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INV-BES918 Feldstrasse 2, 1735 (Dossier (Bauinventar))
Ansichtsbild: |
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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 1735 |
Grundlage Datierung: | Inschrift (Hocheinfahrt Tenn) |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Einzelobjekt |
Nutzung (Stufe 1): | Landwirtschaftliche Bauten |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Bäuerlicher Vielzweckbau |
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Dokumentation |
Inschriften: | "1735" (Hocheinfahrt Tenntor); "... 1759" (Inschriftkachel Ofen) |
Würdigung: | Bäuerlicher Vielzweckbau von ausgesprochen stattlichen Dimensionen, der nach der Jahrzahl am Jochbalken der Hocheinfahrt vermutlich 1735 erbaut wurde und bis ins mittlere 19. Jahrhundert als Zollhaus diente. Das Gebäude, das sein Erscheinungsbild wie auch Teile seiner Ausstattung aus dem 18. und 19. Jh. im wesentlichen gewahrt hat, weist eine im lokalen Umfeld seltene Disposition mit giebelbetontem Wohnteil und im Querfirst anschliessendem Ökonomietrakt auf. Für eine begüterte Bauherrschaft spricht die massive Bauweise des stattlichen Wohnteils mit Bruchsteinmauern bis unter den First. Es hat. Eine Besonderheit von einigem lokalgeschichtlichem wie auch hauskundlichem Interesse ist die über eine Hocheinfahrt erschlossene, durchgehend befahrbare Heubühne, die sich auch über den Wohnteil erstreckt. Mit der Kreuzung zwischen der alten Landstrasse nach Mosen und Luzern einerseits und dem Beinwiler Kirchweg anderseits beherrschte das Gebäude in Übereinstimmung mit seiner ursprünglichen Funktion eine verkehrsreiche Stelle am Übergang ins luzernische Hoheitsgebiet. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | In Beinwil am See sind zwei Häuser erhalten, die unter bernischer Herrschaft und auch noch in der Zeit nach der Kantonsgründung als Zollstationen dienten [1]. Zollpflichtig waren kostbare Stoffe, Gerätschaften, Lebensmittel, Getränke wie Wein, Bier oder Schnaps. Als die Binnenzölle mit der Bundesstaatsgründung 1848 wegfielen, wurden die Landzollämter aufgelöst. Das ältere von beiden war das hier beschriebene, obere Zollhaus (Bauinventarobjekt BES918), welches an verkehrsgünstiger Lage den Kreuzungspunkt zwischen der alten Landstrasse nach Mosen und Luzern (der heutigen Sandstrasse) und dem Beinwiler Kirchweg (Krienzstrasse-Feldstrasse) liegt kontrollierte, wo sich gegenüber auch der „Alte Löwen“ erhebt (Vers.-Nr. 180) [2]. Es wurde gemäss Inschrift am Jochbalken des Tenntors wohl 1735 errichtet. Die Station wurde seit jeher von der Familie Eichenberger verwaltet, die daher den Zunamen „Zollers“ erhielt. Später erforderten der Ausbau und die damit verbundene regere Nutzung der Strecke Plattenstrasse-Schöntalstrasse-Büel die Einrichtung einer zweiten, „unteren“ Zollstation, die in einem Haus von 1824 lag (Bauinventarobjekt BES917; vgl. zur Lage der beiden Zollhäuser die Michaeliskarte um 1840 in der Bilddokumentation). Im ersten verfügbaren Brandkatastereintrag von 1829 erscheint die Liegenschaft als „Wohnhaus mit Bescheuerung von Stein und Holz, zwei Stock hoch, mit gewölbtem Keller und Ziegeldach“, im Eigentum des Hans Jakob Eichenberger [3]. Baumassnahmen sind für 1840 verzeichnet. |
