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Zukunft bauen – Geschichte weiterbauen

Wohnen statt spinnen

In einer Reussschlaufe in Windisch legte "Spinnerkönig" Heinrich Kunz 1827 den Grundstein seines Spinnereiimperiums. Wo um 1900 auf dem damals grössten Industrieareal der Schweiz 1500 Menschen 14 Stunden täglich arbeiteten, wird heute gewohnt und gelebt. In den grossszügigen Grundstrukturen der alten Industrieanlagen wurden innovatives Gewerbe sowie traditionelle und neue Wohnformen untergebracht – teils durch Umnutzung historischer Gebäude, teils durch gut eingebettete Neubauten. Die Spinnerei lebt wieder. Die Industrie- und Baugeschichte, die Teile des Kunz-Areals zum Kulturgut von nationaler Bedeutung gemacht hat, bleibt spürbar.

Kunz-Areal in Windisch

Spinnerei III (links) und Feinspinnerei (rechts): Der umgenutzte, erweiterte Altbau und der Neubau ergänzen sich stimmig.
Der Übergang vom Wohnraum zur Loggia ist dank der grossen Fensterfront fliessend.
Kleinere historische Gebäude relativieren die Wirkung und den Massstab der mächtigen – alten und neuen – Grossbauten. So etwa das klassizistische Wächterhaus aus der Zeit um 1830, das ab 1838 die Fabrikschule beherbergte.
In den Zwillingsbauten der alten Spinnerei auf dem Kunz-Areal in Windisch wurden zu Wohnraum umgenutzt.
Die Zwillingsbauten der alten Spinnerei wurden bereits von 2001 bis 2003 umgebaut und zu Wohnraum umgenutzt.
1960 wurde der Alten Spinnerei der heutige Businesspark Kunzwerk zur Seite gestellt, der seit seiner Umnutzung 2005 auf 3000 Quadratmetern verschiedene Büro- und Arbeitsformen ermöglicht.

Wasser, das hiess zur Industrialisierungszeit vor allem Strom. Daher siedelten sich an den Flüssen der Schweiz Grossbetriebe an. Heute sind die alten Industrieanlagen an Flussufern aus anderen Gründen begehrt: Die Ufernähe und die grossen Gebäude versprechen Lebensqualität. 2000 wurde die Baumwollspinnerei Kunz in der Reussschlaufe bei Windisch nach über 150 Jahren stillgelegt. Seit 2012 wächst dort neuer Lebensraum aus der historischen Gebäudegruppe.

Das neue Kunz-Areal hat halb so viele Einwohner wie das angrenzende Unterdorf von Windisch. Trotz dieses sprunghaften Wachstums ist keine anonyme Schlafstadt entstanden. Es ist gelungen, das aktive Quartierleben des Unterdorfs ins Kunz- Areal weiterzutragen. Zudem sorgen die Auen und das Reussbädli, die verkehrsberuhigten Aussenräume und die vielen Kinder für Leben im Areal, obwohl das Wohnen dominiert.

Architekt Samuel Flükiger findet die hohen, ungewöhnlichen Räume des ehemaligen Fabrikbaus Spinnerei III bemerkenswert. Sie eröffnen viele Gestaltungsmöglichkeiten.
Samuel Flükiger Architekt, hat ein Loft in der Spinnerei III ausgebaut

In der "Spinnerei III", einem Altbau von 1864, lebt man seit 2014 in luftigen Lofts. Kreative Käuferinnen und Käufer haben sie nach dem Umbau als Edelrohbau übernommen und selber ausgebaut. Nebenan liegt am Reussufer die "Feinspinnerei", ein Neubau mit Eigentumswohnungen. Im ebenfalls neuen "Spinnerkönig" werden familienfreundliche Mietwohnungen angeboten und im Businesspark Kunzwerk, einem umgenutzten Gewerbebau aus den 1960er Jahren, wird gearbeitet. In einem weiteren Altbau ist das "Parkhaus Heinrich" untergebracht. Über 200 Wohnungen und rund 3000 Quadratmeter Gewerbeflächen sind auf dem ehemaligen Spinnereiareal entstanden. Neubauten stehen neben sanierten, umgenutzten und teils erweiterten Baudenkmälern. Weil das grosszügige bauliche Raster und die Dimensionen des Industrieareals übernommen wurden, stören Alt und Neu sich nicht, sondern bereichern sich. Rund um die grossen Gebäude sind entsprechend grosszügige Freiräume bestehen geblieben. Zwischen alten und neuen Fassaden gibt es viel zu entdecken: Relikte der Industrienutzung, aber auch Neues, Geplantes und Zufälliges.

Die Spinnerei III von 1864 wurde von 2012 bis 2014 zu Lofts umgebaut. Die Stockwerkeigentümerinnen und -eigentümer übernahmen die Räume im Edelrohbau und bauten sie individuell aus.

Der bunte Nutzungsmix wirkt belebend. Im historischen "Diesellokal", das von Anwohnerinnen und Anwohnern betrieben und vom Vermieter gratis zur Verfügung gestellt wird, finden regelmässig Veranstaltungen und Ausstellungen statt. Im Kunzwerk gibt es flexiblen "work space" zu mieten: Platz für konventionelle und innovative Arbeitsformen. Der Aussenraum bietet vielfältige Spielräume für den Alltag. Die neuen Nutzerinnen und Nutzer füllen das Areal gemeinsam mit Leben. Und genau dieser Alltag zeigt: Hier ist es nicht nur beispielhaft gelungen, Industriedenkmäler respektvoll umzunutzen und mit hochwertiger Architektur verschiedener Epochen bis heute zu kombinieren, sondern auch, dabei verschiedene Lebens-, Arbeits- und Wohnformen zu verknüpfen.

Die Umnutzung des Areals ist von grosser Bedeutung für die Entwicklung der Gemeinde Windisch. Die Schliessung der Spinnerei, die die Gemeinde lange prägte, löste im Quartier grosse Verunsicherung aus. Umso mehr freue ich mich, dass hier ein Ort von hoher Lebensqualität entstanden ist, wo alteingesessene und zugezogene Leute am Samstagmorgen im ‹Diesellokal› Kaffee trinken, Kinder Raum zum Spielen haben und weiterhin gearbeitet wird. Der sorgfältige Umgang mit der Industriegeschichte, die hier allgegenwärtig ist, beeindruckt mich immer wieder und trägt entscheidend zur Identität der Gemeinde Windisch bei.

Rosi Magon Vizegemeindepräsidentin Windisch

Kunz-Areal in Windisch

Baujahr 1864, 1960
Nutzung Industrieensemble, Wohn- und Gewerbequartier
Renovation Umnutzungen und Neubauten 2012–2017
Realisierung Liechti Graf Zumsteg Architekten, Brugg,
mit Osterhage Riesen Architekten, Zürich
Adrian Streich Architekten AG, Zürich
Hauenstein La Roche Schedler Architekten AG, Zürich
Bauherrschaft HIAG Immobilien Schweiz AG