INV-SPB911 Chilegass 4, 6, 1700 (ca.) (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-SPB911
Signatur Archivplan:SPB911
Titel:Chilegass 4, 6
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Nordwesten (2020)
Bezirk:Baden
Gemeinde:Spreitenbach
Ortsteil / Weiler / Flurname:Dorf
Adresse:Chilegass 4, 6
Versicherungs-Nr.:49A-D
Parzellen-Nr.:205
Koordinate E:2669808
Koordinate N:1252278

Chronologie

Entstehungszeitraum:approx. 1700
Grundlage Datierung:Schätzung

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerlicher Vielzweckbau

Schutz / Status

Status Bauinventar:Neuaufnahme Bauinventar 2020

Dokumentation

Würdigung:Ehemals strohgedecktes Bauernhaus mit Kern wohl aus dem 17. Jahrhundert, das zum ältesten Baubestand der Gemeinde Spreitenbach gehört. Die vielschichtige, weit zurückreichende Baugeschichte ist insbesondere am Wohnteil noch beispielhaft ablesbar, wo sich wesentliche Elemente der alten Bohlenständerwände und eine rauchgeschwärzte Dachkonstruktion mit stehendem Stuhl und Firstsäulen erhalten haben. Ebenso zeugenhaft ist die spätere stirnseitige Erweiterung um 1800, welche mit einer Neugestaltung der strassenseitigen Fassade einherging. Als ausgesprochen wertvolles Ausstattungselement hat sich aus dieser Zeit ein grün-schwarz patronierter Kachelofen mit farbigen Zierkacheln an der Sitzkunst erhalten. Der markante Baukörper nimmt eine prägende Stellung im Spreitenbacher Ortsbild, an einer platzartigen Strassenerweiterung im Oberdorf, ein.
Im Falle eines grösseren Umbaus ist eine vorgängige bauarchäologische Untersuchung mit Dendrodatierung vorzunehmen.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Die Entstehungsgeschichte des Gebäudes ist komplex und bislang nicht in allen Teilen geklärt. Es darf indessen von einem Kernbau vermutlich aus dem 17. Jh. ausgegangen werden, welcher den inneren Bereich des heutigen Wohnteils – bis hin zum westseitigen Schopfwalmanbau – einnimmt. Hier hat sich auf der Hausrückseite eine alte Bohlenwand mit zweigeschossig durchlaufendem eichenen Ständer erhalten, dessen Machart und Dimensionierung auf ein hohes Alter der Konstruktion schliessen lässt. Wesentliche Teile des kräftig dimensionierten Ständergerüsts sowie einzelne hölzerne Füllungen sind auch an der Binnenwand zum Tenn hin noch sichtbar. Zum ehemals wohl vollständig hölzernen Wandaufbau gehört eine intakte rauchgeschwärzte Dachkonstruktion mit stehendem Stuhl, Firstsäulen und naturgekrümmten verblatteten Sperrrafen, welche in ihrer Machart an ländliche Wohnbauten aus dem 17. Jh. im Limmattal und Zürichseeraum erinnert [1]. Es darf von einer ursprünglichen Eindeckung mit Stroh ausgegangen werden, obschon die bei Weichbedachung ansonsten charakteristische Hochstudkonstruktion im vorliegenden Fall nicht vorhanden ist [2].
Die genaue Grösse und Nutzungsorganisation des Ursprungsbaus ist uns nicht bekannt. Vermutlich aber bestand früher schon ein ostseitig anschliessender Ökonomietrakt, damals wohl mit durchlaufender Firstlinie, welcher später dann durch die bestehende Scheune – nun mit niedrigerem First – ersetzt wurde. Ob der alte, innenliegende Wohnteil nach Westen hin ehemals eine Fortsetzung aufwies, lässt sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen. Für einen ursprünglich schon grösseren Baukörper etwa in den heutigen Abmessungen spricht der Umstand, dass die bestehenden Kellerräume mit den alten Balkendecken die gesamte Länge des aktuellen Baukörpers einnehmen. Rätselhaft mutet eine ausgesprochen massiv aufgeführte Trennmauer im Kellerbereich an, deren Positionierung keinen erkennbaren Bezug zur heute bestehenden Raumorganisation im darüber liegenden Wohnbereich nimmt.