Beschreibung: | Das „obere Zollhaus“ erhebt sich als stattlicher Baukörper westlich der Kreuzung zwischen der alten Landstrasse nach Mosen (Sandstrasse) und dem Beinwiler Kirchweg (Feldstrasse-Krienzstrasse). Es handelt sich um ein herrschaftlich gestaltetes Bauernhaus, das in einer regional seltenen Disposition aus einem giebelbetonten Wohnhaus und einem unter Querfirst angebauten Ökonomieteil besteht. Der breitgelagerte Wohnteil ist ein zweigeschossiger Massivbau mit beträchtlicher Mauerstärke, der von einem geknickten Gehrschilddach mit traufseitig weit ausladendem Dachvorschermen abgeschlossen wird. Giebelseitig ist die Flugsparrenkonstruktion in der Form einer weit gespannten Ründe verbrettert. Die südliche Schaufront verfügt noch über die ursprüngliche Befensterung mit zweiteiligen holzgerahmten Fenstern im Erdgeschoss und einem fünfteiligen Fensterwagen im Obergeschoss. Die traufseitigen Einzelfenster wie auch die Doppelfenster an der nördlichen Giebelfront sind hingegen aus Sandstein gearbeitet. Ein vorderer und ein hinterer Hauseingang, die von kräftigen steinernen Rechteckgewänden gerahmt werden, liegen jeweils tennseitig an den beiden Giebelfronten. Die westliche Stirnmauer des Gebäudes, welche die Traufseite des Wohnteils bildet, ist über die südliche Gebäudeflucht vorgezogen. Der quer zum Wohnteil gelagerte Ökonomieteil ist in Mischbauweise als hölzerne Ständerkonstruktion mit massiven Giebelmauern aufgeführt, von denen eine im Gebäudeinneren verborgen ist. Er weist nach üblichem Schema in Firstrichtung eine Einteilung in Dreschtenn, Stall und Futtertenn auf. Die nach Osten gerichtete Stirnseite öffnet sich im Giebelfeld mit einer breiten Hocheinfahrt, die von der Strassenkreuzung über eine angeböschte Auffahrtrampe erreicht wird. Ihr hölzerner Jochbalken trägt die Jahrzahl 1735, die vielleicht als Baujahr auf das ganze Gebäude zu beziehen ist. Die Dachflächen von Wohn- wie auch Ökonomieteil sind mit alten Biberschwanzziegeln in Einfachdeckung versehen. Die Erschliessung des Wohnteils erfolgt auf beiden Stockwerken über einen tennseitig durchlaufenden Flur mit Treppenaufgang. Die Raumaufteilung ist ebenfalls identisch: Die nördliche Gebäudehälfte nehmen eine geräumige Küche und eine Hinterstube ein; auf der Südseite sind heute eine breite Stube, eine Nebenstube und eine schmale Kammer aufgereiht, deren dünne Trennwände allerdings genau mit dem Mittelpfosten eines Doppelfensters fluchten. Ursprünglich ist entsprechend der Befensterung zumindest im Obergeschoss mit einer stattlichen Stube, respektive einem Saal von fünf sowie einer Nebenstube von zwei Fensterachsen zu rechnen. In weitgehend bauzeitlichem Zustand präsentiert sich die Hinterstube des Erdgeschosses, wo noch die ursprünglichen Wandtäfer in Form von stehendem, überschobenem Brettertäfer mit profilierten Rändern sowie eine Sichtbalkendecke und ein roher Tannenriemenboden vorhanden sind. Des weiteren findet sich hier eine grüne Sitzkunst mit sekundär eingefügten, farbig bemalten Frieskacheln, auf denen idyllische Hauslandschaften dargestellt sind und die aufgrund der Ähnlichkeit mit anderen Werken wahrscheinlich dem in der zweiten Hälfte des 17. Jh. tätigen Ofenmaler und Hafner Hans Jost Hoppler zuzuschreiben sind [4]. Eine Inschriftkachel in der Feuerwand nennt die Jahrzahl 1759. Die Stube des Obergeschosses bewahrt einen vermutlich in jüngerer Zeit neu aufgesetzten Kachelofen mit blaugrünen Füllkacheln und einem Fries aus weissgrundigen, blau bemalten Kacheln des Burger Hafnermeisters