Ein unbekannter Ortsteil in Wölflinswil
In der "Steimet" in Wölflinswil begleitete die Kantonsarchäologie im Sommer 2023 die Aushubarbeiten für eine grosse Überbauung. Dabei kam ein bisher unbekannter und schon vor Jahrhunderten aufgegebener Ortsteil von Wölflinswil ans Licht.
Zuerst hielt man sie für römisch: Die Sockelmauern, die in Wölflinswil während der Aushubbegleitung zutage kamen, waren so sorgfältig gesetzt, dass zunächst nichts anderes in Betracht gezogen wurde. Erst als deutlich wurde, dass die Mauern über einem verfüllten Grubenhaus des frühen Mittelalters aus dem 7. Jahrhundert fundamentiert waren, setzte das Umdenken ein – und das Staunen. Denn die Steinstrukturen sind aus historischer Sicht spektakulär.
Eine absolute Ausnahme
Steinbauten waren in dieser Zeit, im 8. bis 10. Jahrhundert, noch die absolute Ausnahme. Selbst die frühen Kirchen waren häufig Holzbauten. In Wölflinswil wurden zwei Gebäude nacheinander errichtet. Nach dem Abbruch des älteren Baus wurde ein neuer, weniger sorgfältiger gesetzter Steinsockel errichtet und ein neues Haus darauf gestellt. Mit 11 bis 14 Meter Seitenlänge hatten beide Bauten eine stattliche Grösse. Es waren aber keine gemauerten Häuser, sondern Holzbauten, die auf einem Steinsockel sassen – ähnlich wie man es bei historischen Gebäuden in den Alpen heute noch sieht.
Diese Häuser des 8. bis 10. Jahrhunderts in Wölflinswil waren also etwas ganz Besonderes. Auch die Funde zeichnen ein Bild, das man für das finstere Mittelalter zunächst kaum erwartet. Neben Lavez, also Specksteingefässen aus Graubünden oder dem Tessin, stammt auch ein Grossteil der Koch- und Vorratstöpfe nicht aus der Region, sondern wurde vom Kaiserstuhl in Südbaden und aus dem Raum Strassburg im Elsass importiert. Eine Silbermünze und eine "burgundische" Gürtelschnalle aus Bronze komplettieren das Bild einer bedeutenden Ansiedlung mit weiträumigen Beziehungen. Ihre Bedeutung und ihre Fernbeziehungen erklären sich aus ihrer Lage am Weg zum Benkerjoch. Dieser Pass war im Mittelalter wichtiger als die Staffelegg.
Wölflinswil-Steimet war offensichtlich bereits während der Erschliessung der Region zur Merowinger- und Karolingerzeit im 8. bis 10. Jahrhundert ein bedeutender Ort. Anscheinend war das Benkerjoch bereits damals so wichtig, dass an der Route besondere Bauten errichtet wurden, sei es als Station auf dem Weg über den Jura oder als Wohnort einer lokalen Oberschicht.
Ein Dorf entsteht
Die jüngeren Strukturen, die aus dem 11. bis 12. Jahrhundert stammen, zeigen ebenfalls noch stattliche Gebäude von bis zu 11 Meter Länge. Es sind aber einfache Pfostenbauten, die sich in den üblichen Rahmen dessen einfügen, was man im Fricktal in den letzten Jahrzehnten bereits häufiger – und in einer schweizweit einmaligen Dichte – entdeckt hat.
Im 12. Jahrhundert wurden die Häuser in der Steimet aufgegeben. Wie in der gesamten Nordwestschweiz fand ein "Verdorfungsprozess" statt. Ungefähr in der Zeit der Stadtgründungen von Rheinfelden und Laufenburg wurden viele der bis dahin besiedelten Weiler aufgegeben, und man siedelte in die Stadt um oder schloss sich in Dörfern zusammen. Auch am Dorfplatz in Wölflinswil haben Ausgrabungen im Jahr 2002 gezeigt, dass dort mindestens seit dem 13. Jahrhundert gesiedelt wird.
Noch stehen die archäologischen Untersuchungen ziemlich am Anfang, aber bereits die bisherigen Entdeckungen zeigen, dass Wölflinswil bereits im Frühmittelalter und nicht erst mit der Eisenproduktion im Hochmittelalter ein wichtiger Ort war.