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DSI-ZRZ001 Hauptstrasse 44, Alte Propstei, 1427 (Dossier (Denkmalschutzinventar))
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Schutz / Status |
Kantonale Unterschutzstellung (DSI): | 8/19/2021 |
Kantonaler Schutzumfang: | integral |
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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 1427 |
Grundlage Datierung: | Dendrochronologische Analyse |
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Typologie |
Nutzung (Stufe 1): | Sakrale Bauten und Anlagen |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Abthaus, Propstei |
Epoche / Baustil (Stufe 3): | Spätgotik |
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Dokumentation |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Die Liegenschaft Hauptstrasse 44 (Marienchorhof, Alte Propstei) in Bad Zurzach ist wie der Name nahelegt Teil des Stiftsbezirks. Siedlungsgeschichtlich ist dieser Bereich um das Grab der Hl. Verena, der sich südlich der römischen Siedlung befindet, von besonderer Bedeutung. Hier wurde im 8. Jahrhundert ein Kloster gegründet und die Verenakirche, die am Ort der Grablege der Heiligen errichtet wurde, bildete den Nukleus für die Entwicklung des Fleckens im Hochmittelalter, der dank Wallfahrt und günstiger Verkehrslage zu einem wichtigen Messeort wurde. Der Stiftsbezirk stellt den Kern des Fleckens dar. Die dreigeschossige Baute ist im Stiftsbezirk unmittelbar nördlich des Verenamünsters situiert. Ihre östliche Giebelwand, die ortsbaulich mit dem Chor des Verenamünsters zusammenwirkt, bildet dabei den Schlusspunkt einer das Münster begleitende traufständigen Bautenreihe. Das Gebäude Hauptstrasse 44 verfügt über eine weit zurückreichende und interessante Geschichte, die sich trotz diverser Eingriffe am Bau nachverfolgen lässt. Ausserordentlich gut ist auch die schriftliche Quellenlage zum Haus, das als "Marienchorhof" und als "Alte Propstei" in den Akten erscheint. Die Geschichte des Hauses ist eng mit der Geschichte des 1279 erstmals schriftlich erwähnten Verenastifts und seiner Chorherren bzw. Pröpste verbunden. Das Gebäude weist mit seinen trapezförmigen Kernbauten, die sich im Erdgeschoss in Massivbauweise erhalten haben, aufgrund von Vergleichsbeispielen ins 13./14. Jahrhundert zurück. So findet sich ein trapezförmiger Gebäudeteil in der südöstlichen Ecke des heutigen Gebäudes, der in einem ersten Ausbauschritt nach Norden erweitert worden sein dürfte. Im rückwärtigen nordwestlichen Bereich ist auf Grund des trapezförmigen Grundrisses ein weiter älterer Bau anzunehmen, zu welchem der grosse, profilierte gotische Bogen im Erdgeschoss gehört. Für das hohe Alter dieser Gebäuderelikte mit trapezförmigen Grundriss sprechen Vergleichsbeispiele innerhalb von Bad Zurzach wie die Dekanei 1283/1305, die Kaplanei 1345 und die benachbarte Kustorei 1289 (dendrodatiert). Dieser in Teilen erhaltene Kernbau der Alten Propstei in Bad Zurzach lässt sich zudem mit den schriftlichen Quellen zusammenbringen. Ein Vorgängerbau ist erstmals 1323 und dann 1345 schriftlich als Stiftskaplanei "ad sanctam Mariam" erwähnt worden und wurde gemäss schriftlichen Quellen 1358 erweitert. 1428 ging dieser Vorgängerbau in Flammen auf. Der Chorherr Heinrich Winkler erhielt daraufhin die Erlaubnis den Bau neu aufzurichten. Die im März 2019 durchgeführte dendrochronologische Untersuchung zeigt, dass die Balken über dem 2. Obergeschoss und diejenigen des Dachstuhls über dem Haupthaus im Winter 1427/28 gefällt worden sind. Spätestens zu diesem Zeitpunkt erfolgte die Erweiterung nach Westen, wobei das Gebäude seine noch heute gültigen Ausmasse erhielt. Integriert wurde dabei neben dem Kernbau im Südosten, der wohl ebenfalls ältere Bau im rückwärtigen westlichen Bereich. Der Bau und sein Dachstuhl haben somit den Grossbrand von 1471 überlebt, dem grosse Teile des Unterfleckens und des Verenamünsters zum Opfer fielen. 1486 wurde das Haus zur Amtswohnung des neu gewählten Propstes Johannes de Croaria genannt Sattler und nach dessen Resignation als Propst von dessen Nachfolgern. Unter den hier wohnenden Pröpsten findet sich u. a. der Zürcher Jacob Edlibach, ein Neffe von Hans Waldmann. 