INV-FRE920 "Schlössli", 17. Jh. (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-FRE920
Signatur Archivplan:FRE920
Titel:"Schlössli"
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Westen (2020)
Bezirk:Baden
Gemeinde:Freienwil
Ortsteil / Weiler / Flurname:Unterdorf
Adresse:Bei Alte Ehrendingerstrasse 7
Versicherungs-Nr.:70
Parzellen-Nr.:38
Koordinate E:2667097
Koordinate N:1261839

Chronologie

Entstehungszeitraum:17th cent.
Grundlage Datierung:Literatur; Schätzung
Nutzungen:Seit 1916 als Stall genutzt

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Wohnhaus

Schutz / Status

Status Bauinventar:Neuaufnahme Bauinventar 2021

Dokumentation

Würdigung:Vermutlich aus dem 17. oder frühen 18. Jahrhundert stammendes Mauergeviert, für das sich die Bezeichnung "Schlössli" überliefert hat. Als mutmasslichem Wohnsitz der damaligen lokalen Oberschicht kommen dem Steinbau am Weg zur einstigen dorfeigenen Richtstatt "Galgepünt" trotz grosser baulicher Veränderung hohe lokalgeschichtliche Bedeutung und ein gewisser Situationswert zu. Das 1916 zu einem Stall mit Remise umgewandelte Wohnhaus büsste beim Ersatz der Dachkonstruktion den für die Bauzeit charakteristischen steilen Giebel ein. In den verbliebenen Umfassungsmauern haben sich verschiedene ältere Fensteröffnungen erhalten, wovon zwei nachgotisch geprägte Sandsteingewände mit Zierfasen aufweisen.

