INV-OLS920 Beichtvaterhaus, 1742 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-OLS920
Signatur Archivplan:OLS920
Titel:Beichtvaterhaus
Frühere Titel:Christkatholisches Pfarrhaus
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Osten (2020)
Bezirk:Rheinfelden
Gemeinde:Olsberg
Adresse:Chloster 6
Versicherungs-Nr.:6
Parzellen-Nr.:5
Koordinate E:2625243
Koordinate N:1263783
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2625243&y=1263783

Chronologie

Entstehungszeitraum:1742
Grundlage Datierung:Inschrift (Wappentafel über dem Eingang)
Nutzungen:Beichtvaterhaus; christkatholisches Pfarrhaus; Kinderheim

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:Kantonale Denkmalschutzobjekte OLS001, OLS002, OLS003, OLS004
Nutzung (Stufe 1):Sakrale Bauten und Anlagen
Nutzungstyp (Stufe 2):Beichtvaterhaus
Epoche / Baustil (Stufe 3):Barock

Schutz / Status

Status Bauinventar:Neuaufnahme 2021

Dokumentation

Würdigung:Ursprünglich wohl als Beichtvaterhaus dienendes Nebengebäude des ehemaligen Zisterzienserinnenkloster Olsberg, das gemäss der schmuckvollen Wappentafel über dem Eingang 1742 unter Äbtissin Maria Johanna von Roll (1732–1757) errichtet oder damals wesentlich umgebaut wurde. Auf eine noch ältere Bauphase verweist möglicherweise der erdgeschossige Saal mit den mächtigen Holzpfeilern. Nebst einer kunstvoll gearbeiteten barocken Holztreppe mit weich gebauchten, profilierten Balustern (kantonales Denkmalschutzobjekt OLS004) bewahrt das Gebäude im Obergeschoss noch Teile der alten Raumausstattung mit barocken Türrahmen und zugehörigen Feldertüren sowie einem historistischen Kachelofen. Der Bau zeugt von der letzten Phase der Prosperität des Klosters im 18. Jahrhundert und ist ein wichtiges Element des Klosterbezirkes.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das Zisterzienserinnenkloster Olsberg wurde um 1236 unter dem Namen «Hortus Dei» (Garten Gottes) einige hundert Meter nordwestlich vom Dorf errichtet. Die Paternität, das heisst die seelsorgerische Betreuung der Nonnen, welche die Spendung der Sakramente und das Abnehmen der Beichte umfasste, übte bis 1751 der Abt des oberelsässischen Zisterzienserklosters Lützel aus. Aufgrund des angespannten politischen Verhältnisses zwischen Österreich und Frankreich, die sich auch auf die geistlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern auswirkte, musste die «cura monialium» Mitte des 18. Jh. neu geregelt werden. 1751 fiel die Paternität an den Abt des Zisterzienserklosters Salem, das zu den bedeutendsten reichsunmittelbaren Abteien des Bodenseeraums gehörte. Allerdings hätten sich die Äbtissin und der Konvent in Olsberg lieber dem Abt der vorderösterreichischen Zisterzienserabtei Tennenbach unterstellt, wozu es nach erfolgreichem Widerstand der Nonnen 1753 schliesslich kam. Nachdem im 18. Jh. zunächst eine kurze Phase der Prosperität eingetreten war, bahnte sich gegen Ende des Jahrhunderts im Zuge der allgemeinen Säkularisationswelle unter Kaiser Joseph II. die Aufhebung des Klosters an. 1790 wurde es in ein weltliches Damenstift umgewandelt und die Nonnen von ihrem Ordensgelübde entbunden. Gänzlich vollzogen wurde die Säkularisation vom jungen Kanton Aargau, als 1805 zunächst in den ehemaligen Klosterräumlichkeiten ein interkonfessionelles Erziehungsinstitut für Mädchen und 1846 an dessen Stelle ein durch die private Pestalozzi-Stiftung gegründetes Knabenerziehungsheim eingerichtet wurde. 1860 erfolgte die Übernahme der Stiftung durch den Kanton Aargau [1]. Seit 2017 betreibt die Stiftung Kinderheim Brugg in den ehemaligen Klostergebäuden das Schulheim Stift Olsberg, eine Einrichtung die Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter mit Lern- und Verhaltensauffälligkeiten betreut [2].
