Hauptmenü

Zukunft bauen – Geschichte weiterbauen

Ein Bauerndorf weiterbauen

Im Obstbaumgarten in Boswil sind zwei Gebäude mit Reiheneinfamilienhäusern und ein Mehrfamilienhaus entstanden. Sie liegen zwischen der Kirche und dem alten Dorfkern, einem Ortsbild von nationaler Bedeutung. Diese selten gewordene dörfliche Wohnqualität galt es zu wahren. Statt einer Mehrfamilienhaussiedlung empfahl die Denkmalpflege daher – passend zu den feingliedrigen historischen Ortsstrukturen – Einzelbauten mit eigenständigem Charakter. Die richtigen Formen und Standorte für die Neubauten zu finden, war ein längerer Prozess, dessen Ergebnis überzeugt: Die Gebäude respektieren, ergänzen und verjüngen ihre besondere Nachbarschaft.

Siedlung Im Obstgarten in Boswil

Die Neubauten der Siedlung "Im Obstgarten" respektieren den historischen Ortskern von Boswil.
Die Anordnung und die Dimensionierung der Neubauten (links im Bild) respektieren die historischen Strukturen des Bauerndorfs mit seinem typischen Wechselspiel aus freistehenden Häusern und grosszügigen Grünflächen.
Neuinterpretation von traditionellen Materialien. Dank der hochwertigen, vertikal strukturierten Holzfassade entstand ein sichtbarer Bezug zu den alten Häusern.
Individuelle Details aus dem Themenfeld der dörflichen Architektur nehmen das Prinzip der älteren Häuser im Dorf auf. Das Mehrfamilienhaus erhielt eine Schindelfassade.

Ortsbildschutz versus Rendite: Das waren die Positionen am Anfang des Prozesses. An seinem Ende stehen drei Gebäude, die von den Alteingesessenen wie von den neuen Dorfbewohnern und schlussendlich auch von der Bauherrschaft geschätzt werden. Denn die drei Wohnhäuser im ehemaligen Obstbaumgarten wirken trotz der aktuellen Architektursprache, als wären sie mit dem Dorf gewachsen. Sie fallen nicht aus dem dörflichen Rahmen, sondern erweitern ihn auf selbstverständliche Weise.

Wie baut man ein Bauerndorf weiter, ohne seine Dimensionen zu sprengen, aber auch, ohne Bauernhäuser zu kopieren? Das herauszufinden, hiess für die Planerinnen und Planer und die Behörden zunächst einmal zu verstehen: Was macht Boswil aus und wie lässt sich diese Qualität mit heutiger Architektur, heutigen Wohnansprüchen und heutiger Grundstücksausnutzung in die Zukunft tragen? Drei Aspekte erwiesen sich für den Charakter Boswils als zentral: die Gebäudegrösse; der Freiraum um die Häuser; und die grundlegenden Gestaltungsprinzipien der Gebäude: Individuell gestaltete Einzelhäuser mit detailreichen Fassaden inmitten von Freiräumen, die aus der umgebenden Landschaft durch das Dorf hindurchzufliessen scheinen, prägen die feingliedrigen, geschützten Dorfstrukturen.

Die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Behörden könnte aus unserer Sicht noch optimiert werden. Auf das Ergebis können wir, glaube ich, stolz sein: Bauqualität, Materialien und die Abstimmung auf die historische Umgebung sind hochwertig, die Ausführung hat im Dorf zu reden gegeben, aber auch junge Familien angelockt. Das belebt die Gemeinde auf erfrischende Weise

Der Durchblick zur Kirche vermittelt ein Gefühl der Offenheit. Links das Mehrfamilienhaus, rechts eines der beiden Reiheneinfamilienhäuser.
Martin Zellweger Bauherrschaft

Dieses Prinzip wurde für die Neubauten adaptiert. Um die Dimensionen Boswils nicht zu sprengen, realisierte man drei versetzt stehende Baukörper. Die typischen Freiraumstrukturen des Dorfes zu erhalten und der Kirche den nötigen Raum zu lassen, gelang durch die geschickte Positionierung und Ausrichtung der Gebäude. Durchblicke zur Kirche und zum alten Dorfteil vermitteln ein Gefühl der Offenheit. Dank der Neuinterpretation von traditionellen Materialien, Gebäude- und Fassadenelementen entstand ein sichtbarer Bezug zu den alten Häusern. Die Reiheneinfamilienhäuser erhielten hochwertige Holzfassaden mit individuellen Details. Das Mehrfamilienhaus versahen die Architektinnen und Architekten mit einer Schindelfassade. Ihre sorgfältig gestaltete Vielfalt macht die Neubauten gerade für junge Familien attraktiv. Das Neue stärkt alte Qualitäten.

Bauen im historischen Umfeld benötigt einen ständigen Austausch mit den Projektbeteiligten. Es gilt abzuwägen: Was ist möglich, was darf entstehen, wo gibt es Grenzen und was darf nicht geschehen? Erschwerend kommt hinzu, das die Anforderungen an die Gemeindebehörden heute so vielfältig sind, dass man sich bei vielen Fragestellungen Unterstützung von Fachpersonen holen muss. Die Bebauung des Obstbaumgartens wurde von der Bauherrschaft und den Planern in Zusammenarbeit mit der Gemeinde und den dafür zuständigen Stellen in eine schöne Umgebung eingepasst. Wohnen im Grünen wurde Wirklichkeit. Durch die Nähe zu aktiven Landwirtschaftsbetrieben kann es aber auch zu Konflikten kommen. Da diese für ein intaktes Ortsbild wichtig sind, müssen die verschiedenen Interessen und das Konfliktpotential in der Nutzungsplanung und bei Baugesuchen berücksichtigt werden.

Michael Weber Gemeindeammann Boswil

Siedlung Im Obstgarten in Boswil

Baujahr 2015–2017
Nutzung Reiheneinfamilienhäuser, Mehrfamilienhaus
Realisierung Egger Architektur GmbH, Luzern
Bauherrschaft Martin Zellweger Consulting, Zug, Architektur- und Baumanagement