INV-BRI923 Weierweg 2, 1800 (ca.) (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-BRI923
Signatur Archivplan:BRI923
Titel:Weierweg 2
Bezirk:Zofingen
Gemeinde:Brittnau
Ortsteil / Weiler / Flurname:Graben
Adresse:Weierweg 2
Versicherungs-Nr.:169
Parzellen-Nr.:836
Koordinate E:2637720
Koordinate N:1234202

Chronologie

Entstehungszeitraum:approx. 1800
Grundlage Datierung:Schätzung

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerlicher Vielzweckbau

Dokumentation

Würdigung:Charakteristisch abgewalmtes ehemaliges Strohdachhaus aus der Zeit um 1800, das westlich des eigentlichen Dorfzentrums im streusiedlungsartig bebauten Ortsteil Graben steht. Der bäuerliche Vielzweckbau hat am Wohnteil seine originale Ständerbauweise mit charakteristischer Reihenbefensterung und reich profilierten Brüstungshölzern bewahrt. Typologisch und konstruktionstechnisch bemerkenswert ist die vollständig erhaltene, durchgehend noch russgeschwärzte Rafendachkonstruktion, die als "reduzierte" Hochstudkonstruktion den entwicklungsgeschichtlichen Übergang vom klassischen Hochstudhaus zu jüngeren Konstruktionen dokumentiert.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Infolge des stetigen Bevölkerungswachstums waren der Siedlungsraum und das Kulturland in Brittnau knapp geworden. Aus diesem Grunde bewilligte die Berner Regierung so genannte Allmendeinschläge, das heisst die Errichtung privater Hofstätten auf gemeinschaftlich genutztem, zumeist bewaldetem oder als Viehweide genutztem Gemeindeland. So entstanden ausserhalb der eng begrenzten Dorfsiedlung zahlreiche, zumeist kleinbäuerlich strukturierte Landwirtschaftsbetriebe in der Vorstadt, auf dem Schürberg, im Geissbach, in der Fennern und ebenso im Graben. 1783 wurden am Südhang des Albishügels und hinten beim Weiher bereits sechs Liegenschaften mit Haus und Umschwung gezählt [1]. Ähnliche Verhältnisse sind auch auf der Michaeliskarte um 1840 dargestellt (vgl. Fotodokumentation). Von der traditionellen Bebauung hat bis heute lediglich das Gebäude Weierweg 2 in weitgehend unveränderter Form überdauert.
Der "reduzierten" Hochstud-Dachkonstruktion nach zu schliessen, dürfte das Haus um 1800 entstanden sein; hingegen weist die funktionsbetonte Fensteranordnung der Stubenfront eher noch ins 18. Jh. Im ersten verfügbaren Brandkataster von 1850 wird das Gebäude als "Wohnhaus und Scheune, 2 Stockwerke, von Mauer und Holz, 2 Tremkeller, angebauter doppelter Schweinescheuer von Holz" beschrieben [2]. Damaliger Eigentümer war David Wyss. 1874 ging die Liegenschaft an Jakob Wyss und 1911 an Friedrich Wyss, Fabrikarbeiter, über. 1940 gelangte sie an Otto Moser-Wyss und später an Johann Meier.
Eine vom Zofinger Kunstmaler Othmar Döbeli zu Beginn des 20. Jh. angefertigte Zeichnung der Baugruppe beim Grabenweiher zeigt das Haus noch in seinem ursprünglichen Erscheinungsbild mit tief heruntergezogenem Strohdach [3]. Gemäss Brandkataster fand die Umdeckung auf Ziegel 1914 statt. In der Folge hat man am Scheunentrakt Teile der Holzkonstruktion durch Mauerwerk ersetzt, wogegen der Wohnteil seine bauzeitliche Ausprägung vollumfänglich bewahrt hat.
Beschreibung:Das Bauernhaus liegt im dreiseitig von Wald umgebenen Ortsteil Graben, westlich des Dorfzentrums. Mit seinem steilen, weit heruntergezogenen Vollwalmdach ist es unschwer als ehemaliges Strohdachhaus zu erkennen. Abgesehen vom teilweise ummauerten Scheunentrakt ist das Gebäude vollständig in der ursprünglichen Ständerbauweise erhalten. Vermutlich im späteren 19.Jh. vergrösserte man den Wohnteil im Erdgeschoss stirnseitig nach Westen, wobei die Erweiterung noch in der althergebrachten Ständerbautechnik vorgenommen wurde.
Der bäuerliche Vielzweckbau ist in der Nutzungsabfolge Wohnteil, Tenn und Stall (Mittertennhaus) konzipiert. Von besonderer baugeschichtlicher Bedeutung ist der weitgehend im Originalzustand erhaltene Wohnteil. Über einem niedrigen, gemörtelten Mauersockel ist ein kräftiger Schwellenkranz mit durchgezapften Schwellenschlössern verlegt. Darin eingelassen ist das zweigeschossig hochgeführte Ständergerüst, welches durch Geschossrähme sowie einen Kranz von Bundbalken zusammengehalten wird. Zierbeschnitzte Büge und verblattete Kopfhölzer dienen zur Aussteifung des Gefüges, die Wandfüllungen bestehen aus liegend eingenuteten Bohlen. Als bemerkenswerte Eigenschaft bewahrt die nach Südosten gerichtete Stubenfront die bauzeitliche Reihenbefensterung mit hübsch profilierten Fensterpfosten. Ein üppiges Profil zeigen auch die durchlaufenden Brustriegel am Erdgeschoss und am Obergaden, wo kleinformatigere Fenster mit originalen Holzsprossen und Schiebeflügel für eine spärliche Belichtung der Schlafkammern sorgen. Beide Tenneinfahrten bewahren die mit Holznägeln zusammengehaltenen hölzernen Torflügel.