Die westliche Erweiterung des Wohnteils dürfte in der Zeit um 1800 stattgefunden haben, vermutlich im Zusammenhang mit einer eigentumsrechtlichen Aufteilung. Auf der Hausrückseite bezeugt diese Bauphase eine stockwerkweise abgebundene Fachwerkwand mit Einzelfenstern im Erdgeschoss, welche westseitig an den alten Bohlenständerteil anschliesst. Demgegenüber wurde die strassenseitige Hauptfassade anlässlich der Hauserweiterung wohl durchgängig neugestaltet. So präsentiert sie sich als flächig verputzte Fachwerkwand mit rhythmisch angeordneten Einzelfenstern, welche Bezug auf die damals wohl geänderte innere Raumorganisation nehmen. An der östlichen Stirnseite des Schopfwalmanbaus erfährt das Fassadenbild eine spannungsvolle Variation, indem ein in Format und Ausprägung abweichendes Fenster mit auffallend massivem Steingewände möglicherweise als Spolie in die Wandfläche eingefügt ist. Trotz einiger Modernisierungen im Innern und im Laufe der Zeit geänderter Nutzungsaufteilung hat das Haus wesentliche Aspekte seiner vielfältigen Baugeschichte und insgesamt ein hohes Mass an Authentizität bewahrt.
Beschreibung:Das ehemalige Bauernhaus erhebt sich als länglicher Baukörper an der Südseite einer platzartigen Erweiterung, wo die Chilegass und die Poststrasse in die Dorfstrasse münden. Zusammen mit dem zentral an den offenen Dorfbach gestellten alten Spritzenhaus (Bauinventarobjekt SPB912) und dem weiter östlich gelegenen Zehntenhaus (Bauinventarobjekt SPB905) bildet es ein wertvolles Element der noch verbliebenen ländlichen Bebauung im Spreitenbacher Oberdorf.
Als Folge seiner spezifischen Baugeschichte zeigt das Gebäude eine eher ungewöhnliche Dachform, bestehend aus einem in der Höhe gestaffelten Satteldach und einem stirnseitig angefügten Schopfwalm. Die hell verputzte strassenseitige Hauptfassade des Wohnteils zeichnet sich aus durch eine individuelle Gestaltung von einzeln, paar- oder gruppenweise angeordneten Fenstern mit annähernd identischen Rechteckformaten. Ein aus der Mitte gerückter Hauseingang und zwei beidseits angeordnete Kellerabgänge spiegeln eine komplexe, wohl im Rahmen einer Hausteilung um 1800 entstandene innere Raumordnung mit geschossübergreifenden Eigentumsverhältnissen. Die westliche Schmalseite ist ebenso als Putzfassade, hier aber mit axial gesetzten Einzelfenstern und einem in die hintere Hausecke gerückten zweiten Eingang ausgebildet. Von den gängigen Fensterformaten offenkundig abweichend, weist eine Öffnung in der Nordwestecke ein kräftiges, rustikal wirkendes Gewände aus Muschelkalk auf, an dessen linken Seitenwange der Schriftzug "No 72" zu erkennen ist (Bauteil möglicherweise in Zweitverwendung als Spolie eingefügt).
Die ursprüngliche Natur des einst wohl durchgehend hölzernen Gebäudes erschliesst sich allerdings erst mit Blick auf die rückwärtige Hausfassade. Hier haben sich im inneren, scheunenseitigen Bereich aussagekräftige Teile einer altertümlichen Bohlenständerkonstruktion erhalten. Insbesondere ein zweigeschossig hochgeführter eichener Wandständer und die aus kräftigen liegenden Bohlen bestehende Wandfüllung am Obergaden verweisen auf das hohe Alter des Gebäudes. Demgegenüber dürfte der westlich anschliessende Fachwerkteil mit Einzelfenstern im Erdgeschoss einer jüngeren Bauphase zuzuordnen sein. Das hohe Alter des Kernbaus offenbart sich wiederum an der Binnenwand zwischen Wohnteil und Tenn, wo ebenfalls noch ein altes, aus kräftigen Hölzern bestehendes Ständergerüst mit Grundschwelle sichtbar ist. Verschiedenartige Wandfüllungen, teils aus liegend oder stehend eingefügten Bohlen oder Kanthölzern, teils aus jüngeren Fachwerkfeldern bestehend, bezeugen auf anschauliche Art die vielfältige, bewegte Baugeschichte des Hauses.
