Ansichtsbild: |
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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 1882 - 1883 |
Grundlage Datierung: | Schriftliche Quelle |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Teil einer Baugruppe |
Weitere Teile der Baugruppe: | Hellmühle (kantonales Denkmalschutzobjekt MWI007), Villa Fischer (Bauinventarobjekt MWI910) |
Nutzung (Stufe 1): | Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Mühle |
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Dokumentation |
Würdigung: | Mächtiger Mühlenbau mit ungewöhnlichem Grundriss und originellem Dachaufbau, der 1882-83 und 1911-13 in zwei Etappen entstand. Das Gebäude zeichnet sich durch eine für Industrie- und Gewerbebauten überdurchschnittlich differenzierte und sorgfältige Gestaltung der Fassaden und Dächer aus und überzeugt durch geschicktes Kombinieren von historistischen Elementen und Heimatstileinflüssen. Die äusserlich intakte Gebäudehülle, die im Innern eine hochmoderne Hartweizenmühle birgt, bildet das Bindeglied zwischen der weiter östlich stehenden alten Mühle von 1690 (kantonales Denkmalschutzobjekt MWI007) und der im Westen anschliessenden Doppelsiloanlage, dem ersten modernen Silobau im Kanton Aargau. Der markante, von der Eisenbahnlinie aus gut einsehbare Gebäudekomplex ist wesentlicher Bestandteil des lokalgeschichtlich wichtigen Mühlenensembles und darüber hinaus prägendes Element des historischen Ortskerns von Wildegg. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Die urkundlich erstmals 1415 erwähnte Hellmühle wurde 1572 von Christoph II. Effinger gekauft. Das älteste noch bestehende Mühlengebäude (kantonales Denkmalschutzobjekt MWI007) datiert aus dem Jahr 1690. Von 1819 an bis 1932 waren fünf Generationen der Familie Fischer im Besitz der Hellmühle. Ab 1872 wurde die Lohnmüllerei allmählich durch die Handelsmüllerei abgelöst, welche gegen Ende des 19. Jh. einen derartigen Aufschwung nahm, dass 1882-83 ein Neubau erstellt werden musste [1]. Unter den Gebrüdern Fischer entstand zunächst der östliche giebelständige Kopfbau mit 15,1 und 21,9 Metern Seitenlänge und 12,6 Metern Höhe, welcher nach dem Ausbau 1883 auf 78‘850 Franken geschätzt wurde. 1889 übernahm Albrecht Fischer den ganzen Betrieb und liess vier Jahre später am Gebäude einen Anbau mit Petrolmotor anbringen. Der rechtwinklig dazu erstellte Gebäudeteil mit Mansarddach, mit dem der Bau von 1882-83 zu einem über 30 Meter langen Komplex anwuchs, dürfte zwischen 1911 und 1913 unter Otto Fischer, Albrechts Nachfolger, entstanden sein. In diesem Zeitraum ist eine markante Erhöhung des Versicherungswertes von 87‘000 auf 264‘400 Franken verzeichnet. Bereits 1903-05 hatte Otto Fischer für sich und seine Frau Margrith im Süden des Areals eine Villa (Bauinventarobjekt MWI910) errichten lassen. 1928 kam - wiederum westseitig - eine vom Lenzburger Architekten Richard Hächler projektierte Beton-Hochsiloanlage hinzu. Diese wurde 1930 im Brandkataster eingetragen und auf 100'000 Franken geschätzt. Bauherr war Otto Fischer [2]. Nachdem der Betrieb 1932 in die Firma "Hellmühle Wildegg A.G." überführt worden war, erfolgte 1937 die Erweiterung zur Doppelsiloanlage [3]. 1939 installierte man eine vertikale Kaplanturbine zur Nutzung der Wasserkraft. Seit 1985 wird der Komplex von der JOWA (Migros-Genossenschaft) betrieben und enthält eine hochautomatisierte Hartweizenmühle mit architektonisch interessantem, modernem Geleisanschluss. Aus betriebstechnischen Gründen muss die Siloanlage heute durch eine Verkleidung vor Witterungseinflüssen geschützt werden, wodurch sie ihre einstige monumentale Wirkung stark eingebüsst hat. |
