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INV-ROT904 Schulhaus "Dörfli" mit Turnhalle, 1913-1914 (Dossier (Bauinventar))
Identifikation |
Signatur: | INV-ROT904 |
Signatur Archivplan: | ROT904 |
Titel: | Schulhaus "Dörfli" mit Turnhalle |
Ansichtsbild: |
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Bildlegende: | Gesamtansicht von Nordosten (2017) |
Bezirk: | Zofingen |
Gemeinde: | Rothrist |
Ortsteil / Weiler / Flurname: | Dörfli |
Adresse: | Geisshubelweg 4, 8 |
Versicherungs-Nr.: | 544, 545 |
Parzellen-Nr.: | 1259 |
Koordinate E: | 2633900 |
Koordinate N: | 1239412 |
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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 1913 - 1914 |
Grundlage Datierung: | Brandkataster; Literatur |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Baugruppe |
Nutzung (Stufe 1): | Öffentliche Bauten und Anlagen |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Schulhaus |
Epoche / Baustil (Stufe 3): | Heimatstil |
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Schutz / Status |
Kategorie Inventar Kulturgüterschutz: | B (regionale Bedeutung) |
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Dokumentation |
Autorschaft: | Otto Senn (1879-1963), Architekt, Zofingen |
Inschriften: | "1913" (Wetterfahne) |
Würdigung: | 1913/14 nach Plänen des Zofinger Architekten Otto Senn errichtetes Schulhaus, das mit der zugehörigen, freistehenden Turnhalle eine in sich geschlossene Baugruppe in Heimatstilformen bildet. Der wuchtige Schulhausbau ist in einen Haupt- und einen Nebentrakt gegliedert, die unter einem hohen, geknickte Gehrschilddach mit analog gestaltetem Quergiebel liegen und deren Gelenkstelle an der Hauptschauseite gegen Norden von einem Treppenturm mit geschweifter Haube akzentuiert wird. Bauplastik und Ausstattung sind in zeittypischen neobarocken Heimatstilformen mit folkloristischem Einschlag gehalten; das Innere ist abgesehen vom Treppenhaus modernisiert. Zusammen mit der winkelförmig zum Schulhaus ausgerichteten, formal ähnlich gestalteten Turnhalle und dem zweiseitig von einer schönen Baumreihe eingefassten Pausenplatz ergibt sich eine im wesentlichen intakt erhaltene, für den Schulhausbau des Heimatstils beispielhafte Anlage, der im Ortsteil „Dörfli“ auch ein hoher Situationswert zukommt. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Um 1900 war in den bestehenden Schulhäusern im „Rössli“, bei der Kirche und in Oberwil (vgl. Bauinventarobjekt ROT920) kein Platz mehr vorhanden, so dass man nach einigem Zögern angesichts der hohen Kosten schliesslich den Neubau eines Schulhauses beschloss [1]. Als Standort wurde aufgrund der günstigen Lage in der Mitte des weitgestreuten Dorfes der Ortsteil Niederwil bestimmt, welcher der Gemeinde bis 1890 den Namen gegeben hatte. 1912 übertrug die Einwohnergemeinde die Ausführung des Neubaus nach einem Konkurrenzfahren an den mit dem ersten Preis ausgezeichneten Architekten Otto Senn (1879-1963) in Zofingen, einen regional bedeutenden Vertreter des Heimatstils, der gerade auch im Schulhausbau durch einige bemerkenswerte Bauten hervorgetreten ist. Der zweite Preis war an Bracher und Widmer in Bern gegangen, der dritte an von Arx und Real in Olten [2]. Als Gesamtbausumme wurden im Kostenvoranschlag inklusive Architektenhonorar 195’000 Fr. budgetiert. Insgesamt kamen beide Gebäude schliesslich auf 250’000 Fr. zu stehen. Das Bauprogramm umfasste acht Schulräume, dazu im Kellergeschoss eine Schulküche, eine Badeeinrichtung sowie einen Handfertigkeitsraum. Zusammen mit der Ausführung der Gebäude pflanzte man auch die Baumreihen um den Pausenplatz (vgl. Bilddokumentation). Im November 1914 konnte der Neubau bezogen werden, nachdem sich die Fertigstellung aufgrund des Kriegsausbruchs etwas verzögert hatte. 1917 richtete man in Rothrist eine Bezirksschule ein, die ebenfalls in dem Gebäude Platz fand. Aus Platzmangel wurde 1952 ein Anbau an die Turnhalle notwendig, mit dessen Realisierung wohl auch die Verbindungsmauer zwischen Schulhaus und Turnhalle verschwand. Seit die Bezirksschule 1973 ein eigenes Gebäude erhalten hat, sind im Schulhaus „Dörfli“ die Real- und die Sekundarschule untergebracht. 1974 erfolgte eine Gesamtrenovation; wohl in diesem Zusammenhang hat das Gebäude auch einige Purifizierungen am Äusseren erfahren. |
