INV-RIN901 "Märkihaus" Gmeindhusplatz 1 (= RIN839.001), 1604-1605 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-RIN901
Signatur Archivplan:RIN901
Titel:"Märkihaus" Gmeindhusplatz 1 (= RIN839.001)
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Südosten (2015)
Bezirk:Brugg
Gemeinde:Riniken
Adresse:Gmeindhusplatz 1
Versicherungs-Nr.:42
Parzellen-Nr.:77
Koordinate E:2656510
Koordinate N:1260724
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2656510&y=1260724

Chronologie

Entstehungszeitraum:1604 - 1605
Grundlage Datierung:Dendrochronologische Analyse

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerlicher Vielzweckbau
Epoche / Baustil (Stufe 3):Spätgotik

Dokumentation

Inschriften:„..GOTES HAND ZU RINCEN IST../..HAT BEUWEN MICH ANO DO[mini]..“ (Fenstersturz aus dem abgebr. östlichen Hausteil, seit 1984 an der östlichen Stirnseite)
Würdigung:Spätgotisch geprägter bäuerlicher Vielzweckbau von überaus stattlichen Dimensionen, der aufgrund einer dendrochronologischen Altersbestimmung in die Jahre 1603/04 datiert werden konnte. Das nach seinen späteren Bewohnern allgemein als „Märkihaus“ bekannte Gebäude wurde wohl von Anfang an als Steinbau mit Hochstuddach errichtet, einer seltenen, insbesondere am Jurasüdfuss anzutreffenden Sonderform, bei der die gemauerten Aussenwände und das innenliegende Ständergerüst statisch weitgehend unabhängig sind. Trotz des bedauerlichen Verlusts einer konstruktiv zum Ursprungsbau gehörigen Haushälfte anlässlich einer Strassenverbreiterung im Jahr 1984 besitzt das Gebäude aufgrund seines Alters und seiner speziellen bautypologischen und konstruktiven Merkmale einen ausgesprochen hohen baugeschichtlichen Zeugenwert. Es bewahrt die gesamte rauchgeschwärzte Hochstudkonstruktion, die wegen der beträchtlichen Gebäudebreite schon ursprünglich mit einem stehenden Stuhl kombiniert war, an den Trauffassaden ferner die originale spätgotische Reihenbefensterung. Mit seinem markanten Volumen und dem hochragenden Dach kommt dem Gebäude auch ein hoher Situationswert für das Ortsbild im Dorfkern von Riniken zu.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das wohl von Anfang an als Steinbau mit Hochstuddach errichtete Gebäude lässt sich gemäss dendrochronologischer Altersbestimmung des Ständergerüsts auf 1603/04 datieren [1]. Es handelt sich um ein Grossbauernhaus, das erst nachträglich in mehrere Wohneinheiten unterteilt wurde. 1819 erbaute man gemäss Inschrift am Türsturz den südwestlich angefügten dritten, kleineren Wohnteil. Im ersten verfügbaren Brandkatastereintrag von 1829 ist von einem „aus 3 Wohnungen bestehenden Wohnhaus samt doppelter Scheuer und doppelter Stallung, von Stein und Holz, mit Strohdach, nebst 1 Tremkeller“ die Rede. Von diesem befand sich ein „Antheil mit 2 Behausungen, auch Scheuer und Stall, nebst obigem Keller“ im Eigentum des Johannes Streuli, ein weiterer „Antheil […] samt Scheuer und Stallung“ in jenem des Abraham Geissberger [2]. Von 1839 an und im ganzen weiteren Verlauf des 19. Jh. war das Haus jeweils in drei Wohnteile samt Anteilen am Ökonomieteil sowie einen separat aufgeführten Kelleranteil geteilt, wobei unter den Eigentümern Mitglieder der Familien Streuli, Obrist, Schaffner und später Ackermann zu finden sind. 1854 und 1883 wurde der Versicherungswert des Gebäudes aufgrund des schlechten baulichen Zustands herabgesetzt.
Erst 1907 ging ein Hausteil an Fritz Märki, Korbmacher, über, nach dessen Familienname das Gebäude heute als „Märkihaus“ bekannt ist. Unmittelbar danach erfolgte 1908, zu vergleichsweise spätem Zeitpunkt, die Umdeckung von Stroh- auf Ziegelbelag.
