Inmitten der Koloniestadt
Im Vorfeld einer grossen Überbauung in Kaiseraugst führt die Kantonsarchäologie eine Rettungsgrabung durch. Das Bauareal in der "Schürmatt" liegt inmitten der Unterstadt der römischen Koloniestadt Augusta Raurica und der Vorstadt des spätantiken Kastells Kaiseraugst.
In der "Schürmatt" sind Anfang Mai 2024 die Bagger aufgefahren. Eine rund 2000 Quadratmeter grosse Fläche ist für die archäologische Rettungsgrabung abhumusiert worden. In den folgenden Monaten dokumentiert ein Grabungsteam der Kantonsarchäologie die archäologischen Strukturen und sichert die Funde. An dieser Stelle werden dereinst drei Mehrfamilienhäuser mit Tiefgarage und Unterkellerung gebaut, wodurch die archäologischen Hinterlassenschaften endgültig zerstört werden.
Fast ungestörte Schichten
Der Bauperimeter liegt ausserhalb des alten Dorfkerns von Kaiseraugst und tangiert die Unterstadt der römischen Koloniestadt Augusta Raurica und nachmalige Vorstadt des spätantiken Kastells. Da die betroffenen Parzellen seit der Antike unbebaut und lediglich landwirtschaftlich genutzt worden sind, ist davon auszugehen, dass die archäologischen Hinterlassenschaften hier weitestgehend ungestört sind. Auf den Nachbarparzellen fanden in den Jahren 2002 und 2003 Ausgrabungen statt, bei denen zahlreiche Baubefunde der römischen Nordwestunterstadt dokumentiert wurden. Besonders zu erwähnen sind dabei zwei sehr gut erhaltene römische Steinkeller. Viele spätrömische Funde und Befunde legen zudem eine Besiedlung im Kontext der spätantiken Kastellvorstadt nahe. Eher überraschend war der Nachweis von Gruben aus der Bronzezeit, die eine Besiedlung bereits in dieser Zeit belegen.
Bei der archäologischen Begleitung von Werkleitungsarbeiten im Jahr 2018 konnte im Strassenbereich die römische sogenannte Ärztestrasse mit der anstossenden mittelkaiserzeitlichen Bebauung dokumentiert werden. In der Folge hat die Kantonsarchäologie schon 2019 zwei der drei Bauparzellen mit geophysikalischen Methoden – Geoelektrik und Geomagnetik – untersucht. Diese nicht invasiven Methoden ermöglichen einen Einblick ins Erdreich ohne Bodeneingriff. Später erfolgten in den Jahren 2021 und 2023 auf beiden Parzellen Sondierungen. Sie zeigten, dass zwar bereits in der Antike Bodenabträge die archäologischen Schichten beeinträchtigten, jedoch die Befunderhaltung im Allgemeinen sehr gut ist und sich insbesondere eingetiefte Befunde wie Keller und Gruben sehr gut erhalten haben. So ist im ganzen Bauperimeter mit archäologischen Schichten von einem Meter Mächtigkeit zu rechnen.
Mehrmonatige Rettungsgrabung
Durch das Bauvorhaben werden die archäologischen Strukturen grossflächig zerstört, weshalb die Kantonsarchäologie gemäss gesetzlichem Auftrag mit einer Rettungsgrabung die Befunde wissenschaftlich untersucht, dokumentiert und die Funde sichert. Die Ausgrabung dauert von Mai 2024 mit einer dreiwöchigen Winterpause bis voraussichtlich Ende März 2025. Im Anschluss daran erfolgt die wissenschaftliche Nachbereitung bis Ende Juni 2025. Der Baubeginn ist für Spätsommer 2025 vorgesehen. Während der Ausgrabungen werden die Resultate mit Führungen und Online-Berichterstattung zeitnah der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Einmaliger Bodeneinblick
Durch das vorliegende Bauprojekt werden drei der letzten grossen unbebauten Parzellen in Kaiseraugst überbaut. Die geplanten archäologischen Untersuchungen ermöglichen grossflächige Einblicke in einen Bereich, in dem bisher erst wenige Rettungsgrabungen stattfanden. Aus wissenschaftlicher Sicht erweitert diese Grabung auf den letzten noch unbebauten Flächen des antiken Kaiseraugst die Kenntnisse zur Entstehung und Entwicklung der Unterstadt von Augusta Raurica und der Vorstadt des castrum Rauracense in markanter Art und Weise. Damit bleibt Kaiseraugst national und auch international einer der am besten erforschten und damit wichtigsten Plätze der römischen Archäologie.