Das Beichtvaterhaus wurde gemäss der Wappentafel über dem Eingang 1742 unter Äbtissin Maria Johanna von Roll (1732–1757) errichtet. Am Bau finden sich jedoch Hinweise, die auf einen älteren Kernbau schliessen lassen, so etwa die Konstruktion des erdgeschossigen Saales mit den mächtigen von Holzsäulen getragenen Unterzügen, die man sich auch im Kontext eines vorangegangenen Wagenschopfes oder Speicherraums vorstellen könnte. Ausserdem erscheint das barocke Treppenhaus nachträglich an den Saal angefügt worden zu sein. Nach der Klosteraufhebung diente das Gebäude zunächst dem kantonalen Gebäude- und Arealverwalter, später dem für das Dorf zuständigen Pfarrer als Wohnhaus. Um 1920 erhielt das Gebäude einen neuen Dachstuhl [3]. Seit 1924 hat Olsberg keinen eigenen Pfarrer mehr, worauf das Haus längere Zeit unbewohnt war und nur gelegentlich vermietet werden konnte. Ab Ende der 1970er-Jahre nutzte es die Gemeinschaft der christkatholischen Pfarrer der Region als Begegnungszentrum. 1981 wurde es renoviert und erhielt ostseitig einen eingeschossigen Garagenanbau [4]. 2020 kaufte die Stiftung Kinderheim Brugg das Beichtvaterhaus [5]. Seit 2021 findet unter Begleitung der Kantonalen Denkmalpflege ein Umbau statt, bei dem das Dachgeschoss ausgebaut wird, um im Sinne des Stiftungszweckes zusätzlichen Wohnraum für die Kinder und Jugendlichen zu schaffen. Ausserdem erfolgt eine Brandschutzanpassung im Innern [6].
Beschreibung:Das ehemalige Beichtvaterhaus befindet sich im Norden des Klosterbezirks gegenüber dem Eingang der Kirche (kantonales Denkmalschutzobjekt OLS001), wo es traufständig zum vom Dorf herführenden Chillweg ausgerichtet ist. Aufgrund der Hanglage ist der verputzte Mauerbau im Süden zweigeschossig, im Norden eingeschossig ausgebildet. Sein erneuertes gerades Satteldach besitzt eine Pfettenrafenkonstruktion von 1920. Mit seiner abgeschrägten westlichen Stirnseite grenzt das Gebäude an das Nachbarhaus (Versicherungsnummer 5) an. Die der Kirche zugewandte Hauptfassade umfasst sechs Fensterachsen, wobei der Fassadenteil der vier östlichen Achsen etwas zurückversetzt ist. Die regelmässig angeordneten, sprossierten Rechteckfenster verfügen über gefalzte, rötlich gefasste Natursteingewände und sind mit grünen Jalousieläden ausgestattet. Auf der westlichsten Achse liegt der Hauseingang, zu dem frontal eine einläufige Treppe führt und dessen natursteinernes, ebenfalls rötlich gefasstes Rechteckgewände ein Oberlicht umfasst. Über dem Eingang befindet sich eine teilvergoldete Wappentafel, die in getriebenen Metallapplikationen den bekrönten Wappenschild der Bauherrin zeigt. Der Schild kombiniert das Wappen der Familie von Roll mit dem zentralen, für den Zisterzienserorden stehenden «Bernhardswappen». Gerahmt wird er oben von der Buchstabenfolge «MIVRAZO» für Maria Iohanna Von Roll Aebtissin Zu Olsberg und unten vom Baudatum «1742» [7]. Die östliche Giebelseite verfügt über zwei Fensterachsen sowie zwei dichter zusammengerückte Fenster im Dachgeschoss. Die rückwärtige Nordfassade gliedern fünf Achsen, wobei die zweite von Osten von einem weiteren Eingang mit vergittertem Oberlicht eingenommen wird.