Beschreibung: | Das Schulhaus bildet zusammen mit der Turnhalle an leicht von der Bernstrasse zurückversetzter Lage im „Dörfli“ eine zusammengehörige Baugruppe, die ganz dem Heimatstil verpflichtet ist. Die beiden winkelförmig leicht schräg zueinander geordneten Gebäude waren ursprünglich durch eine Mauer verbunden. Sie definieren auf der Vorderseite einen grossen, heute leider nur noch als Parkplatz genutzten Pausenhof, der entlang den beiden anderen Seiten von zwei schönen, zum ursprünglichen Projekt gehörenden Baumreihen eingefasst wird. Das wuchtig in Erscheinung tretende Schulhaus ist im Sinn einer malerisch-unregelmässigen Gliederung in zwei Baukörper mit hohen, geknickten Gehrschilddächern gegliedert, wobei das Dach des nur geringfügig kleineren Nebentrakts im Querfirst an den Haupttrakt stösst. Das oberste Geschoss des eigentlich dreigeschossigen Mauerbaus ist in zeittypischer Weise ganz in das Volumen des Daches einbezogen und über mächtige, seitlich abgewalmte Schleppgauben belichtet. Der massige Baukörper ist mit zeittypischem Besenwurf verputzt, der in sorgfältiger Manier leicht unregelmässig strukturiert ist. Der Sockel wird von grob bossierten Kalksteinquadern akzentuiert, die auch für die geböschten Strebepfeiler an den Gebäudekanten verwendet sind. An der nach Norden gerichteten Hauptfront betont ein Treppenturm mit geschweifter, kupfergedeckter Haube die Schnittstelle der beiden Baukörper. Im einspringenden Winkel neben dem Treppenturm liegt das von einem Erker überhöhte Hauptportal mit vorgelagerter Freitreppe aus Granit. Der kräftig profilierte Rundbogen ist an den Bogenanfängern mit zwei Reliefs verziert, die als Sinnbild der Schulbildung pausbäckige Kinder mit Schreibgerät zeigen. Verschiedene Tiere und dekorative Kartuschen schmücken das rundbogige Gewände des Nebeneingangs in der Flanke des Treppenturms. Aus der Bauzeit datieren auch die reich beschnitzten neobarocken Türflügel der beiden Portale mit vergitterten Fenstereinsätzen am Hauptportal. Regelmässig gesetzte und grosszügige dimensionierte Rechteckfenster mit Kunststeingewänden belichten die hauptsächlich gegen Süden und Osten orientierten Schulräume. Sie waren ursprünglich in der Art von Kreuzstockfenstern in vier feingesprosste Flügel eingeteilt. Die von Nebenräumen eingenommene Nordfassade des Quertrakts ist mit kleinformatigeren Zwillingsöffnungen besetzt. Im Giebel der Hauptfassade prangt als Blickfang ein von Konsolen getragener Uhrenkasten mit Holzschindelverschalung; das zugehörige, noch immer funktionstüchtige Uhrwerk aus der Erbauungszeit des Schulhauses ist in einem Glaskasten im Erdgeschoss zu bewundern. Das Dachgeschoss war hier ursprünglich mit drei Einzelfenstern versehen, die mit Fensterläden und ornamentierten Bogenfeldern das Giebelfeld akzentuierten und wohl beim Umbau von 1975 verändert wurden. Ebenso ist eine Wappenkartusche am Treppenturm verschwunden. Das Dach ist mit Biberschwanzziegeln eingedeckt und wird auf dem Kreuzfirst von einer Wetterfahne mit der Jahrzahl 1913 überhöht. Von der ursprünglichen Ausstattung haben im Schulhaus die Treppenläufe mit Granitstufen und Schmiedeeisengeländern überdauert; dazu bewahrt der polygonale Treppenturm seine originale gefelderte Holzdecke. Der breitgelagerte Baukörper der Turnhalle besitzt wie das Schulhaus ein steiles geknicktes Gehrschilddach und Jurakalk-Strebepfeiler als Gliederungselemente. Dem noch vorhandenen, markanten Firstknauf auf der Nordseite entsprach ursprünglich ein Pendant auf dem südseitigen Walm, der wohl im Zusammenhang mit dem Anbau von 1952 beseitigt wurde. Regelmässig angeordnete, breite Rundbogenfenster, die längsseitig jeweils paarweise zwischen zwei Strebepfeilern liegen, belichten das Gebäude. Die heute vollständig geschlossene nördliche Stirnseite war ursprünglich mit einem