INV-ROT926E Auswandererbrunnen, 1959 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-ROT926E
Signatur Archivplan:ROT926E
Titel:Auswandererbrunnen
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Südwesten (2017)
Bezirk:Zofingen
Gemeinde:Rothrist
Ortsteil / Weiler / Flurname:Rothrist
Adresse:Rössliplatz
Parzellen-Nr.:973
Koordinate E:2634861
Koordinate N:1239519

Chronologie

Entstehungszeitraum:1959
Grundlage Datierung:Inschrift (Fussplatte Brunnenfigur, Stock)

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Kleinbauten und -anlagen
Nutzungstyp (Stufe 2):Brunnen

Schutz / Status

Status Bauinventar:Neuaufnahme Bauinventar 2018

Dokumentation

Autorschaft:Eduard Spörri (1901-1995), Bildhauer, Wettingen (Brunnenfigur)
Inschriften:siehe Beschreibung
Würdigung:Brunnenanlage mit Bronzefigur des bekannten Wettinger Bildhauers Eduard Spörri, die 1959 zum Gedenken an die grosse Rothrister Auswanderung von 1855 geschaffen wurde. Die von der Gemeinde aufgrund einer wirtschaftlichen Notlage in die Wege geleitete Unternehmung, bei der rund 300 Personen aus Rothrist teils freiwillig, teils unter gewissem Zwang ihre Heimat Richtung Nordamerika verliessen, ist als grösste organisierte Auswanderung im Kanton Aargau bekannt und im Kontext dieses im 19. Jahrhundert verbreiteten Phänomens zu sehen.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Die Brunnenanlage erinnert an die grosse Rothrister Auswanderung von 1855, die als umfangreichste organisierte Auswanderung im Kanton Aargau im 19. Jh. bekannt ist. Aufgrund eines starken Bevölkerungswachstums, fehlender Arbeit und Verarmung breiter Teile der Bevölkerung war die Schweiz im 19. Jh. allgemein ein ausgesprochenes Auswanderungsland, was sich erst am Ende des Jahrhunderts ändern sollte [1]. Von der Armut betroffen waren dabei insbesondere die ländlichen Unterschichten, die zuvor mit der Heimarbeit ein Auskommen gefunden hatten. In den wirtschaftlich schwierigen Jahren vor 1855 war die für die Armenunterstützung zuständige Ortsbürgergemeinde von Rothrist (damals Niederwil) aufgrund der stetig zunehmenden Zahl von Unterstützungsbedürftigen in eine finanzielle Notlage geraten. In dieser Situation kam man, wie andere Gemeinden auch, auf den Gedanken, eine Auswanderung zu organisieren, zumal die einmaligen Auswanderungskosten für die Gemeinde günstiger zu stehen kamen als die jahrelange Unterstützung der Armen.
Nach dem Beschluss der Gemeindeversammlung 12. Januar 1855 schloss man mit der Auswanderungsagentur Beck & Herzog in Basel einen Vertrag für eine Auswanderung in die USA ab, das damals weitaus beliebteste Auswanderungsziel. Von den rund 300 vorgesehenen Auswanderern meldete sich etwa die Hälfte freiwillig; die andere Hälfte bestand aus den sogenannten „Armenhäuslern“, die von der Gemeinde Armenunterstützung bezogen und zwangsweise auf die Auswanderungslisten gesetzt wurden. Auch wenn die Auswanderung für die meisten Beteiligten wohl eine Verbesserung ihrer Lebensumstände bedeutete und die Gemeinden in einer tatsächlichen wirtschaftlichen Notlage waren, kam sie damit doch, wie von der Forschung hervorgehoben, streckenweise einer eigentlichen Deportation der Armen gleich [2]. Bereits am 27. Februar 1855 verliessen die rund 300 Auswanderer nach der Besammlung auf dem Platz vor dem „Rössli“ das damalige Niederwil und schifften sich am 16. März in Le Havre mit dem Ziel New Orleans ein, von wo sie verschiedene Ziele in den USA erreichten. Das Rothrister Armenhaus wurde in der Folge aufgehoben.
Zum Gedenken an das für Rothrist prägende historische Ereignis wurde einige Jahre nach dem hundertsten Jahrestag, gemäss Inschrift 1959, durch den Heimatverein der bestehende Brunnen aufgestellt. Die Brunnenfigur „Auswanderin“ stammte vom Wettinger Eduard Spörri (1901-1995), dem seinerzeit populärsten aargauischen Bildhauer, der stets einem gegenständlichen Traditionalismus verpflichtet blieb und neben dem Rothrister Werk auch zahlreiche andere Brunnenfiguren geschaffen hat [3]. 2005 wurde in Rothrist zum 150jährigen Jahrestag der Grossen Auswanderung eine Gedenkausstellung veranstaltet, in deren Zusammenhang auch die Brunnenanlage renoviert und um eine Stele mit den Namen der 305 Auswanderer ergänzt wurde (vgl. Inschrift auf seitlich aufgestelltem Quader). Im Rahmen der vorgesehenen Neugestaltung des Rössliplatzes ist aktuell eine Versetzung der Brunnenanlage geplant (2018).
Beschreibung:Der „Auswandererbrunnen“ bildet zusammen mit der jüngeren Gedenkstele und einer Platzgestaltung eine kleine Anlage auf der Nordostseite des Rössliplatzes. Der Brunnen besitzt eine niedrige, annähernd quadratische Brunnenschale aus Muschelkalk mit gerundetem Querschnitt und gleichfalls gerundeten vorderen Ecken. Mittig steht an der hinteren Kante der oben kaminhutartig geweitete Stock, auf dem sich die Brunnenfigur „Auswanderin“ von Eduard Spörri erhebt. Die Bronzeplastik, die am Fuss die Künstlersignatur und das Jahr 1959 trägt, stellt eine junge Frau oder ein Mädchen dar, das mit gesenktem Haupt und einem kleinen Bündel in der Hand der Auswanderung entgegensieht. Auf der Rückseite des Stocks ist die Inschrift eingemeisselt: „Auf diesem Platze besammelten sich am 27. Februar 1855 in einer Zeit grosser Not 307 Bürger von Niederwil, um nach Amerika auszuwandern. Geschenkt vom Heimat-Verein Rothrist, 1959“.
Östlich der Brunnenanlage steht seit 1995 eine gleichfalls aus Muschelkalk geschaffene, gestalterisch am Brunnenstock orientierte Stele, welche auf gravierten Metalltafeln die Namen der 305 Auswanderer auflistet. Ein unregelmässiger, seitlich aufgestellter Steinquader verzeichnet die Unterstützer der Gedenkausstellung von 2005.
Anmerkungen:[1] Geschichte der Rothrister Auswanderung von 1855 insbes. nach Markus Widmer-Dean, Rothrist im Lauf der Zeit, Rothrist 2012, S. 278-291; vgl. dazu auch Georg Boner / Robert Oehler, Rothrist, mein Dorf, Aarau [1959], S. 140-148; Dominik Sauerländer/Willy Fretz, Armut, Angst und Hoffnung. Die Rothrister Auswanderung von 1855, Buchs 2005; Alfred Schriber-Wyss, Die Rothrister Auswanderung von 1855, Rothrist 1994; zum Thema der Auswanderung allg. Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Art. ‚Auswanderung‘ (2010): http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D7988.php.
[2] So insbes. Schriber-Wyss 1994.
[3] Zu Eduard Spörri vgl. SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz: http://www.sikart.ch/KuenstlerInnen.aspx?id=4001640 (Zugriff 20.3.2018).
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=133626
 

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