Im Unterschied zum Wandaufbau hat sich das Dachgerüst über dem inneren Teil des Wohntrakts als homogene Konstruktion erhalten. In Anlehnung an die ländliche Bautradition des 16. und 17. Jh. im Limmattal und Zürichseeraum ist es als Sparrenkonstruktion mit stehenden Stuhljochen und säulengestützter Firstpfette aufgeführt, wobei teils naturgekrümmte Sperrrafen und verblattete Fusshölzer zur Queraussteifung des Verbandes beitragen. Die zimmermannstechnisch sorgfältig gefügte Konstruktion besteht aus durchgehend rauchgeschwärzten Hölzern, was auf die frühere Existenz einer offenen Rauchküche schliessen lässt. Deutlich hebt sich davon die Dachkonstruktion im Bereich des westlichen Schopfwalmanbaus ab, welche aus jüngeren, nicht rauchgeschwärzten Hölzern besteht. Wiederum dem Ursprungsbau zuzurechnen ist die traufseitige Vordachkonstruktion, welche auf kräftige Büge mit Zughölzern abgestützt ist.
Das Hausinnere zeigt eine verwinkelte Raumanordnung, welche teils wohl auf die Hauserweiterung und eigentumsrechtlichen Aufteilung um 1800, teils wohl auf spätere Veränderungen zurückgeht. Nebst den bereits erwähnten Aussenzugängen an der nördlichen Traufseite und der westlichen Stirnseite existiert ein dritter Zugang vom Tenn aus in die innere Wohnung. An älterer Ausstattung hat sich in einzelnen Wohnräumen schlichtes Wand- und Deckentäfer erhalten, und ein Zimmer im Obergeschoss der westlichen Erweiterung verfügt über eine Gipsdecke mit stuckiertem Mittelfeld. Das wertvollste Ausstattungselement aber ist ein Stubenofen aus der Zeit um 1800, der in zeittypischer Machart aus grün-schwarz-patronierten Kacheln mit Nelkenmuster, einem hellen Gurtgesims mit filigraner vegetabiler Verzierung sowie einem Kranz aus grünen glatten Kacheln besteht. Seitlich schliesst eine vermutlich gleichaltrige Sitzkunst mit teils bunt marmorierten, teils mit Pflanzenmotiven bemalten Zierkacheln an. Die eine Zierkachel zeigt ein Wappenschild mit Löwen in etwas ungelenker Ausführung, was auf einen in der Ofenmalerei nicht sehr versierten Hafner schliessen lässt.
Die Kellerräume, welche nahezu die gesamte Grundfläche des Wohnteils einnehmen, sind über zwei Aussenzugänge auf der nördlichen, strassenzugewandten Traufseite erschlossen. Insgesamt reihen sich drei Keller mit Balkendecken aneinander. Im baugeschichtlichen Kontext etwas rätselhaft mutet eine auffallend dicke Binnenmauer zwischen den beiden scheunenseitigen Räumen an, welche über einen behelfsmässigen, wohl nachträglich ausgebrochenen Durchgang verfügt.
Der in der bestehenden Form wohl aus dem 19. Jh. stammende Scheunentrakt ist als einfache Ständerkonstruktion mit vertikaler Bretterschalung, gegenüber dem Wohnteil unter leicht abgestuftem First, aufgeführt. Die traditionelle Nutzungsabfolge von Tenn, Stall und Remise ist noch nachvollziehbar, auch wenn der ehemalige Stall strassenseitig zu einer Garage umgenutzt wurde. Im rückwärtigen Bereich hat sich noch eine ältere Stalleinrichtung mit kopfsteingepflästertem Läger erhalten.
Anmerkungen:[1] Vgl. Renfer 1982, S.
[2] Zur klassischen Hochstudkonstruktion vgl. Räber 2002, S. 90ff.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung.
Literatur:- Christian Renfer, Die Bauernhäuser des Kantons Zürich, Band I: Zürichsee und Knonaueramt, Basel 1982.
Quellen:- Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, Spreitenbach II-19/4.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=137364
 

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