1553 beklagte sich jedoch der neu gewählte Propst Heinrich Raner über den schlechten Zustand der Amtswohnung und erreichte, dass ab 1560 die Amtswohnung des Propstes im Chorhof bei der Metzg eingerichtet wurde. Ab dann wird der Marienchorhof auch als Alte Propstei bezeichnet. Im 17. Jahrhundert wurden Modernisierungsarbeiten vorgenommen. Im 1. Obergeschoss findet sich an der Nordfassade ein in spätgotischer Tradition gestaltetes vierteiliges Reihenfenster mit Fenstersäule und dem aussenseitigen Wappenrelief mit Initialen G(otthard) S(chmid) und Jahrzahl 1645, das jedoch auch in einer Zweitverwendung hier eingebaut worden sein könnte. Schriftlich belegt ist, dass 1664 Kustos Brandenberg 100 Gulden verbaut hat. Von einem weiteren neuzeitlichen Eingriff zeugt die barocke Treppe mit kunsthandwerklich gestalteten Brettbalustern. Für das 19. Jahrhundert verzeichnet im Jahr 1851 ein Brandkatastereintrag "3 Stock mit 1 Wohnung, Tremkeller, hinten 1 Anbau mit Kammern und Giebel". Dieser nordseitige Bauteil dürfte im 19. Jahrhundert mit einem Zwerchdach versehen worden sein. Die Neugestaltung der Südfassade erfolgte gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch Zuberbühler, in dessen Eigentum sich die Liegenschaft 1885 befand. Grössere Umbauten im Inneren erfolgten in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts. |
Beschreibung: | Das dreigeschossige Gebäude auf L-förmigem Grundriss unter ungestörtem Satteldach orientiert sich mit seiner durchlaufenden südlichen Hauptfassade traufständig zum Verenamünster. Es tritt im Westen aus der Bautenreihe Richtung Verenamünster hervor und bildet mit seiner Giebelwand im Osten den Abschluss dieser Bautenreihe. Im Nordwesten tritt ein Baukörper unter Zwerchdach aus der Fassadenflucht hervor. Die 5-achsige Südfassade weist einen mittig situierten Eingang mit Rundbogenform und darüberliegendem Wappenrelief auf. Sie ist im Erdgeschossbereich im Westen zurückhaltend befenstert, im Osten hingegen durch einen Ladeneinbau des 20. Jahrhunderts bestimmt. Die Fenster sind axial angeordnet. Auf der ostseitigen Giebelwand sind die Fenster nur zum Teil axial angeordnet, im Erdgeschoss ist ein Unterstand angebaut. Die rückwärtige nördliche Fassade, welche durch den vorspringenden Bauteil mitgeprägt ist, zeichnet im Hauptbaukörper im 1. Obergeschoss das vierteilige Reihenfenster mit Wappenrelief mit Initialen G(otthard) S(chmid) und Jahrzahl 1645 aus. Der Grundriss spiegelt mit seiner Struktur und der erhaltenen Bausubstanz die komplexe und lange Baugeschichte des Hauses wider. Der zentrale Hauseingang führt heute in den südöstlichen Kernbau, in welchem zu einem späteren Zeitpunkt das zentrale Treppenhaus mit der barocken Treppe mit kunsthandwerklich gestalteten Brettbalustern errichtet wurde. Im Westen ist der moderne Laden situiert, von welchem allerdings ein gotischer Torbogen in den nordwestlichen Gebäudeteil mit Trapezgrundriss führt. Diese Grundstruktur ist auch im 1. Obergeschoss noch mit wesentlichen Elementen am Bau nachvollziehbar. Neben der Treppe ist hier als besonders wertvolles Element das Reihenfenster mit Fenstersäule zu nennen. Aussergewöhnlich ist, dass die Stube mit Reihenfenster sich nicht zur Hauptfassade orientiert. Die zentrale Treppe erschliesst auch das 2. Obergeschoss. Die 1427/1428 dendrodatier-ten Deckenbalken über dem 2. Obergeschoss zeugen vom hohen Alter des Gebäudes. Ebenfalls 1427/1428 dendrodatiert ist der rauchgeschwärzte, stehende Dachstuhl über dem Hauptbaukörper. Die Nummerierung der Sparren mit eingetieften, quadratisch angeordneten Klötzchen, wie man sie z. B. auch vom 1361 datierten Dachstuhls des Seidenhofs in Basel kennt, ist im Aargau sehr selten überliefert. |
Erwähnung in anderen Inventaren: | - Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS): Ortsbild von nationaler Bedeutung; das Gebiet Altstadt, in welchem sich auch die Liegenschaft befindet, ist mit dem höchsten Erhaltungsziel A gekennzeichnet ("Erhalten der Substanz: Erhalten aller Bauten, Anlageteile und Freiräume, Beseitigung störender Eingriffe.") - Das Objket ist unter der Nr. 082 im von der Stiftung für Forschung in Spätantike und Mittelalter - HR. Sennhauser (FSMA) erstellten "Historischen Grundbuch Zurzach" aufgenommen. |
Literatur: | - Hans Rudolf Sennhauser, Archäologische Untersuchungen am Bau bereiten Planung und Restaurierung vor, in: Unsere Kunstdenkmäler 32 (1981), Heft 4, S. 446-452 - Hans Rudolf Sennhauser, Zurzach zur Zeit der Gründung der Eidgenossenschaft, in: Historische Vereinigung des Bezirks Zurzach (Hg.), Jahresschrift 1991, Nr. 20, S. 1-25 - Albert und Hans Rudolf Sennhauser und Alfred Hidber (Hg.), Geschichte des Fleckens Bad Zurzach, Zurzach 2004. |
Reproduktionsbestimmungen: | © Kantonale Denkmalpflege Aargau |
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URL for this unit of description |
URL: | http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=140793 |
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