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Archäologische Sammlung

Ein skandinavischer Krieger aus Vindonissa

Schrägansicht des vergoldeten Beschlages, auf dem ein Krieger mit Tiermaske abgebildet ist.

Der Spruch "Kämpfen wie ein Berserker" ist sicher jedem schon einmal begegnet. Doch was genau versteht man unter einem Berserker? Ein ungewöhnlicher Fund aus Vindonissa hält eine Antwort parat und führt uns bis nach Skandinavien.

Unter den Altfunden von Vindonissa, ausgestellt im Vindonissa Museum, findet sich ein feuervergoldeter Bronzebeschlag, der eine menschliche Figur mit Hundemaske zeigt. Die Fundumstände sind unklar. Auf der Inventarkarte steht, dass der Beschlag bei landwirtschaftlichen Arbeiten auf dem Areal von Königsfelden gefunden worden sei. Archäologen datierten das Stück ins Frühmittelalter, genauer ins 7. Jahrhundert. Vermutlich gehörte es zu einem Zaumgeschirr eines Pferdes. Was es aber mit der Darstellung auf diesem Fund auf sich hat, war lange Zeit unklar, bis ein Forscher die Abbildung anhand von Quellen aus Skandinavien deuten konnte.

Ein hundsköpfiger Krieger

Vorderseite des Beschlags mit einem Krieger im Ausfallschritt, der eine Tiermaske mit Kopfschweif trägt.
Foto Kantonsarchäologie, © Kanton Aargau

Die abgebildete Hundemaske weist darauf hin, dass es sich bei der Figur um einen sogenannten Berserker handelt. Diese nordgermanischen Maskenkrieger gehörten zur engen Gefolgschaft eines Königs und waren dafür bekannt, bis zur Ekstase zu kämpfen. Dabei spielte die autosuggestive Wirkung der Hundemaske eine tragende Rolle. Mit dem Überstreifen der Tiermaske glaubten die Krieger sich im Besitz der Fähigkeiten und Kräfte des Tieres. Dadurch gestärkt kämpften die Krieger umso besessener.

Die Existenz dieser Maskenkrieger ist durch zahlreiche schriftliche und bildliche Quellen aus Skandinavien sowie wenige Funde belegt. Ein Maskenfragment aus Filz in Form eines Hundekopfs stammt aus dem Hafen von Haithabu, einer Wikingerstadt in Norddeutschland. Schriftlich sind hundsköpfige Krieger zu finden in Gelehrtenschriften und Schlachtenerzählungen des 9. bis 11. Jahrhunderts. Abbildungen von Maskenkriegern sind auf einem der Goldhörner von Gallehus in Dänemark und auf dem Runenstein von Kalleby in Schweden zu finden. Der Stein zeigt eine Figur mit Hundemaske, die einen ähnlichen Schritt ausführt, wie jene auf dem Bronzebeschlag von Vindonissa.

Waffentanz oder Kniefall

Tatsächlich stellt sich die Frage, was genau auf dem Beschlag abgebildet ist. Ein Maskenkrieger, also ein Berserker, ist wahrscheinlich, doch welche Bewegung, welche Pose führt er aus? Denkbar ist zum einen, dass ein ritueller Tanz dargestellt wird. Sogenannte Waffentänze sind in der Literatur gut belegt. Auch Abbildungen von Waffenträgern, die möglicherweise Tanzschritte ausführen – mit unterschiedlichen Beinstellungen – sind häufig belegt. Möglich ist aber auch, dass es sich bei dem Bronzebeschlag um die Darstellung eines Kniefalls handelt. Dabei wäre eine Waffenübergabe oder Aufnahmezeremonie in die Gefolgschaft eines Königs ein möglicher Kontext. Es ist denkbar, dass ein oder mehrere Gegenstücke zu dem Bronzebeschlag auf dem Pferdegeschirr diese Szene vervollständigt haben.

Ein Souvenir aus Skandinavien

Schrägansicht des vergoldeten Beschlages, auf dem ein Krieger mit Tiermaske abgebildet ist.
Foto Kantonsarchäologie, © Kanton Aargau

Unklar bleibt, wie das Objekt nach Vindonissa kam. Da es sich um ein Einzelstück handelt, ist davon auszugehen, dass es schlicht verloren ging. Darauf deutet auch eine Beschädigung am oberen Rand des Fundes hin. Möglicherweise hat ein Besucher, vielleicht sogar aus dem fernen Skandinavien, den Beschlag hier verloren. Als Besitzer kommt aber ebenso ein reicher Bewohner aus Vindonissa in Frage, der ein wertvolles Pferdegeschirr geschenkt bekam oder selber mitbrachte. Das zeigt, dass Vindonissa um 700 n. Chr. eine nicht unbedeutende Siedlung gewesen sein muss. Davon ist der Berserker aus Skandinavien ein besonderes und einzigartiges Zeugnis.