Der Bau weist im Mauerwerk mehrere grössere Risse auf und bedarf zur Sicherung der Schutzfähigkeit zeitnah grundlegender baulicher Massnahmen.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Die durch eine Zeichnung überlieferte, ehemals steile Dachform und die kleinformatigen Fenster mit gefasten Sandsteingewänden lassen eine Entstehung des "Schlössli" im 17. Jh. annehmen. Im 19. Jh. gehörte es der Familie des Gemeindeammanns Philipp Vogt [1]. Gemeinderäte, Gemeindeschreiber und Bezirksrichter mit dem Familiennamen Vogt lassen sich in Freienwil bis ins 18. Jh. zurück nachweisen. Ein Johannes Vogt hatte in der zweiten Hälfte des 18. Jh. auch das Amt des Gerichtsvogts inne. Da der Name im Dorf vor 1748 nicht bezeugt ist, wird vermutet, dass er sich als Zuname aus dieser Funktionsbezeichnung ableitete und schliesslich als eigenständiger Familienname einbürgerte [2]. Freienwil war es nämlich 1507 durch Auszahlen des Twingherrn, dem Badener Ratsherr Hans Käser, gelungen, sich von seiner Herrschaft freizukaufen und somit die Rechte des Niedergerichts in die Kompetenz der Dorfgemeinschaft zu bringen. Seither wählte die Gemeinde unter ihren Einwohnern alle zwei Jahre einen Gerichtsvogt, der am Gerichtstag mit Unterstützung von sechs Geschworenen und einem Schreiber kleinere Vergehen ahndete. Die Richtstatt befand sich vermutlich in der "Galgepünt" im Gebiet des heutigen Friedhofs [3].
Von dieser kommunalen Selbstverwaltung ausgenommen war die Hohe Gerichtsbarkeit über "Leib und Leben", welche weiterhin beim Landvogt von Baden lag. Und auch der Zehnt war weiterhin der Deutschherrenkommende Beuggen geschuldet (vgl. Bauinventarobjekt FRE919) [4].
Als repräsentatives Wohnhaus dürfte das "Schlössli" im Lauf des 19. Jh. zu eng und unbequem geworden sein. Alt Gemeindeschreiber Johann Vogt, der 1898 als Eigentümer des Hofs samt "Schlössli" verzeichnet ist, wohnte vermutlich im Bauernhaus daneben (Vers.-Nr. 69). 1902 ging das noch immer als Wohnhaus bezeichnete Gebäude an seinen Sohn über. Doch 1911 kam es – wie bereits 1904 der restliche Hof – in den Besitz des Spenglers August Burger, der es einer anspruchsloseren Nutzung zuführte und 1916 zu einem Pferdestall umfunktionierte. In diesem Zusammenhang, spätestens aber nachdem die Söhne, Albert und Franz, die Liegenschaft 1929 übernommen hatten, wurde der Giebel abgetragen und die charakteristische steile Dachkonstruktion durch ein gewöhnliches Pfettenrafendach ersetzt [5]. Gleichzeitig mit der neuen Verwendung erfolgte auch die Aufhebung des rundbogigen Hocheingangs samt Treppenvorbau (beides entfernt bzw. vermauert) sowie die Überformung des ebenfalls rundbogigen Kellereingangs [6]. Die Westmauer erhielt ein Einfahrtstor zur Remise im Obergeschoss. Im ehemaligen Keller befinden sich heute zwei Ställe. In jüngerer Zeit wurde der Bau an verschiedenen Stellen mit Beton stabilisiert, vorgemauert und geflickt.
Beschreibung:Das "Schlössli" befindet sich am Rand eines Landwirtschaftsbetriebs. Unmittelbar nordöstlich davon ragen fünf Silotürme in die Höhe. Es besetzt an der ansteigenden Alten Ehrendingerstrasse, kurz bevor diese nach Süden abbiegt, eine wichtige Stelle, führte hier doch der Weg zur dorfeigenen Richtstatt nordöstlich des Dorfes vorbei. Typisch für die frühe Bauzeit ist die an die Strasse vorgerückte Lage (vgl. das ebenfalls aus dem 17./18. Jh. stammende Bauinventarobjekt FRE905), während die jüngere Strassenbebauung häufig zugunsten eines Vorplatzes von der Strasse zurückspringt.
Das knapp acht auf neun Meter messende Mauergeviert ist aus Findlingen, Feld- und Bruchsteinen gefügt und verputzt. An späteren Flickstellen sind auch Ziegelfragmente vermauert. Der talseitig freistehende Kellersockel ist mit kleinen vertikalen Lüftungsschlitzen versehen, die ursprünglich wohl die einzige Licht- und Luftquelle bildeten; das westseitige Stichbogenfenster stammt aus der Zeit nach 1916 (vgl. Bilddokumentation). Um nachträgliche Maueröffnungen handelt es sich auch bei den zwei Stalleingängen auf der Nordseite, wobei der östliche gemäss Bildquelle anstelle eines eingetieften rundbogigen Kellereingangs angelegt ist. Vergleichsweise grosszügig belichtet ist das darüber liegende ehemalige Wohngeschoss. Erhalten haben sich hier insgesamt drei holzgefasste Rechtecklichter aus dem 18. Jh. oder der Zeit um 1800, zu welchen nordseitig noch der Rest eines verglasten Fensterflügels mit den zeittypischen Kloben vorhanden ist. In die Nord- und Südmauer ist je ein kleines einzelnes Fenster mit Sandsteingewände eingelassen, das in seiner nachgotisch geprägten Ausformung noch ins 17. Jh. verweisen könnte. Die Kanten sind mit einer charakteristischen schräg auslaufenden Fase gearbeitet. An beiden Gewänden lassen zudem Löcher auf ein ehemals angebrachtes Gitter schliessen.
Gemäss einer Zeichnung, die den Zustand des "Schlössli" vor 1916 dokumentiert, befanden sich im unteren, möglicherweise ausgebauten Dachgeschoss ehemals zwei weitere Rechtecklichter [7]. Darüber waren mit Ziegeln eingefasste und ausgefächerte Lüftungsöffnungen eingelassen [8]. Zu sehen sind auf der Darstellung auch eiserne S-förmige Maueranker, welche die Stirnmauer mit der Balkenlage oder Dachkonstruktion verbanden und auf diese Weise stabilisierten. Die steinernen Giebel sind heute bis etwa auf Gesimshöhe abgetragen und durch eine Bretterschalung ersetzt. An der Nordfassade, wo sich gemäss Zeichnung ehemals die Rundbogenportale zur Wohnung und zum Keller befanden, verlaufen lange vertikale Risse, von welchen der westliche ungefähr die Lage des erhöhten ehemaligen Hauseingangs anzeigt.
Die Remise ist über eine ums Gebäude herumgeführte Hocheinfahrt zugänglich. Durch ein einfaches Brettertor, welches mehr als die Hälfte der Ostmauer einnimmt, gelangt man ins Innere. An den Umfassungsmauern sind anhand der Mauerabsätze die ehemaligen Geschosshöhen abzulesen, zu welchen sich jedoch keine Balkenlagen erhalten haben. Der bestehende Zwischenboden verläuft ungefähr auf Gesimshöhe. Das schwach geneigte Pfettenrafendach ruht an den Stirnseiten auf strebengestützen Firstständern und in der Raummitte auf einer Zangenkonstruktion, die auf einem wiederverwendeten geschwärzten Balkenstummel steht.
Anmerkungen:[1] Rey/Suter 1997, S. 42.
[2] Rey/Suter 1997, S. 41-42.
[3] Rey/Suter 1997, S. 24.
[4] Rey/Suter 1997, S. 31-38.
[5] Gemäss Versicherungsakten erhöhte sich der Wert des Gebäudes 1917 von 1300 auf 3000 Franken und 1931 nochmals auf 3500 Franken, vgl. Brandkataster Gemeinde Freienwil 1899-1938 (Vers.-Nr. 70).
[6] Rey/Suter 1997, S. 42.
[7] Wie Anm. 6.
[8] Vergleichbare Öffnungen finden sich etwa an der um 1800 erbauten Löwenscheune in Untersiggental (Bauinventarobjekt UNS913).
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
Literatur:- Urs Rey/Tobias Suter, Freienwil – Geschichte einer ländlichen Gemeinde, Freienwil 1997, S. 24, 31-38, 41-42 (Abb.).
Quellen:- Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, Freienwil II-7/15.
- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0045: Brandkataster Gemeinde Freienwil 1899-1938 (Vers.-Nr. 70).
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=138476
 

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