Im Innern wird das Erdgeschoss hauptsächlich von einem grossen Saal bestimmt, dessen aufwendige Konstruktion mit von mächtigen, gefasten Holzpfeilern getragenen Unterzügen eventuell noch von einem als Remise oder Speicherraum genutzten Vorgängerbau stammen könnte. Die an das Treppenhaus angrenzende Westwand des Saals ist in Fachwerk aufgeführt und besitzt regelmässige quadratische Gefache. Das Treppenhaus bewahrt die kunstvoll gearbeitete Barocktreppe mit Zwischenpodest, deren Geländer aus profilierten, weich gebauchten Balustern und einem mit Wulst, Kehle und Profilierung verzierten Handlauf sowie Antrittspfosten mit kugelförmiger Bekrönung besteht. Im Obergeschoss haben sich als Elemente der barocken Raumausstattung mehrere mit Wulst und Kehlung profilierte Türrahmen erhalten. Die zugehörigen zweiteiligen Füllungstüren weisen noch die originalen geschmiedeten Beschläge in Form von herzförmigen, gefingerten Blättern auf. Neben den Stuckdecken befindet sich im Obergeschoss auch ein zwei Räume beheizender historistischer Kastenofen auf steinernen balusterförmigen Füssen, dessen grau-bräunliche Kacheln mit reliefierten Blumenmotiven verziert sind.
Der tonnengewölbte Keller im westlichen Bereich des Gebäudes ist quer zum First ausgerichtet und besitzt zum Treppenhaus hin orientierte, zugemauerte Fenster, was auf nachträgliche bauliche Umgestaltungen hindeutet und ebenfalls für das Vorhandensein eines Vorgängerbaus spricht, zu dem der Gewölbekeller bereits gehört haben könnte.
Anmerkungen:[1] Boner 1982, S. 831–861; Hunziker, Hoegger 2011, S. 383–384; zu den Beichtvätern siehe insb. Königs 2010, S.102–118.
[2] www.stiftolsberg.ch/geschichte.
[3] Hunziker, Hoegger 2011, S. 403.
[4] Berner 1985, S. 3; Echle 1985, S. 43.
[5] sieh [2].
[6] Pläne von Bäumlin + John AG, 25.06.2021.
[7] Eine nahezu identische Wappentafel findet sich am Pfarrhaus in Magden (kantonales Denkmalschutzobjekt MDE003, vgl. Hunziker, Hoegger 2011, S. 324–325.). Auch eine Monstranz im Kirchenschatz (Zugehör zum kantonalen Denkmalschutzobjekt OLS001) zeigt das Wappen der Äbtissin Maria Johanna von Roll (vgl. Hunziker, Hoegger 2011, S. 395–396.)
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung, Baugruppe Nr. 0.1 "Stift Olsberg", Aufnahmekategorie A, Erhaltungsziel A.
Literatur:- Robert Berner, Das restaurierte Pfarrhaus Olsberg. in: Fricktaler Zeitung, 22.02.1985, S. 3.
- Georg Boner, Kloster Olsberg. in: Helvetia Sacra, Abt. III: Die Orden mit Benediktinerregel, Bd. 3, Bern 1982, S. 831–861.
- Joseph Echle, Das Dorf Olsberg und sein Kloster. Pratteln 1985.
- Edith Hunziker, Peter Hoegger, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bd. 9: Der Bezirk Rheinfelden, Bern 2011, S. 403.
- Peter Hoegger, Schweizerisch Kunstführer, Ehemaliges Kloster Olsberg, Herausgegeben von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, 24 Seiten, 1984.
- Diemuth Königs, Zisterzienserinnen in Olsberg. Die Geschichte des Klosters Hortus Dei, Basel 2010.
- Marietta Meier, Standesbewusste Stiftsdamen. Stand, Familie und Geschlecht im adligen Damenstift Olsberg 1780–1810, Köln 1999.
- 150 Jahre Stift Olsberg. Kanton Aargau, Dep. BSK (Hrsg.), Rheinfelden 2010.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau (StAAG): CA.0001/0567-0569, Brandkataster Gemeinde Olsberg, 1850–1937.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Pläne von Bäumlin + John AG, Architekten ETH/SIA, 1319, 25.06.2021.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=138769
 

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