Über den gesamten Baukörper erstreckt sich die im Originalzustand erhaltene Dachkonstruktion, deren durchgehende Rauchschwärze auf die frühere Existenz einer zweigeschossig offenen Rauchküche ohne Kaminabzug schliessen lässt [4]. Abweichend von der klassischen Hochstudkonstruktion mit durchlaufenden Firstständern sind die Mittelstützen hier zu kleinen Firstsäulen reduziert. Diese werden durch kräftige, am Fussende in den Spannbaum eingelassene Dreieckstreben gestützt und sind auf dazwischengespannte Querriegel (Hahnenbalken) gestellt. Mit Firstpfette, Unterfirst, längsversteifenden Windstreben und der fächerförmigen Rafenlage weist das Dachgefüge gleichwohl charakteristische Elemente der herkömmlichen Hochkonstruktion auf. Offenbar gelangte diese eigenwillig reduzierte Form der Hochstudkonstruktion vornehmlich bei kleinformatigen Strohdachhäusern aus der Zeit um 1800, also in einer Spätphase der Strohdachhäuser, zur Anwendung [5].
Das Hausinnere zeigt eine gängige Viererteilung mit Stube und Nebenstube im strassenseitigen, nach Südosten gerichteten Vorderhaus sowie Küche und anschliessender Kammer im Hinterhaus. Wie in kleinräumigen Verhältnissen durchaus üblich, führt der rückwärtig gelegene Hauseingang unmittelbar in die Küche. Von hier gelangt man über eine Stiege ins Obergeschoss, dessen Räume grösstenteils im Rohzustand mit gekalkten Bretterwänden und einfachen Balkendecken belassen sind. Dazu haben sich hier die originalen kleinteiligen Sprossenfenster mit Schiebeflügeln erhalten. Ein rückwärtiger Aussenzugang in den Obergaden wird nicht mehr benutzt. Die erdgeschossigen Räume sind mit jüngeren Täferungen versehen; sie enthalten keine nennenswerte historische Ausstattung mehr (Inneres gemäss Kurzinventar 1997).
Unter dem Wohnteil erstreckt sich ein L-förmiger Keller, dessen gemörteltes Mauerwerk teilweise durch Betonfundamente ersetzt ist. Angeblich wurde er früher als Webkeller genutzt; der Zugang und die mit Brettläden verschliessbaren Lichtöffnungen befinden an der strassenseigen Stubenfront. Strassenseitig ist ein grosszügiger Bauerngarten mit jüngerer Kunststein-Einfassung vorgelagert.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Zur Besiedlung des Grabens vgl. Buchmüller/Lerch-Baumgartner 2007, S. 186-189.
[2] Staatsarchiv Aargau; CA.0001/0913-0916, Brandkataster Gemeinde Brittnau, 1850-1937.
[3] Der Zofinger Landschafts- und Portraitmaler Johann Othmar Döbeli (1874-1922) hat sich durch romantische Landschaftsbilder mit detailgetreu dargestellten Strohdachhäusern hervorgetan. Zum Werk von Othmar Döbeli siehe www.sikart.ch.
[4] Ein ungefähr gleichaltriges, heute umgebautes Kleinbauernhaus mit noch bestehender offener Rauchküche befindet sich in der Gemeinde Murgenthal, Ortsteil Riken (Bauinventarobjekt MUT906; vgl. Räber 2002, S. 309-313).
[5] Praktisch identisch sind die rauchgeschwärzten Dachkonstruktionen im sogenannten "Webhaus" an der Mättenwilerstrasse 3, im Bauernhaus Liebigen 298 (Bauinventarobjekt BRI942) und im Kleinbauernhaus Schürbergstrasse 9 (Bauinventarobjekt BRI951) ausgebildet. Weitere Beispiele finden sich in den umliegenden Gemeinden Strengelbach, Bauernhaus St. Ulrich (Bauinventarobjekt STR913) und Murgenthal, Bauernhaus in Riken (Bauinventarobjekt MUT906; vgl. Räber 2002, S. 104-105).
Literatur:- Kurt Buchmüller/Christian Lerch-Baumgartner, Brittnauer Dorfgeschichte im Blickpunkt von einst und jetzt, Brittnau 2007.
- Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 2: Fricktal und Berner Aargau, Baden 2002, Abb. 509.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau; CA.0001/0913-0916, Brandkataster Gemeinde Brittnau, 1850-1937.
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=31668
 

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