Wildenstein (Kantonales Denkmalschutzobjekt VEL001), Pauline von Sinner-von Effinger, gelebt hatte, machte sie über deren Vermittlung Bekanntschaft mit der Frau des Veltheimer Gemeinderates Johann Weber, von deren Familie sie schliesslich den Bauplatz für ihr eigenes Wohnhaus erwarb [2].
Geliefert wurde das Gebäude von der Chaletfabrik Kuoni in Chur [3], einer der bekanntesten Vertreterinnen ihrer Branche. Wie dies für den Chaletbau üblich war, entspricht das Gebäude weitgehend einem Typenbau, der entsprechend den Wünschen der Bauherrschaft in der Fabrik vorgefertigt werden konnte und vor Ort nur montiert wurde. Es handelt sich wohl um eine Abwandlung eines Entwurfs des bekannten Architekten Jacques Gros, der in einem zeitgenössischen Prospekt der Chaletfabrik Kuoni abgebildet ist und dem Veltheimer Chalet sowohl in den Einzelformen (geschweifte Pfettenkonsolen, zackenfömig beschnitzte Streben, Fensterrahmungen, zierbeschnitzte Eckpfosten) wie auch in der Gesamtdisposition (Anordnung von Lauben und Balkon im Hauptgeschoss) gleicht [4].
Betsy Meyer lebte bis zu ihrem Tod 1912 in ihrem als „Chalet Rischmatt“ bezeichneten Wohnhaus in Veltheim, wo sie weiterhin karitativ tätig war und Leseabende abhielt, von den eingesessenen Dorfbewohnern aber auch mit einer gewissen Distanz betrachtet wurde. Später ging das Haus in das Eigentum der Familie Kovalski über, die in Veltheim Reitstiefel und Reitkleider herstellte [5]. 1979 erfolgten Innenausbauten von Küchen und Badezimmern, 1986 eine Fassadenrenovation und Neueindeckung des Daches. 1991-93 fand eine neuerliche Fassadenrenovation mit Holzimprägnierung statt [6].
Beschreibung:Das Wohnhaus erhebt sich südlich des Dorfs in der Rischmatt, wo es talseits der Strasse nach Wildenstein im leicht abfallenden Gelände über die Ebene des Aaretals und zur Habsburg blickt. Es ist in den Formen der um 1900 beliebten Chalet-Architektur gestaltet und als echter Blockbau ausgeführt, wie dies um 1900 als Ausdruck einer spezifisch schweizerischen Architektur beliebt war. Mit seiner Architektur bewusst rustikal gestaltet, entspricht das Haus in seinen Dimensionen doch eindeutig herrschaftlichen Ansprüchen. Auf einem talwärts geschosshoch freiliegenden Mauersockel erhebt sich der zweigeschossige hölzerne Oberbau, welcher das charakteristisch flach geneigte und mit weiten Überständen versehene Giebeldach trägt. Gliederungsmotiv und hauptsächlicher Fassadenschmuck sind entsprechend dem Bautypus die Balkenvorstösse, welche die innere Raumteilung am Äusseren abzeichnen und sich unter dem Dach in weit vorstehenden, ornamental ausgesägten Pfettenkonsolen fortsetzen. In absichtlich unregelmässigem Wechsel sind die Fassaden mit Einzel-, Doppel- sowie einigen mehrteilige Fenstern besetzt, die von geschweiften Rahmenbrettern mit mehrheitlich geraden Verdachungen gefasst werden und im Obergeschoss auf einem Sohlbankgesims sitzen. Sie tragen hölzerne Jalousieläden, die in charakteristischem Farbwechsel zum braunen Holz grün gestrichen und in den drei Geschossen jeweils unterschiedlich ausgestaltet sind. Durch mehrere Balkone, Vorbauten und Lauben sowie einen Quergiebel wird der Baukörper zusätzlich belebt.
Die zur Strasse gewandte westliche Giebelseite ist als eigentliche Rückfront ausgebildet, wie dies einer seit dem späten 19. Jh. vermehrt aufkommenden Disposition entspricht. In der mittleren Fassadenpartie liegt der Hauseingang, der von einer Laube mit beschnitzten Eckpfosten beschirmt wird; die Blockwand ist nur wenig befenstert. Links vom Hauseingang ist das Baujahr 1899 eingeschnitzt. Als eigentliche Hauptschauseite ist die talwärts gerichtete westliche Stirnseite ausgebildet. Einem durchlaufenden Balkon mit ausgesägter Brüstung und beschnitztem, pergolaartigem Oberbau antwortet im Giebelfeld ein kleinerer Balkon mit auffallend wuchtigem Geländer. Im Erdgeschoss springen zwei seitliche Lauben in den Baukörper ein, von denen die südliche nachträglich verglast wurde. Sie setzen sich an den jeweiligen Traufseiten fort und werden von originell geformten Stürzen und beschnitzten Eckpfosten geschmückt. Über dem Hauptgeschoss gliedert hier wie an der Eingangsfront ein Rankenfries, im Dachgeschoss ein Dreiecksfries die Fassade. Auffallendes Schmuckelement sind die an Fuss- wie Zwischenpfetten angebrachten, zackenförmig beschnitzten Streben.
