INV-BIW923 Bootshäuser am Hallwilersee, 1922-1943 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-BIW923
Signatur Archivplan:BIW923
Titel:Bootshäuser am Hallwilersee
Ansichtsbild:
1/1
Bildlegende:Idyllische Seeuferlandschaft mit Bootshäusern (2017)
Bezirk:Kulm
Gemeinde:Birrwil
Adresse:am Hallwilersee
Versicherungs-Nr.:222, 53, 202, 223, 192, 226, 236, 426, 41
Parzellen-Nr.:1269, 1270, 1271, 1272 (Seeparzellen); 1541, 1485

Chronologie

Entstehungszeitraum:1922 - 1943
Grundlage Datierung:Schriftliche Quelle

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Baugruppe
Nutzung (Stufe 1):Kleinbauten und -anlagen
Nutzungstyp (Stufe 2):Bootshaus

Schutz / Status

Status Bauinventar:Neuaufnahme Bauinventar 2017

Dokumentation

Würdigung:Zwischen 1922 und 1943 entstandene Boots- und Badehäuser, die in verschiedenen Gruppen im Uferbereich des Hallwilersees, von der der südlichen Gemeindegrenze zu Beinwil am See bis zur nördlichen Grenze nach Boniswil, stehen. Die unterschiedlich aufwendig gestalteten Bauten zeigen ein Spektrum von der einfachen Schiffhütte bis hin zum Wochenendhaus. In ihrer formalen Ausgestaltung lassen sie die Entwicklung vom Heimatstil der 1920er Jahre zu stringenten kubischen Formen in der Art des Neuen Bauens erkennen. Als eine für den Hallwilersee charakteristische Baugattung prägen sie das Erscheinungsbild des Seeufers. Sie bezeugen einerseits das Aufkommen des Ferien- und Wochenendhauses im Verlauf des 20. Jahrhunderts, andererseits ist ihre Entstehungsgeschichte verbunden mit einer früh einsetzenden Kritik von Landschaftsschützern an der störenden Wirkung auf das Seeufer.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Erst 1860 erfolgte der Loskauf des Hallwilersees von den Herren von Hallwil, welche die Nutzung des Sees stark eingeschränkt und etwa das Baden ganz verboten hatten. Vom späten 19. Jh. an entwickelte sich der See zu einem beliebten Ausflugsziel, was sich in der Aufnahme eines Dampfschiffbetriebs im Jahr 1888 und der Anlage erster öffentlicher Badeplätze in den 1890er Jahren niederschlug. Gefördert durch die allgemeine Motorisierung, setzte in den 1920er Jahren wie in anderen Regionen auch rund um den Hallwilersee der Bau von Wochenend- und Ferienhäusern ein, insbesondere aber auch von Boots- und Badehäusern, die bald sehr beliebt waren. Wie in anderen Gemeinden entstanden auch auf dem Gemeindegebiet von Birrwil mehrere solcher Bauten, daneben noch weitere Schiffseinstellhallen am See (vgl. zu den einzelnen Bauten Bauinventarobjekte BIW923A-923I).
Weil die Bootshäuser auf dem im Eigentum des Kantons befindlichen See stehen, war dafür eine Konzession notwendig, so dass die Pläne von Anfang an dem Kanton zur Genehmigung vorgelegt werden mussten [2]. Bewilligungsbedingung war das Eigentum eines zumindest schmalen Landstreifens unmittelbar am Seeufer. Die Konzessionen wurden anfänglich für 30 Jahre ausgesprochen und bis heute immer wieder periodisch verlängert. Die Bauherren waren entweder in Birrwil selbst oder in der näheren Umgebung ansässig und gehörten als Fabrikanten und Gewerbler der Ober- und Mittelschicht an. Die Projektierung und Ausführung der Gebäude wurde mehrheitlich von Zimmerleuten oder Bauhandwerkern aus der Region vorgenommen. Immerhin aber sind mit den beiden Lenzburgern Theodor Bertschinger (BIW923G) und Richard Hächler (BIW923D) auch zwei über die Region hinaus bekannte und erfolgreiche Architekten als Projektverfasser nachgewiesen.
Wie das Ferienhaus ganz allgemein stand auch der Bauboom der Bootshäuser am Hallwilersee von Anfang an in einem Spannungsfeld mit den Bemühungen um den Schutz der Landschaft: Der Wunsch nach dem Genuss der Landschaft war eine wesentliche Triebfeder für den Bau der Bootshäuser; gleichzeitig wurden diese aber als Bedrohung derselben Landschaft empfunden. Seit den 1920er Jahren ist am Hallwilersee insbesondere von Seiten der Heimatschutzbewegung Kritik an der zunehmenden Verbauung der Seeufer festzustellen. 1944 konnte man in der Vereinszeitschrift etwa einen Artikel lesen, der mit Bildern von Bootshäusern illustriert war (vgl. Bilddokumentation) und die zunehmende Verbauung der Seeufer scharf kritisierte:
„Wer an Seen denkt, pflegt sich etwas Weites, Ruhiges, Klares vorzustellen. Das war der Hallwilersee, das Kleinod des Aargaus, inmitten einer fruchtbaren, reifen sommerlichen Landschaft bis vor wenigen Jahrzehnten. Seither kamen die Bade- und Wochenendhäuschen, frassen sich in den Schilf hinein, versperrten die lieblichen Uferwege und drohten Hang und Halde wie wucherndes Unkraut rücksichtslos zu überfallen. Kein Wunder, dass sich immer häufiger Stimmen erhoben, die nach dem Schutze des Sees durch den Staat riefen.“ [2]
1930 wurden vor diesem Hintergrund seitens des Regierungsrats erstmals Bauvorschriften erlassen, wonach die Baupläne nun dem Heimatschutz sowie dem Naturschutz zur Genehmigung vorgelegt werden mussten. 1935 verabschiedete der Kanton eine erste Schutzverordnung, die in der Geschichte des Landschaftsschutzes in der Schweiz eine Vorreiterrolle einnimmt, sich freilich aber nur auf den aargauischen Teil des Sees bezog [3]. Sie unterstellte einige wenige Zonen einem generellen Bauverbot, während für die übrigen Ufergebiete und die Hänge, so auch in Beinwil, strengere Bauvorschriften galten. 1955/56 folgte eine strengere zweite Schutzverordnung mit Zonenplan, die wesentlich von Hans Marti geprägt war, einem Pionier der schweizerischen Raumplanung. Sie bestimmte praktisch das gesamte aargauische Seeufer in einer Breite von 10, 24 oder 50 Metern zur Sperrzone [4]. Erst 1966 wurden mit dem Natur- und Heimatschutzgesetz auf Bundesebene die Grundlagen für den Schutz der Uferlandschaften geschaffen, worauf 1970 ein Bauverbot am gesamten Hallwilersee in Kraft trat.
Beschreibung:Die Bootshäuser sind über das gesamte Seeufer der Gemeinde Birrwil verteilt, mit einer räumlichen Konzentration von zwei Dreiergruppen an der südlichen und an der nördlichen Grenze zu Beinwil am See bzw. Boniswil. Über Holzstege vom Ufer zugänglich, handelt es sich teils um einfache, schopfartigen Bootshütten, teils um zweistöckige Gebäude, die über dem Bootsplatz einen Aufenthaltsraum und eine Sonnen- und Aussichtsterrasse enthalten. Kern ist immer der mit einer Ausfahrt zum See versehene Bootseinstellplatz, der in der Regel mit einer Seilwinde zum Auswassern der Boote ausgestattet ist. Konstruktiv sind die Kleinbauten durchwegs im Holzgerüstbau mit meist vertikaler Verbretterung, bisweilen auch mit horizontaler Chaletschalung ausgeführt. Sie sind durch Betonpfähle im flachen Seegrund verankert und werden entweder von einem Giebel- oder einem Pultdach abgeschlossen.
Architektonisch sind die Bootshäuser unterschiedlich ausgestaltet. Die älteren Gebäude (Bauinventarobjekte BIW923C, BIW923B) lassen mit Krüppelwalm, Giebelründe und der Detailgestaltung am Holz noch den Einfluss des Heimatstils erkennen (vgl. auch die Objekte BES923E,F,N der Nachbargemeinde Beinwil am See). Demgegenüber orientieren sich die etwas jüngeren Bootshäuser aus den 1930er und 40er Jahren mit ihren formal reduzierten, kubischen Baukörpern, den Giebel- oder schwach geneigten Pultdächern bereits an den Formen des Neuen Bauens (Bauinventarobjekte BIW923A,D,G,I). Eine Besonderheit stellt der 1932 ans Seeufer gestellte Ferienhaus-Prototyp des Dürrenäscher Korkfabrikanten Karl Alpsteg dar (Bauinventarobjekte BIW923F). Im Grunde nicht in die Kategorie des Boots- und Badehauses fällt die als einfacher Zweckbau errichtete Fischzuchtanstalt von 1915 (Bauinventarobjekte BIW923E).
Anmerkungen:[1] Baugeschichte und Entwicklung der Bauvorschriften nach den Konzessionsakten bei der kantonalen Abteilung Landschaft und Gewässer sowie Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0225-0227: Brandkataster Gemeinde Birrwil, 1850-1938.
[2] Buser 1944, S. 22.
[3] Buser 1944, S. 25f.
[4] Bn., Landesplanung am Hallwilersee, in: Schweizerische Zeitschrift für Vermessung, Kulturtechnik und Photogrammetrie, 57. Jg. (1959), S. 267-269.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
Literatur:- G. Buser, Der Schutz des Hallwilersees. Bemühungen und Erfahrungen, in: Heimatschutz, 39. Jg. (1944), H. 1, S. 22-30.
Quellen:- Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau, Abteilung Landschaft und Gewässer, Archiv: Konzessionsakten Birrwil.
- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0225-0227: Brandkataster Gemeinde Birrwil, 1850-1938.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

URL for this unit of description

URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=131703
 

Social Media

Share
 
Home|Login|de en fr it
Online queries in archival fonds