Sommerhalder. Auf den signierten und ins Jahr 1834 datierten Kacheln sind Medaillons dargestellt, die von einem Füllhornpaar und Pflanzenmotiven flankiert werden. Darin sind Hafnerinschriften, Sinnsprüche und ein interessanter Verweis auf eine Brandkatastrophe verzeichnet, die am 22. August 1834 die Gemeinde Suhr heimsuchte. Da die Wand- und Deckentäfer mit Ausnahme der genannten Hinterstube teils um 1900, teils in den 1930er Jahren erneuert wurden, lässt sich der Zeitpunkt der vermuteten Umgestaltung der Raumaufteilung nicht genauer bestimmten. Neben dem Kachelofen steht eine blaue Sitzkunst wohl aus der zweiten Hälfte des 19. Jh. Unter der westlichen Gebäudehälfte erstreckt sich in Firstrichtung ein Gewölbekeller mit einem inneren und einem äusseren Zugang von Süden. Das mächtige Sparrendach des Wohnteils ruht auf einem liegenden Stuhl. Es wurde um 1990 in einigen Punkten verstärkt, ist im übrigen aber intakt erhalten. Das Dach des Ökonomieteils besitzt einen stehenden Stuhl. Ein breiter stichbogiger Durchgang in der bis zum First massiv gemauerten Trennwand verbindet die Dachräume von Wohnteil und Ökonomie. Der mündlichen Überlieferung zufolge sollen die Fuhrwerke (zur Kontrolle, ev. auch zum Wiegen bestimmter Transportgüter?) durch die Hocheinfahrt auf den Dachboden des Wohnhauses und anschliessend wieder zurückgefahren worden sein, wobei um den Kamin herum gewendet wurde. Im Wohnteil zeigen beide Giebelwände innen noch die von aussen nachträglich vermauerten Türen einer ehemaligen Aufzugsvorrichtung (Inneres gemäss Kurzinventar 1992). An die nördliche Giebelseite des Wohnteils schliesst ein heute zum offenen Unterstand umgebauter ehemaliger Schweinestall an. Ein grösserer, übergiebelter Schopfanbau schliesst an die Nordostecke des Ökonomieteils an. Ein weiterer Schopf (Vers.-Nr. 391) liegt freistehend südwestlich vom Hauptgebäude (beide Anbauten sowie der Nebenbau nicht Bestandteil des Schutzumfangs). |
Erwähnung in anderen Inventaren: | - Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung. |
Anmerkungen: | [1] Geschichtliches nach Gautschi 1985, S. 186. [2] Vgl. Gautschi 1985, S. 160-162. [3] Staatsarchiv Aargau, BA.05/0067, Bezirksamt Kulm, Brandkataster Gemeinde Beinwil am See, 1829-1850; CA.0001/0220-0223, Brandkataster Gemeinde Beinwil am See, 1850-1938. [4] Eine grosse Ähnlichkeit zeigen die Frieskacheln eines ehemals in der Unteren Mühle von Schöftland befindlichen Ofens; vgl. Aufnahmen von 1989 im Fotoarchiv der Kantonalen Denkmalpflege. Die dortigen Frieskacheln sind mit grosser Wahrscheinlichkeit dem Ofenmaler und Hafner Hans Jost Hoppler zuzuschreiben, der in der zweiten Hälfte des 17. Jh. zuerst in Baden und später in Muri tätig war. Vgl. Hinter dem Ofen ist mir wohl. Kacheln und Öfen aus dem Aargau, 14.-19. Jahrhundert, Ausst.kat. Historisches Museum Aargau, Lenzburg [1995], S. 21. |
Literatur: | - Karl Gautschi, Beinwil am See. Das Dorf im Wandel der Zeit, verf. im Auftrag des Gemeinderats Beinwil am See, Beinwil am See [1985], S. 186. |
Quellen: | - Staatsarchiv Aargau, BA.05/0067, Bezirksamt Kulm, Brandkataster Gemeinde Beinwil am See, 1829-1850; CA.0001/0220-0223, Brandkataster Gemeinde Beinwil am See, 1850-1938. |
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URL for this unit of description |
URL: | http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=29820 |
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