INV-BES939 Ferienhaus Vers.-Nr. 582, 1935 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-BES939
Signatur Archivplan:BES939
Titel:Ferienhaus Vers.-Nr. 582
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Osten (2016)
Bezirk:Kulm
Gemeinde:Beinwil am See
Ortsteil / Weiler / Flurname:Seeufer
Adresse:Seeufer
Versicherungs-Nr.:582
Parzellen-Nr.:1966
Koordinate E:2658970
Koordinate N:1234219
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2658970&y=1234219

Chronologie

Entstehungszeitraum:1935
Grundlage Datierung:Schriftliche Quelle

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Ferienhaus
Epoche / Baustil (Stufe 3):Neues Bauen

Schutz / Status

Kategorie Inventar Kulturgüterschutz:B (regionale Bedeutung)

Dokumentation

Autorschaft:Paul Artaria (1892-1959), Architekt, Basel
Würdigung:1935 vom Basler Architekten Paul Artaria für den in der gleichen Stadt tätigen Galeristen Willi Raeber errichtetes Ferienhaus, das knapp vor der Kantonsgrenze zu Luzern in einer landschaftlich reizvollen Seebucht liegt. Von einem Hauptexponenten des Neuen Bauens in der Schweiz erbaut, der sich in seiner Laufbahn verschiedentlich mit Ferienhäusern befasste, bildet das Gebäude mit seiner formalen und konstruktiven Reduktion wie auch der durchdachten räumlichen Gliederung ein bemerkenswertes Zeugnis für die damals neu aufkommende Baugattung. Die um wenige Jahre nachträglichen Erweiterungen mindern in gewissem Mass zwar die Stringenz des ursprünglichen Entwurfs, sind aber durchaus als Teil der Bauaufgabe zu verstehen. Aussen wie innen sorgfältig gepflegt, ist das Haus praktisch vollständig im Zustand der Entstehungszeit erhalten.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das Ferienhaus wurde 1935 vom Basler Architekten Paul Artaria (1892-1959) erbaut, der mit seinen Bauten wie auch mit seiner publizistischen Tätigkeit als einer der wichtigsten Vertreter des Neuen Bauens in der Schweiz bekannt ist. Artaria realisierte im Lauf seiner Karriere nicht nur verschiedene Ferien- und Kleinhäuser; er setzte sich mit der Bauaufgabe auch in mehreren Büchern auseinander und war 1935 an der Basler Ausstellung „Land- und Ferienhaus“ beteiligt. Bauherr des Gebäudes war Dr. Willi Raeber, Kunsthistoriker und Galerist in Basel, der selbst aus dem Aargau stammte und Artaria aus Basler Künstlerkreisen kannte. Die Pläne datieren von Mai 1935; der Neubau wurde dank der leichten Holzständerbauweise im Sommer 1935 innert weniger Wochen realisiert, wie dies Artaria an der Basler Ausstellung mit einem Musterhaus zum Motto „In einem Tag montiert“ propagiert hatte. Die Fenster übernahm man dabei von der unmittelbar zuvor im Mai und Juni 1935 veranstalteten Ausstellung. Nach der Geburt ihrer Kinder liessen die Eigentümer das Haus 1942/43 wiederum nach Plänen von Artaria um zwei seitliche Zimmeranbauten sowie eine grössere Veranda erweitern [1]. Grössere Veränderungen wurden seither nicht vorgenommen.
Beschreibung:Das Ferienhaus steht in landschaftlich reizvoller Lage nur wenige Meter vom See in einer Waldlichtung, die an einer kleinen Einbuchtung der Uferlinie kurz vor der Kantonsgrenze zu Luzern liegt. In der betonten Einfachheit und der Beschränkung auf das notwendige Minimum an Komfort wie auch Konstruktion handelt es sich um einen ebenso zeittypischen wie aussagekräftigen Beitrag zu dem im frühen 20. Jh. neuen Thema des Ferienhauses. Mit den geometrisch reduzierten Formen als Vertreter des Neuen Bauens gekennzeichnet, verwendet das Gebäude mit Holz einen traditionellen Baustoff, der gerade in den 1930er Jahren auch das Interesse der modernen Architekten weckte.
Auf einem niedrigen, in Eisenbeton ausgeführten Sockel erhebt sich der Gerüstbau, der mit einer holzsichtig belassenen, vertikalen Deckleistenverbretterung versehen ist und von einem nach Südosten zum See hin ansteigenden Pultdach abgeschlossen wird. Ursprünglich handelte es sich um ein „Einraumhaus“ (Artaria) über rechteckigem Grundriss, das ohne die nachträglichen Anbauten geometrisch sehr viel reduzierter in Erscheinung trat: Nach Osten zum See hin öffnete sich eine in den Baukörper einspringende Veranda, die leicht über die Flucht der Seitenfassade vorkragte und dieser entlang von einer Zugangstreppe in gleicher Breite erschlossen wurde. Als Aussichtpunkt bildet sie einen charakteristischen Hauptbestandteil der Bauaufgabe des Ferienhauses. Durch die beiden seitlichen Zimmeranbauten und die Erweiterung der Veranda in den Jahren 1942/43 erhielt der Baukörper eine komplexere Grundrissform und ein entsprechend stärker artikuliertes Erscheinungsbild.
