INV-BEW944 Käserei Winterschwil, 1896 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-BEW944
Signatur Archivplan:BEW944
Titel:Käserei Winterschwil
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Strassenseitige Hauptfront (2020)
Bezirk:Muri
Gemeinde:Beinwil (AG, Freiamt)
Adresse:Winterschwil 7
Ortsteil / Weiler / Flurname:Winterschwil
Versicherungs-Nr.:231
Parzellen-Nr.:680
Koordinate E:2668210
Koordinate N:1232521

Chronologie

Entstehungszeitraum:1896
Grundlage Datierung:Brandkataster

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Käserei

Dokumentation

Würdigung:Im Zentrum des ISOS-national eingestuften Weilers stehendes Käsereigebäude von 1896. Der stattliche Mauerbau mit Walmdach und Zwerchgiebel sowie axialsymmetrisch gestalteten Fassaden zeigt stilistische Anklänge an den Spätbarock und den Klassizismus. Im Erdgeschoss befinden sich die Produktionsräume des 1990 stillgelegten Betriebes, darüber erstreckt sich die ehemalige Wohnung des Käsers, welche 2017 eine sorgfältige Renovation erfahren hat. Die Käserei von Winterschwil ist ein wichtiger bau- und wirtschaftsgeschichtlicher Zeuge für den Aufschwung der Milchwirtschaft im Freiamt Ende des 19. Jahrhunderts.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Im traditionell auf Getreideanbau und Selbstversorgung ausgerichteten schweizerischen Mittelland erlangte die Milchverwertung erst im Verlauf des 19. Jh. eine grössere marktwirtschaftliche Bedeutung. Der Anschluss an das europäische Eisenbahnnetz ermöglichte damals die Einfuhr von kostengünstigem ausländischem Getreide, was zu einer tiefgreifenden Krise und zu einer Neuorientierung der einheimischen Landwirtschaft führte. Namentlich die südlichen Regionen des Aargaus, so auch das Freiamt, verzeichneten damals einen deutlichen Rückgang der Ackerbaufläche, verbunden mit einem Aufschwung von Viehzucht und Milchwirtschaft. Gleichzeitig führte die Einführung neuer Bewirtschaftungsmethoden wie Stallfütterung und Kleegrasanbau zu einer merklichen Produktionssteigerung. Ein Grossteil der anfallenden Milchmenge diente nun nicht mehr der Selbstversorgung, sondern wurde zu Butter und Käse verarbeitet. So entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jh. zahlreiche genossenschaftlich organisierte und von einem hauptberuflichen Käser geführte Dorfkäsereien. 1888 bestanden auf aargauischem Boden bereits 112 Käsereien, wobei nicht weniger als 34 auf das Obere Freiamt (Bezirk Muri) entfielen [1].
Im Ortsteil Winterschwil wurde 1871 eine erste Käserei im Wasch- und Brennhaus der Gebrüder Kaufmann (Winterschwil 2) eingerichtet und vorerst wohl auf nachbarschaftlicher Basis betrieben [2]. Nach einer vorübergehenden Verlegung in ein Nachbargebäude errichtete die mittlerweile gegründete Käsereigenossenschaft Winterschwil-Isenbergschwil 1896 einen stattlichen steinernen Käsereibau mit zugehöriger Wohnung im Obergeschoss. Der Brandkatastereintrag lautet auf "Käsereigebäude von Stein, Rieg und Holz, mit Holzhaus, 3 Kellern von Eisen und Beton" [3].1921 und 1960 fanden bauliche Veränderungen und Modernsierungen statt, welche in erster Linie die Einrichtung des Käsereiraumes betrafen. 1990 wurde der Käsereibetrieb von Winterschwil stillgelegt und das Gebäude an einen privaten Eigentümer veräussert. 2017 fand eine Renovation der ehemaligen Käserwohnung im Obergeschoss statt.
Beschreibung:Das ehemalige Käsereigebäude steht prominent im Zentrum des Weilers Winterschwil, südlich an der Dorfstrasse. Es erhebt sich in traufständiger Ausrichtung als zweigeschossiger Mauerbau unter elegant geknicktem Walmdach. Der kubisch wirkende Baukörper ist mit verputzten Ecklisenen gefasst, während ein kantig profiliertes Gurtgesims die beiden Hauptgeschosse voneinander trennt. In historistischer Manier sind stichbogige Fensteröffnungen spätbarocker Prägung am Erdgeschoss mit klassizistisch profilierten Rechteckfenstern am Obergeschoss kombiniert. Eine Auszeichnung erfährt die strassenseitige Hauptfassade mit dem Käsereieingang, indem der Mittelteil mit den drei enger gestellten Achsen durch einen breiten Zwerchgiebel hervorgehoben wird. Im Unterschied zur symmetrisch gestalteten Vorderfront und den beiden regelmässig gestalteten Schmalseiten präsentiert sich die rückwärtige Front als unregelmässiger Baukörper mit diversen Vor- und Rücksprüngen sowie unterschiedlichen Fensterformaten, worin sich wohl die Umbau- und Erweiterungsphasen im 20. Jh. spiegeln. So könnte der in Backsteinmauerwerk ausgeführte südwestliche Quergiebelanbau aus der Zeit um 1921 stammen. Hier befindet sich, von einem Blechdächlein geschützt, der recht unscheinbare Hauseingang, welcher noch das historistische Türblatt mit vergittertem Fenster bewahrt. Von hier führt eine gewundene Holztreppe mit gedrechseltem Balustergeländer hinauf in die grosszügig angelegte Wohnung im Obergeschoss. Um einen L-förmigen Gang reihen sich hier Stube und Nebenstube auf der Ostseite sowie Küche, Sanitärraum und diverse Zimmer auf der Nord- und der Südseite. An historischer Ausstattung haben die beiden Hauptwohnräume gefeldertes Wand- und Deckentäfer in guter handwerklicher Qualität erhalten. In einer langen Reihe angeordnete Einbauschränke im Gang dürften ebenfalls noch aus der Bauzeit des Hauses stammen. Im offenen Dachraum tritt die auf liegende Stuhljoche abgestützte Dachkonstruktion mit säulengestützter Firstpfette offen zutage.
Das gesamte Erdgeschoss nehmen die strassenseitig über eine kleine Rampe und rückwärtig ebenerdig zugänglichen ehemaligen Käsereiräume ein. Der Grundriss gliedert sich hier in einen grossen zentralen Raum, wo die Anlieferung und Verarbeitung der Milch erfolgte. Seitlich schliessen zwei kleinere Räume an, welche als Käsekeller dienten. Von der ehemaligen Käsereieinrichtung sind noch einzelne Bestandteile, etwa ein grosser steinerner Wassertrog, erhalten.
Anmerkungen:[1] Zur Geschichte der Käserei im Freiamt und in Winterschwil vgl. Räber 1996, S. 406-407.
[2] Das ehemalige Nebengebäude Vers.-Nr. 215 ist in jüngerer Zeit durch einen Wohnhausneubau ersetzt worden.
[3] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0474-0477: Brandkataster Beinwil Freiamt 1850-1938.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung.
Literatur:- Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 1: Freiamt und Grafschaft Baden, Basel 1996, S. 406 (Abb. 744).
- Beinwil Freiamt – Zeitbilder einer Landgemeinde, Aarau 1988 (Hrsg. Einwohnergemeinde Beinwil/Freiamt).
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0474-0477: Brandkataster Beinwil Freiamt 1850-1938.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, Beinwil/Freiamt, VIII-4/58.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=138015
 

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