In den 1970er Jahren war der Abbruch des Hauses zur Verbreiterung der Rüfenacherstrasse und zur Anlage eines Parkplatzes geplant, wofür der Kanton den zur Rüfenacherstrasse gerichteten Wohnteil („Ackermannhaus“), die Gemeinde hingegen den grösseren, anschliessenden Hausteil samt Ökonomie („Märkihaus“) erwarb. Nach Protesten beschloss die Gemeindeversammlung 1978, auf den vollständigen Abbruch zu verzichten, was in den darauffolgenden Jahren mit vier weiteren Beschlüssen bestätigt und konkretisiert wurde [3]. 1984 wurde der vom Staat erworbene Wohnteil zur Strassenverbreiterung abgebrochen; der im Eigentum der Gemeinde befindliche, grössere Hausteil, der mit dem abgebrochenen eine konstruktive Einheit bildete, wurde hingegen einer Gesamtrenovation unterzogen und zur Rüfenacherstrasse hin mit einer neuen Giebelfassade abgeschlossen [4]. Die ehemalige Ökonomie beherbergt seither das Bauamtsmagazin und eine Mietwohnung.
Beschreibung:Das „Märkihaus“ erhebt sich in der Verzweigung zwischen der Unterdorfstrasse und der Rüfenacherstrasse, wo es mit seinem hochaufragenden, mächtigen Steildach eine dominierende Stellung einnimmt und damit den eigentlichen Ortskern von Riniken markiert. Es handelt sich um einen spätgotisch geprägten bäuerlichen Vielzweckbau, der überaus stattliche Dimensionen besitzt und in einer seltenen, insbesondere am Jürasudfuss anzutreffenden Sonderform wohl von Anfang an als Steinbau mit Hochstuddach errichtet wurde. Abweichend von der üblichen Kombination des Steinbaus mit einem stuhlgestütztem Sparrendach ruht das Dach hier auf einem Gerüst mit bis zum Boden durchlaufenden Hochstüden (Firstständern), das inwendig an die Umfassungsmauern gestellt ist. Hinweise, dass die Ummauerung nachträglich als Ersatz für eine ursprüngliche Ständerkonstruktion erfolgt wäre, lassen sich nicht finden, so dass diese Disposition als ursprünglich betrachtet werden kann [5].
In den ursprünglichen Verhältnissen spannte sich das steile Giebeldach über ehemals vier mächtigen Hochstüden bis an die massiv aufgeführten Giebelmauern, vor denen ebenfalls noch je ein dünnerer Firstständer aufragte. Beim Umbau von 1984 wurde der ehemalige östliche Wohnteil abgebrochen und das Haus mit einer neu aufgemauerten Giebelfassade abgeschlossen, wobei man die Ständerkonstruktion um ein Joch kürzte und ein ehemals freistehender Hochstud an die Innenseite der neuen Giebelwand zu liegen kam. Mit ca. 0.35 x 0.45 Metern im unteren Durchmesser haben die zwei Eichenhochstüde beidseits des Tenns gewaltige Abmessungen; die im Erdgeschoss auf der Feuermauer zwischen Küche und Stube abgefangenen Firstständer des Wohnteils sind etwas weniger kräftig dimensioniert. An die Aussenmauern angelehnte Wandständer tragen Decken- und Kehlbalkenlage. Eher ungewöhnlich und den grossen Dimensionen des Hauses geschuldet ist der Umstand, dass die Hochstudkonstruktion hier durch Mittelpfetten auf einem stehenden Stuhl ergänzt wird. Lange, von Wandständer und Spannbaum bis zu den Hochstüden durchlaufende Sperrrafen dienen zur Verstrebung des Dachgerüsts [6]. Die gesamte tragende Dachkonstruktion zeigt starke Russschwärzung und kann daher als ursprünglich angenommen werden. Die Rafenlage ist erneuert.
Die durchlaufende Hochstudkonstruktion wie auch die ebenfalls durchlaufenden Balkenlagen zeigen, dass die ehemals bestehenden zwei Wohnteile ursprünglich zusammengehörten und erst nachträglich unterteilt wurden. Beide Giebelwände wie auch die Trauffassaden beider ehemaliger Wohnteile waren aus Bruchsteinen aufgemauert; lediglich die Traufseiten des Ökonomieteils bestehen als hölzerne Ständerkonstruktion, die heute mit einer jüngeren Verbretterung versehen ist. Der noch bestehende Wohnteil zeigt eine spätgotische Befensterung mit gekehlten Muschelkalkgewänden, wie sie ähnlich auch am abgebrochenen Hausteil bestand. Die Stubenfront besitzt im Erdgeschoss ein dreiteiliges Reihenfenster mit Kehlgewände, im Obergeschoss ein Einzelfenster; die rückwärtige Traufseite ist im Erdgeschoss mit einem Doppel- sowie einem Einzelfenster besetzt. Hier liegt auch der Hauseingang, der ein jüngeres Gewände besitzt. Am Obergeschoss der Rückfront sind die Lichter holzgerahmt. Die Stirnseite des Ökonomieteils zeigt nur wenige, schartenartige Lüftungsöffnungen.