mittigen, vielleicht für öffentliche Veranstaltungen bestimmten Portal samt Vordach und zwei flankierenden Rundbogenfenstern als Hauptfassade gestaltet (vgl. Bilddokumentation). Erhalten ist der ähnlich gestaltete Seiteneingang zum Schulhaus hin, der wohl von Anfang an für den alltäglichen Gebrauch bestimmt war. Er wird von einem aufwendigen Kunststeingewände mit Pilastervorlagen gerahmt und von einer lünettenförmigen Supraporte überhöht, die bunte Dekorationsmalereien mit einem umgebenden Früchtekranz zeigen (an der Unterkante beschädigt). Das Vordach ruht auf geschweiften, reich beschnitzten Bügen. An die südliche Stirnseite schliesst unter leicht versetztem First der parallel zum Schulhaus gerichtete, zur Turnhalle damit leicht angewinkelte Erweiterungsbau von 1952 an, ein langgestreckter zweigeschossiger Baukörper mit eng gesetzten Einzelfenstern in zeittypischen traditionalistischen Architekturformen. Sicherlich gleichzeitig mit dem Erweiterungsbau ist auch ein westseitiger Schleppdachanbau an die Turnhalle entstanden. Die Turnhalle wird im Inneren von einer hölzernen Flachtonne überspannt, deren Rippen auf Volutenkonsolen aufsetzen. Eine ursprünglich zwischen Schulhaus und Turnhalle gespannte, spätestens 1952 verschwundene Verbindungsmauer diente als räumliche Fassung des Pausenplatzes. Sie war dreiteilig mit einer überhöhten mittleren Blendnische und zwei seitlichen Bogendurchgängen gestaltet, alle gerahmt von halbrund angeordneten Spalieren. Im zentralen Bogenfeld stand ein grosser Zierbrunnen aus Muschelkalk in neobarocken Heimatstilformen, der heute auf dem hinteren Pausenplatz aufgestellt ist. Er besteht aus einem kelchförmig geschweiften, nach vorne gebauchten Quertrog, aus dessen Rückwand ein gerillter säulenartiger Stock aufsteigt, begleitet von geschweiften Voluten. Als Brunnenfigur diente, passend zu den ebenfalls folkloristischen Motiven am Hauptportal, ein Putto mit landwirtschaftlichen Werkzeugen (heute nicht mehr vorhanden). |
Anmerkungen: | [1] Geschichtliches nach Witzemann 1933, S. 8f. sowie Hofer 1991, Abb. 19; Baujahr nach Staatsarchiv Aargau: CA.0001/0647-0649, Brandkataster Gemeinde Rothrist, 1875-1938. [2] Schweizerische Baukunst, Bd. 4. (1912), S. 292. Otto Senn hat verschiedene öffentliche Bauten in Zofingen und Umgebung projektiert, unter anderem das reformierte Pfarrhaus in Oftringen (1923-24), das Schulhaus in Zezwil (1923-25), das Stadthaus am Kichplatz in Zofingen (1929), die Aargauische Ersparniskasse in Zofingen (1932), das Postgebäude in Zofingen (1932-33), das reformierte Kirchgemeindehaus in Schöftland (1937) und das Schulhaus mit Turnhalle in Villmergen (1939-40). Zu seinen Schulhausbauten (Reiden LU sowie Bauen UR) vgl. R. Wernly, Das moderne Schulhaus, in: Heimatschutz, Bd. 2 (1907), H. 7, S. 49-55, hier S. 49f. sowie Jules Coulin, Neue Schulhäuser, in: Heimatschutz, Bd. 10 (1915), H. 3, S. 33-48, hier S. 33f., 36. |
Erwähnung in anderen Inventaren: | - Schweizerisches Inventar der Kulturgüter von nationaler Bedeutung, B-Objekt (regionale Bedeutung). |
Literatur: | - Markus Widmer-Dean, Rothrist im Lauf der Zeit, Rothrist 2012, S. 273f. - Pierre Furginé / Werner Peyer, Edouard Furginé, Photograph. Photographien von Zofingen und Umgebung zwischen 1900 und 1930, Oftringen 2005, S. 132. - Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, hg. v. d. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2005, S. 37. - R[olf] Hofer, Rothrist in alten Ansichten, Zaltbommel (NL), 2. Auflage, 1981, Abb. 19. - Georg Boner / Robert Oehler, Rothrist, mein Dorf, Aarau [1959], S. 152f. - Gotthilf Witzemann, Aus der Schulgeschichte der Gemeinde Rothrist von 1803 bis 1933, Separatdruck aus der Sonntagsbeilage des Zofinger Tagblattes, [Zofingen 1933?]. - Schweizerische Baukunst, Bd. 4. (1912), S. 292. |
Quellen: | - Staatsarchiv Aargau: CA.0001/0647-0649, Brandkataster Gemeinde Rothrist, 1875-1938. - Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv. |
Reproduktionsbestimmungen: | © Kantonale Denkmalpflege Aargau |
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