Über der Veranda zeichnet sich als einziger zweigeschossiger Bereich der auf einer erhöhten Galerie gelegene Schlafplatz ab. Charakteristisch modernes Gestaltungselement des ursprünglichen Baukörpers sind die über Eck angeordneten, im Kontrast zum Holz weiss gestrichenen Fenster. Zwei grössere Schiebefenster, von denen sich ursprünglich nur eines auf die Veranda, das andere aber zur Seitenfassade öffnete, belichten den Wohnraum. Darüber dienen zwei quadratische Fensterchen, die in ungewöhnlicher Weise einflüglig konstruiert und mit einer fast karikaturhaft reduzierten Kreuzsprosse akzentuiert sind, dem Schlafplatz. Die Eingangstür liebt neben dem Schiebefenster in der Veranda. Alle Fenster tragen ebenfalls einflüglig konstruierte hölzerne Brettläden, mit denen sich das Haus bei Abwesenheit verschliessen lässt. Ähnlich, aber etwas weniger konsequent gestaltet sind die Fenster der beiden Anbauten, von denen jene am südlichen Anbau wiederum über Eck angeordnet sind.
Die erweiterte Veranda springt zum See und seitwärts nach Norden über den Baukörper vor und wird seeseitig über eine einspringend angelegte Treppe erschlossen. Ihr abgewalmtes Vordach ist ebenso wie das Hauptdach mit Welleternit gedeckt. Direkt von der Veranda zugänglich sind zwei Kabinen mit dem Abort und einer nachträglich eingebauten Schrankküche. Einziger massiver Bauteil ist der Kamin, der als konisch sich verjüngender Sichtbetonkörper mittig in der Rückfassade liegt.
Das Innere ist in einer für die Bauaufgabe charakteristischen Weise nach dem Gebot grösstmöglicher Platzersparnis gestaltet. Riemenböden, Federtäfer und Dachuntersicht wie auch die Innenseiten der Fenster sind durchgehend aus unbehandeltem Tannenholz gearbeitet, was dem Raum einen gehäuseartigen Charakter verleiht. Die erhöhte, seeseitig gelegene Schlafgalerie beschrieb Artaria in seinem Buch „Bauen und Wohnen“ als „eine Anordnung, wie sie von Malerateliers her bekannt ist.“ [2] Dieselbe Grunddisposition hatte er an der Basler Ferienhaus-Ausstellung in seinem „Gussbetonhaus“ vorgeführt [3]. Eine leiterartig steile Treppe erschliesst die Galerie. Dieser gegenüber liegt an der landseitigen Rückwand der Kamin (vor einigen Jahren erneuert) als einzige Wärmequelle und ursprünglich auch einzige Kochgelegenheit. Die seitlichen Zimmeranbauten sind mit eingebauten Etagenbetten und einer ebenfalls eingebauten, als Sitzbank ausgestalteten Truhe eingerichtet. Zur ursprünglichen Einrichtung durch die Bauherrschaft gehört das Biedermeiermobiliar, wie es seit dem frühen 20. Jh. gerade wegen seiner Einfachheit geschätzt wurde und in diesem Sinn die Architektur des Gebäudes durchaus passend ergänzte.
Der Gebäudesockel war von Anfang an als Vorratsgrube eingerichtet und verfügt über einen Brunnen, der aus dem nahen Bach gespeist wird. Das Grundstück, das zur Entstehungszeit nahtlos an das Seeufer grenzte, wird heute durch eine Hecke vom Fussweg abgegrenzt.
Anmerkungen:[1] Baugeschichte nach freundl. Hinweisen der Eigentümer (2016) und Bauplänen. Zu Paul Artaria vgl. Isabelle Rucki / Dorothee Huber, Architektenlexikon der Schweiz, 19./20. Jahrhundert, Basel 1998, S. 24f. sowie Dieter Schnell, Bleiben wir sachlich! Deutschschweizer Architekturdiskurs 1919-1939 im Spiegel der Fachzeitschriften, Basel 2005, S. 265-269, zur Basler Ausstellung von 1935 Melchior Fischli, Ausstellung Land- und Ferienhaus. Basel, 1935, in: Thomas Gnägi / Bernd Nicolai / Jasmine Wohlwend Piai (Hrsg.): Gestaltung, Werk, Gesellschaft. 100 Jahre Schweizerischer Werkbund SWB, Zürich 2013, S. 244-247.
[2] Artaria 1948, S. 168.
[3] Vgl. Artaria 1948, S. 158-161.
Literatur:- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, hg. v. d. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2005, S. 53.
- Neues Bauen im Kanton Aargau, 1920-1940, Hrsg.: SIA Sektion Aargau, Kanton Aargau, Aargauer Heimatschutz, Baden 1996, S. 58.
- Paul Artaria, Vom Bauen und Wohnen, 3. Aufl., Basel: Wepf, 1948 (Erstausgabe 1939), S. 40f., 168.
Quellen:- Archiv Eigentümer: Bau- und Umbaupläne; histor. Aufnahmen.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=131007
 

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