Beschreibung: | Der hinter der alten Hellmühle von 1690 (kantonales Denkmalschutzobjekt MWI007) an einem bei der Bünzbrücke abgezweigten Kanal erstellte Mühlenneubau von 1882-83/1911-13 ist ein mächtiger Kreuzgiebelbau über T-förmigem Grundriss, dessen etappierte Entstehung insbesondere in der originellen Dachgestaltung zum Ausdruck kommt. Der ältere giebelständige Kopfbau trägt ein basilikal gestuftes Satteldach, wie es an aufwändigeren Industrie- und Gewerbebauten des 19. Jh. zur Belichtung des Dachraums öfters vorzufinden ist [4]. Der rechtwinklig dazu erstellte Längsbau von 1911-13 fügt sich mit einem für die damalige Architektursprache typischen Mansarddach an, welches ebenfalls den Einsatz von stehenden Dachfenstern erlaubte und mit seinem First jenen des Kopfbaus leicht überragt. An der Schnittstelle vermittelt ein gedrungener Dachreiter mit geschweiftem Helm, der von einer Wetterfahne bekrönt wird und an den Ecken noch die drachenköpfigen Wasserspeier aus der Bauzeit besitzt. Kleine Schleppgauben beleben die obere Dachfläche. Beiden Gebäudeteilen gemeinsam sind die streng achsensymmetrische Gliederung der verputzten Fassaden und die durchlaufenden Geschosshöhen, wobei der Kopfbau zweigeschossig, der Längsbau dreigeschossig ausgebildet ist. Aufgrund des Gefälles tritt das hohe Kellergeschoss im westlichen Teil stärker zutage. Stilistische Unterschiede sind in der sorgfältigen Detailgestaltung der Fassaden auszumachen. Der Bau von 1882-83 variiert mit dreiteiligen Staffelfenstern im Giebelfeld, Zwillings- und Stichbogenlichtern historisierende Formen. Der Bauschmuck besteht aus hölzernem Zierwerk, dicht bestückten Konsolenfriesen, welche die Traufseiten und Gebäudeecken säumen, sowie aus bauchigen Säulen, die zwischen die Pfetten gespannt stirnseitige Abschlüsse bilden. Demgegenüber ist der Erweiterungsbau von 1911-13 ausnahmslos mit einfachen Rechteckfenstern ausgestattet, die im 2. Obergeschoss über ein durchlaufendes Sohlbankgesims miteinander verbunden sind. Eine zusätzliche Gliederung erfährt die Fassade unterhalb des Gesimses durch fein gestufte Putzlisenen zwischen den Fensterachsen. Der in der Mittelachse des Kopfbaus angelegte breite Haupteingang ist über eine doppelläufige Treppe erschlossen. Dieser ist wie die ganze Hofseite durch ein nachträglich über dem Erdgeschoss angebrachtes Vordach mit Abfüllanlagen geschützt. Auf der Rückseite des Kopfbaus befindet sich ein eingeschossiger Flachdachanbau, bei dem es sich um das ehemalige Radhaus handelt. |
Erwähnung in anderen Inventaren: | - Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung. |
Anmerkungen: | [1] Möriken-Wildegg 1992, S. 33-34, 63. [2] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0423-25, 1850-1938, Brandkataster Möriken-Wildegg. [3] Eigentümlicherweise nicht im Brandkataster von 1899-1938 verzeichnet. [4] Weitere Beispiele, die diese Dachform zeigen, sind die 1826 erbaute Baumwollspinnerei an der Egliswilerstrasse 7 in Seon (Bauinventarobjekt SEO926) und die Alte Spinnerei von 1861 in Rupperswil (kantonales Denkmalschutzobjekt RUP006). |
Literatur: | - Chronik von Möriken-Wildegg, Möriken-Wildegg 1992, S. 33-34, 63. - Aargauer Klassizismus - Provinzarchitektur im besten Sinne, in: Aargauer Tagblatt, 22. April 1986, S. 3-4 (Abb. Siloanlage). |
Quellen: | - Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0423-25, 1850-1938, Brandkataster Möriken-Wildegg. |
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URL for this unit of description |
URL: | http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=43164 |
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