INV-LEN924 Fabrikgebäude Bahnhofstrasse 19, 1903-1904 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-LEN924
Signatur Archivplan:LEN924
Titel:Fabrikgebäude Bahnhofstrasse 19
Bezirk:Lenzburg
Gemeinde:Lenzburg
Ortsteil / Weiler / Flurname:Bahnhof
Hist. Name Objekt:Schuhwaren-Versandt Hirt
Adresse:Bahnhofstrasse 19
Versicherungs-Nr.:813
Parzellen-Nr.:513
Koordinate E:2655534
Koordinate N:1249003

Chronologie

Entstehungszeitraum:1903 - 1904
Grundlage Datierung:Literatur; Brandkataster

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Fabrikgebäude, Manufakturgebäude
Epoche / Baustil (Stufe 3):Historismus

Dokumentation

Autorschaft:Architekt Hermann Siegrist (sen., 1868-1937), Architekt, Winterthur; Max Fischer, Baumeister, Lenzburg (Erweiterung 1911)
Würdigung:1903/04 oder 1908 für den Schuhwarenversand Rudolf Hirt erbautes Fabrikgebäude, das heute als Schulhaus für die Rudolf Steiner-Schule dient. Der späthistoristische Sichtbacksteinbau, dessen Fassaden vom charakteristischen Farbwechsel zwischen roten und gelben Backsteinen belebt sind, teilt sich in einen viergeschossigen Eckbau mit geschweift übergiebeltem Mittelrisalit und einen breitgelagerten, dreigeschossigen Flachdachtrakt. Er ist abgesehen vom nachträglich angebrachten Verputz der Süd- und Westfassade äusserlich weitgehend intakt erhalten, während das Innere unter Erhaltung der Grundstruktur für die Bedürfnisse der Schule umgebaut ist. In seiner typologisch sehr durchmischten Umgebung, die auf der einen Seite die alte sowie die neue katholische Kirche (Bauinventarobjekte LEN921/922), auf der anderen die Villa von „Hero“-Direktor Wälli (Bauinventarobjekt LEN923) umfasst, dokumentiert das markante Gebäude die Entwicklungsdynamik eines wachsenden Stadtquartiers um 1900. Als Sitz eines damals wirtschaftlich neuartigen Versandhauses kommt ihm zudem gewerbegeschichtlicher Zeugenwert zu.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das Fabrikgebäude, das ursprünglich den „Schuhwaren-Versandt“ von Rudolf Hirt beherbergte, wurde gemäss persönlichen Aufzeichnungen 1903/04 nach Plänen von Architekt Hermann Siegrist in Winterthur durch das Lenzburger Baugeschäft Max Fischer erbaut; gemäss Angabe im Brandkataster ist das Gebäude hingegen erst 1908 entstanden [1]. Hirt, der mit seinem Versandhandel die Möglichkeiten der damals einsetzenden industriellen Schuhproduktion nutzte, hatte sein Geschäft mit einem 1891 an der Rathausgasse eingerichteten Laden sowie einem zunächst kleinen Fabrikationslokal und Magazin begonnen (vgl. Bilddokumentation). Bald erreichte er so einen geschäftlichen Erfolg, der ihm 1902 den Kauf und Umbau eines stattlichen Wohnhauses an der Schützenmattstrasse (Bauinventarobjekt LEN903A) und wenig später den Neubau des hier beschriebenen Geschäftshauses ermöglichte. Im Erdgeschoss waren 28 Schuhmacher in der Reparaturwerkstatt tätig; die Obergeschosse dienten als Lagerräume für die aus grösseren Fabriken bezogenen Schuhe sowie als Büros [2]. 1911 wurde das Gebäude durch das Baugeschäft Max Fischer auf der Ostseite verlängert [3].
1954 erfolgte ein Ladenumbau im Erdgeschoss, 1958 ein kleiner Anbau an der Westseite, beide für Hans Werder, der im Gebäude einen Handel mit Radio- und Fernsehgeräten betrieb [4]. Später wurde die Liegenschaft von der Firma Hitachi als Geschäftshaus genutzt. 2003/04 erfolgte ein durchgreifender Umbau zu einem Schulhaus für die Rudolf Steiner-Schule, wobei die bestehenden Geschossdecken unter neuen Oberflächen erhalten blieben, die Raumstruktur hingegen nach den Bedürfnissen der Schule verändert wurde. Die Strassenfassade wurde sorgfältig instandgestellt und im Bereich des ehem. Ladenlokals rekonstruiert. 2014 erfolgte eine Erweiterung der Schule mit einem Neubau auf der Südseite.
Beschreibung:Das Fabrikgebäude ist unmittelbar östlich der alten und neuen katholischen Kirche (Bauinventarobjekte LEN921/922) sowie des Pfarreizentrums längs an die Bahnhofstrasse gestellt; weiter altstadtwärts folgt die Villa von „Hero“-Direktor Wälli (Bauinventarobjekt LEN923), womit auf kurzer Strecke eine im Verlauf weniger Jahre entstandene Bebauung festzustellen ist, die gerade mit ihrer Heterogenität für eine kleinstädtische Bahnhofstrasse in der Zeit um 1900 sehr typisch ist. Das späthistoristische Fabrikgebäude besteht aus einem viergeschossigen Wohn- und Geschäftshaus mit Walmdach und einem ostseitig daran angeschobenen dreigeschossigen Flachdachtrakt, der wenig später in identischen Formen um vier Achsen nach Osten verlängert wurde. Beide Gebäudeteile sind