Die Befensterung des abgebrochenen östlichen Hausteils war im Lauf des 19.Jh. trauf- wie auch stirnseitig verändert worden, was wohl dazu beitrug, dass man diesen Wohnteil für einen Anbau hielt. Bei dessen Abbruch fanden sich zahlreiche Spolien von Fenstergewänden, darunter ein Teil eines Sturzes von einem Reihenfenster mit einer Bauinschrift in lateinischen Lettern und deutscher Sprache: „..GOTES HAND ZU RINCEN IST../..HAT BEUWEN MICH ANO DO[mini]..“. Dieser ehemalige Fenstersturz war offenbar bei einem früheren Umbau als seitliches Gewände wiederverwendet und zu diesem Zweck gekürzt worden, wobei die Partie mit der Bezeichnung des Bauherrn und dem Baudatum verlorenging. In einem Fenster der neu aufgebauten Stirnfront zur Rüfenacherstrasse hin fand der Fenstersturz wieder Verwendung.
Der Ökonomieteil ist südseitig breiter als an der rückwärtigen Nordfassade, wo der Wohnteil um ein Joch weiter vorragt. Vom ursprünglichen Zustand zeugt insbesondere das rückwärtige Tenntor, das zwischen zwei Wandständern durch Langbänder verstrebt ist [7]. Die Heubühnenwand zeigt eine Verbretterung mit regelmässig ausgesägten kleinen Lüftungsöffnungen, die wohl aus der Zeit um 1900 stammt. Gegen Süden liegt neben dem Wohnteil der Stall, der im Lauf des 20. Jh. umgestaltet wurde. Der an der Südwestecke unter angeschleppter Dachfläche angefügte kleine Wohnteil, der gemäss Inschrift auf dem Türsturz von 1819 stammt und wohl als „Stöckli“ (Altenwohnteil) diente, ist wiederum gemauert. Auf der Nordostseite befindet sich unter der Hinterzimmer und einem Teil der Küche ein Keller mit Balkendecke, der über einen Aussenabgang und ein gefastes Rundbogenportal betreten wird.
Die Raumstruktur des Inneren ist Resultat der Aufteilung und sukzessiven Umgestaltung des Hauses. Vor dem Umbau von 1984 zeigten beide Wohnteile in üblicher Anordnung im Vorderhaus die Stube, im rückwärtigen Bereich die Küche; der innenliegende, noch bestehende Wohnteil besitzt zudem ein weiteres Zimmer an der Rückfassade. Es ist gut vorstellbar, dass es sich ursprünglich um einen vierteiligen Grundriss mit Stube und Nebenstube im Vorderhaus sowie Küche und Kammer im rückwärtigen Bereich handelte. Der abgebrochene östliche Wohnteil besass noch spätgotisch profilierte Deckenbalken. In der Stube stand ein grüner Kachelofen mit Sitzkunst aus dem früheren 19. Jh. [8].
Anmerkungen:[1] Dendrochronologischer Bericht, bearb. v. dendron, Raymond Kontic, Basel, 2000, im Archiv der Kantonalen Denkmalpflege.
[2] Staatsarchiv Aargau: ZwA 1942.0001, Bezirksamt Brugg, Brandkataster Gemeinde Riniken, 1829-1849; CA.0001/0175-0177, Brandkataster Gemeinde Riniken, 1850-1937.
[3] Badener Tagblatt, 16.8.1978; Obrist / Vögtli 2003, S. 224-227.
[4] Vgl. Fotodokumentation des Umbaus, Gemeindeverwaltung Riniken (gemäss Kurzinventar 1995).
[5] Räber 2002, S. 331; zum Bautypus vgl. S. 331-345.
[6] Vgl. Räber 2002, S. 93.
[7] Vgl. Räber 1996, S. 130/132.
[8] Vgl. Fotoarchiv Denkmalpflege.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung.
Literatur:- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, hg. v. d. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2005, S. 72.
- Karl Obrist / Martin Vögtli, Geschichte der Gemeinde Riniken, 3. Auflage, Brugg 2003, S. 224-227.
- Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 2, Baden 2002, S. 93 (Abb. 113), 107 (Abb. 140), 130, 132 (Abb. 220), 331 (Abb. 635), 461 (Anm. 127).
- Badener Tagblatt, 16.8.1978.
Quellen:- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Denkmalschutzakten, RIN801 (sic): Dendrochronologischer Bericht, bearb. v. dendron, Raymond Kontic, Basel, 2000.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv.
- Staatsarchiv Aargau: ZwA 1942.0001, Bezirksamt Brugg, Brandkataster Gemeinde Riniken, 1809-1849; CA.0001/0175-0177, Brandkataster Gemeinde Riniken, 1850-1937.
- Gemeinde Riniken: Fotodokumentation des Umbaus von 1984.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

URL for this unit of description

URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=131899
 

Social Media

Share
 
Home|Login|de en fr it
Online queries in archival fonds