Die südliche Traufseite, die von der Strasse von Wildenstein her besonders prominent in Erscheinung tritt, ist mit einem risalitartigen Vorbau versehen, der im Dachgeschoss von einem Quergiebel abgeschlossen wird. Dieser beschirmt eine Balkonlaube, die von einer Giebelründe mit auffallenden Hängezapfen überspannt wird. Das anstossende Fassadenstück besitzt im Hauptgeschoss eine nachträglich verschlossene Laube, darüber einen Balkon. Einfacher gestaltet ist die zum Dorf gerichtete nördliche Traufseite, die an der Westseite die halbgeschossig versetzten Treppenhausfenster zeigt.
Das grosszügig gestaltete Innere ist in zur Entstehungszeit moderner Weise vollständig mit holzsichtigem Weichholz ausgestattet und weitgehend im bauzeitlichen Zustand erhalten. Das dreiseitig freiliegende Sockelgeschoss enthält neben Keller- und Vorratsräumen auch die Küche. In dem vom Hauseingang ebenerdig zugänglichen Hauptgeschoss liegen die Repräsentationsräume, im Obergeschoss Schlafräume und im Dach die Bedienstetenzimmer. Hinter dem mittigen Eingang schliesst ein Vestibül an, das sich linkerhand auf das Treppenhaus öffnet. In der Mittelachse folgt ein zentrales Entrée, von dem aus wiederum geradeaus der Salon liegt, während links und rechts Esszimer und Office mit Speisenlift vom Untergeschoss angeordnet sind. Das Treppenhaus verfügt über eine zweiläufige Holztreppe samt gedrechseltem Antrittspfosten und ist mit Krallentäfer ausgestattet. Erhalten sind auch die bauzeitlichen, verglasten Wohnungsabschlüsse zwischen Vestibül und Entrée. Die Wohnräume besitzen profiliertes Feldertäfer, das in ornamentaler Weise mit auffällig stark mit Astlöchern durchsetzt ist und im Esszimmer mit einem verglasten Einbaubuffet versehen ist. Die Obergeschossräume sind in einfacherer Weise wie die niedrigeren Bedienstetenzimmer im Dachgeschoss mit Krallentäfer ausgestattet. Die Böden der Wohn- und Schlafräume sind durchgehend mit Weichholzriemen belegt. Das Bad verfügt noch über einen bauzeitlichen, farbig ornamentierten Zementplattenboden.
Der Garten ist dicht mit Rottannen und weiteren Nadelbäumen bepflanzt, die in einer für die Bauzeit typischen Weise ein dunkles Wäldchen bilden und den Blick auf das Haus heute teilweise verdecken. Südlich vor dem Haus liegt ein Sodbrunnen mit Brüstung und Überdachung von 1986 [7].
Anmerkungen:[1] Schärli 1992, S. 320f.; Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0202-0204; Brandkataster Gemeinde Veltheim, 1850-1938; ZwA 1942.0001, Bezirksamt Brugg, Brandkataster Gemeinde Veltheim, 1809-1850.
[2] Zu Betsy Meyer und Veltheim vgl. Frey 1919; Schärli 1992, S. 320f.; HLS; http://www.cfmeyer.ch/leben_und_werk/1880.html.
[3] Frey 1919, S. 373.
[4] Prospekt Chaletfabrik Kuoni, „Châlet Tobler in Zürich“; zu Jacques Gros, u.a. Erbauer des Grand Hotel Dolder in Zürich, vgl. Rucki / Huber 1998.
[5] Freundl. Mitteilung des Eigentümers.
[6] Gemäss Baugesuchsarchiv.
[7] Gemäss Baugesuchsarchiv.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung.
Literatur:- Isabelle Rucki / Dorothee Huber, Architektenlexikon der Schweiz, 19./20. Jahrhundert, Basel 1998, S. 231f., s.v. ‚Jacques Gros‘.
- C. F. Meyers Briefwechsel. Historisch-kritische Ausgabe. Lebens- und Werkdaten C. F. Meyer: http://www.cfmeyer.ch/leben_und_werk/1880.html (Zugriff 29.8.2016).
- Adolf Frey, Conrad Ferdinand Meyer. Sein Leben und seine Werke, 3. Aufl., Stuttgart / Berlin 1919, S. 365-385 (zusammen mit Lina Frey).
- Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), s.v. ‚Betsy Meyer‘ (2009): http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D29548.php.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0202-0204; Brandkataster Gemeinde Veltheim, 1850-1938; ZwA 1942.0001, Bezirksamt Brugg, Brandkataster Gemeinde Veltheim, 1809-1850.
- Chaletfabrik Kuoni & C.ie. Chur-Schweiz, Prospekt, undat. (um 1890/1900, Fotokopie Kantonale Denkmalpflege), „Châlet Tobler in Zürich“.
- Gemeinde Veltheim, Baugesuchsarchiv: Umbauten 1979, 1986, 1991-93.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=130807
 

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