über einem Haustein-Sockelgeschoss in Sichtbacksteinmauerwerk aufgeführt, wobei das gelbe und rote Ziegelmaterial in zeittypischer Weise zur Gliederung der Baukörper dekorativ eingesetzt ist. Das aus grob bossierten Muschelkalkquadern bestehende Erdgeschoss setzt über einer mit Granitplatten abgedeckten Sockelpartie an und ist mit stichbogigen Kunststein-Fenstergewänden versehen. Beim viergeschossigen Hochbau überwiegen die vertikalen Akzente, indem rote Backsteinlisenen die Kanten des Hauskörpers und des von einem geschweiften Giebel überhöhten Mittelrisalits fassen. Das erste und zweite Obergeschoss zeigen Rechtecklichter zwischen markant gestalteten, durchgehenden Sohlbänken und Fensterstürzen. Das oberste Geschoss, augenscheinlich als Wohnetage gedacht, ist mit Stichbogenlichtern bestückt und verfügt über einen mittelachsigen Balkon auf kannelierten Konsolen.
Der Flachdachtrakt wird durch rote Ziegelbänder auf Höhe der Fensterbänke und der Bogenanfänger in der Waagerechten betont. Er zählte in der ursprünglichen Ausdehnung zur Strasse hin sechs Fensterachsen und verfügte in die Mitte über ein breites Stichbogenportal, wie dies auch beim Hochbau der Fall ist. Die Erweiterung von 1911 umfasst zusätzlich vier Fensterachsen in gleicher formaler Ausprägung. Beim Umbau von 2003 wurde der nachträglich umgestaltete Bereich der Erdgeschossfront ohne den ursprünglich vorhandenen Eingang rekonstruiert.
Die analog gegliederten Süd- und Westfassaden wurden nachträglich verputzt. Vor der Westfassade liegt ein kleiner, zweigeschossiger Flachdachanbau von 1958 (nicht Bestandteil des Schutzumfangs). Auf der Südseite des Gebäudes erhebt sich ein polygonal geformter Erweiterungsbau von 2014, der im Inneren unterirdisch mit dem ehemaligen Fabrikgebäude verbunden ist, oberirdisch aber nur mit einer überdachten Pausenhalle an dieses stösst (nicht Teil des Schutzumfangs).
Im Inneren war der dreigeschossige Flachdachtrakt mit einem Stützenskelett aus Mauerpfeilern im Erdgeschoss und Gusseisensäulen im Obergeschoss sowie Eisenbalkendecken konstruiert (gemäss Bauplänen 1911). Heute entsprechen in beiden Gebäudetrakten noch die tragenden Wände und die allerdings verkleideten Geschossdecken dem ursprünglichen Zustand. Im übrigen ist die Raumstruktur mit dem Einbau von Schulzimmern und Mehrzwecksaal im Flachdachtrakt und kleineren Räumen im Hochbau verändert (Inneres nicht gesehen; Beschreibung nach Umbauplänen).
Erwähnung in anderen Inventaren:- Stadt Lenzburg. Inventar der kommunal schutzwürdigen Gebäude, 1997 (BNO 1997, Anhang 1, Inventarliste), Nr. 8.
- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Baugeschichte nach AZ 2004 (Heiner Halder nach Aufzeichnungen von Martin Bertschinger sen.). Staatsarchiv Aargau, ZwA 1940.0007/4463, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1829-1850; CA.0001/0413-0417, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1850-1938. Eine Aufnahme des Gebäudes kurz nach Fertigstellung wird mit 1906 datiert (Liebes altes Lenzburg 1986, S. 157). Zu Hermann Siegrist (sen., 1868-1937) vgl. INSA. Inventar der neueren Schweizer Architektur. 1850-1920, Bd. 11: Register, Zürich 2004, S. 262, mit Hinweisen auf Bauten in Winterthur.
[2] Vgl. AZ 2004 sowie VAMUS, Datenbank Industriekultur: http://www.vamus.ch/industriekultur/index.cfm, Art. ‚Hirt Rudolf, Schuhwarenversandtgeschäft‘ (Zugriff 20.7.2017); dort auch Abbildung eines Briefkopfs von 1905 mit Darstellungen des Ladenlokals, der Villa und des ersten Fabrikationsgebäudes, wohl einer umgebauten alten Scheune.
[3] Baupläne für den Anbau im Baugesuchsarchiv.
[4] Umbaupläne im Baugesuchsarchiv.
[5] AZ 2003; AZ 2004: Umbaupläne im Baugesuchsarchiv.
Literatur:- Aargauer Zeitung (AZ), 13.6.2003, 23.7.2004.
- Liebes altes Lenzburg, Fotos von anno dazumal, hrsg. von der Ortsbürger-Kommission Lenzburg und der Stiftung Pro Museum Burghalde Lenzburg, Lenzburg 1986, S. 157 (histor. Aufnahme).
- 25 Jahre Diskussionszirkel. Festgabe anlässlich des fünfundzwanzigjährigen Bestehens des Diskussionszirkels, [Lenzburg 1951], Abb. 11 (histor. Aufnahme).
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, ZwA 1940.0007/4463, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1829-1850; CA.0001/0413-0417, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1850-1938.
- Stadt Lenzburg, Baugesuchsarchiv: Erweiterung 1911; Umbauten 1953/54, 1958, 2003/04.
 

URL for this unit of description

URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=39450
 

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