G2 Einkommen, Armut und soziale Unterstützung
Die Sozialhilfequote liegt im Kanton Aargau auf dem tiefsten Wert seit Einführung der Statistik. Kinder und Jugendliche machen weiterhin die grösste Gruppe der Sozialhilfeempfangenden aus. Dies erhöht deren Risiko, später selbst auf Sozialhilfe angewiesen zu sein.
Niemand soll in Armut leben. Vielmehr sollen alle Personen und Personengruppen, wie zum Beispiel Familien, über ein Einkommen verfügen, das für ihren Lebensunterhalt ausreicht. Kann dies nicht aus eigener Kraft erwirtschaftet werden, ist die Gesellschaft verpflichtet, Bedürftige zu unterstützen. Die Sozialhilfe ist ein zentrales Instrument, Armut zu bekämpfen. Sie verhindert Einkommensarmut, soziale Isolation und Perspektivenlosigkeit und erleichtert eine möglichst rasche Wiedereingliederung in die selbstständige Existenzsicherung. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen wirken sich die wirtschaftliche Lage und der soziale Status der Eltern auf das Wohlbefinden sowie die Entwicklungsperspektiven aus. Beziehen die Eltern über einen längeren Zeitraum Sozialhilfe, steigt das Risiko, dass die Kinder im Erwachsenenalter ebenfalls davon abhängig sein werden.
Indikatoren: Sozialhilfequote und Minderjährige mit sozialer Unterstützung
Der Grad an Einkommensarmut und Unterstützungsbedarf wird anhand der Sozialhilfequote gemessen. Die Sozialhilfequote soll verringert werden. Der Anteil Minderjähriger an allen Sozialhilfebeziehenden ist ein Indikator für die Zukunftsentwicklung. Er soll sinken.
Die Sozialhilfequote zeigt den Anteil der Sozialhilfebeziehenden an der ständigen Wohnbevölkerung.
Sozialhilfequote, Aargau und Schweiz, 2005 - 2022
langfristig (seit 2005) | positiv |
kurzfristig (seit 2020) | positiv |
Der Indikator zeigt den Anteil der Kinder und Jugendlichen (0–17 Jahre) an allen Sozialhilfebeziehenden.
Minderjährige mit sozialer Unterstützung, Aargau und Schweiz, 2005 - 2022
langfristig (seit 2005) | unverändert |
kurzfristig (seit 2020) | negativ |
Stand 2024
Sozialhilfequote sinkt seit fünf Jahren kontinuierlich
Der seit 2018 feststellbare sinkende Trend der Sozialhilfequote konnte beibehalten werden. Im Kanton Aargau sank die Quote seit 2018 stetig um insgesamt 0,4 %. Schweizweit war der Rückgang in derselben Zeitperiode mit 0,3 % geringer. Im Kanton Aargau kam die Sozialhilfequote 2022 auf 1,8 % zu liegen und damit auf dem tiefsten Wert seit der Einführung der Sozialhilfestatistik 2005. Die tiefere Quote ist unter anderem auf die kleinere Anzahl neu eröffneter Fälle zurückzuführen. Sie liegt unter dem gesamtschweizerischen Durchschnitt von 2,9 % (BFS 2023a). Bei den Dossiers ist in den letzten fünf Jahren ein stetiger Rückgang zu verzeichnen. Die Zahl der Dossiers sank seit 2018 um 14,4 % auf 7'890 Dossiers im Jahr 2022 (DFR 2023). Es ist davon auszugehen, dass ein Teil der armutsbetroffenen Personen keine Sozialhilfe bezieht, obwohl sie rechnerisch Anspruch darauf hätten. Die Nichtbezugsquote in der Sozialhilfe weist diesen Anteil an Personen aus. Gründe für den Nichtbezug sind vielfältig: Neben Scham, Stigmatisierung und Nichtwissen spielen insbesondere rechtliche und administrative Hürden eine Rolle. Der Kanton Aargau erhebt zurzeit keine Daten, die eine Schätzung der Nichtbezugsquote ermöglichen. Gemäss Berechnungen anderer Kantone ist der Nichtbezug insbesondere bei Haushalten unmittelbar unterhalb der Bedarfsschwelle sehr verbreitet (DGS 2024b).
Auch bei Ausländerinnen und Ausländern gehen die Sozialhilfequoten seit 2017 zurück, wobei auch hier von einer Nichtbezugsquote auszugehen ist. Dennoch ist mehr als die Hälfte (58 %) der Personen mit Anspruch auf Sozialhilfe ausländischer Nationalität. Ihr Anteil hat in den letzten zehn Jahren kontinuierlich zugenommen (2013 waren es 49 %). Personen ohne Schweizer Pass haben eine etwa vier Mal höhere Wahrscheinlichkeit, auf Sozialhilfe angewiesen zu sein, als Schweizerinnen und Schweizer (DFR 2023). Rund zwei Drittel der Privathaushalte, die Sozialhilfe beziehen, sind Einpersonenhaushalte. Von den 2022 insgesamt 1'881 Haushalten mit Kindern, die auf soziale Unterstützung angewiesen sind, betreffen 1'357 Haushalte Einelternfamilien.
Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren machen mit knapp einem Drittel mit Abstand die grösste Altersgruppe der Sozialhilfebeziehenden aus. Ihr Anteil an allen Sozialhilfebeziehenden steigt seit 2020 an, und die Werte liegen leicht über dem schweizerischen Durchschnitt. Gleichzeitig sinkt die Anzahl sozialhilfebeziehender Kinder und Jugendlicher unter 18 Jahren seit 2017 (DFR 2023). Der anteilmässige Anstieg, trotz Senkung der Anzahl, erklärt sich insbesondere anhand der insgesamt tieferen Anzahl Neueintritte in die Sozialhilfe. Bei einer tieferen Anzahl Eintritte in die Sozialhilfe steigt der relative Anteil von Personen, die längerfristig durch die Sozialhilfe unterstützt werden (zum Beispiel Kinder) (DGS 2024a).
Eine weitere von der Sozialhilfe betroffene Bevölkerungsgruppe im Kanton Aargau sind Personen ohne nachobligatorische Ausbildung. Der Anteil der 25- bis 65-Jährigen ohne nachobligatorische Ausbildung war 2022 im Kanton Aargau bei den Sozialhilfebeziehenden rund 3,3-mal grösser als in der entsprechenden Gruppe der ständigen Aargauer Wohnbevölkerung (DFR 2023).
2022 konnten 44 % der Sozialhilfedossiers nach weniger als einem Jahr wieder abgeschlossen werden. Es zeigt sich jedoch zunehmend, dass es für Langzeitbeziehende schwierig ist, einen Weg in die wirtschaftliche Selbstständigkeit zu finden. So nimmt der Anteil der Dossiers mit einer Bezugsdauer von mindestens drei Jahren laufend zu. 2022 waren es 38,9 % aller Dossiers. Allerdings war die Anzahl laufender Dossiers mit Langzeitbezug im Jahr 2017 höher als 2022, machte jedoch einen kleineren Anteil der Sozialhilfebeziehenden aus (32,5 %) (DFR 2023). Auch dies hängt mit der tieferen Anzahl Eintritte in die Sozialhilfe zusammen (DGS 2024a).
Ergänzende Informationen zur Sozialhilfequote liefert die Armutsquote. Diese gibt an, wie hoch der Anteil der Personen ist, die in einem Haushalt leben, dessen verfügbares Einkommen unter der Armutsgrenze liegt. Dabei werden auch arme Personen erfasst, die keine Sozialhilfeleistungen beziehen, obwohl sie Anspruch hätten (sogenannte "versteckte" Armut) beziehungsweise die Sozialhilfe beziehen und dennoch unter der Armutsgrenze bleiben. In der Nordwestschweiz (AG, BL, BS) lag die Armutsquote 2022 mit 9,3 % über dem Schweizer Durchschnitt von 8,2 % (BFS 2024). Zu den besonders von Armut betroffenen sozialen Gruppen zählen Personen in Einelternhaushalten, Personen mit geringer Bildung, alleinlebende Erwachsene, Personen ausländischer Nationalität sowie Personen in Haushalten ohne Erwerbstätige. Personen ab 65 Jahren sind ebenfalls öfter einkommensarm, da sie jedoch für ihre laufenden Ausgaben häufiger auf Vermögen zurückgreifen können, darf dies nur mit Vorsicht interpretiert werden (BFS 2024). 15,6 % der Bevölkerung oder mehr als jede sechste Person ist in der Schweiz 2022 von Armut bedroht. Bei Alleinerziehenden sind 25,1 % armutsgefährdet, bei kinderreichen Familien sind es 20,7 % (BFS 2024)
Neben der Armutsquote gibt die materielle und soziale Deprivation Auskunft darüber, ob Personen aus finanziellen Gründen auf wichtige Güter, Dienstleistungen und soziale Aktivitäten verzichten müssen. 2022 befanden sich 4,9 % in der Schweiz lebende Personen in einer Situation einer materiellen oder sozialen Deprivation. 2021 waren 6,4 % der in der Schweiz lebenden Kinder unter 16 Jahren von mindestens drei der insgesamt 17 Deprivationen betroffen, die für Kinder als besonders wichtig gelten (zum Beispiel passende Kleidung, ausgewogene Mahlzeiten oder Spielsachen). Solche Entbehrungen können die Chancen auf eine soziale Integration erheblich beeinträchtigen (BFS 2023c, CHSS 2024).
Herausforderungen
- Kinder und Jugendliche, die in einkommensschwachen Haushalten leben oder Sozialhilfe beziehen, weisen tendenziell ein höheres Risiko auf, im Erwachsenenleben selbst mit Arbeitslosigkeit und Armut konfrontiert zu sein (DGS 2024b, BASS 2022).
- Die unsichere Finanzierung der Altersvorsorge und die demografische Alterung stellt die Alterssicherung teilweise in Frage. Verbunden mit den steigenden Pflege- und Wohnkosten ist nicht auszuschliessen, dass die Altersarmut in Zukunft zunehmen wird (Rat für Raumordnung 2019).
- Die Anforderungen aus der Arbeitswelt und die Qualifikation der Sozialhilfebeziehenden liegen oft weit auseinander. Die Erfahrung aus der Praxis hat zudem gezeigt, dass die Arbeitsintegration von Sozialhilfebeziehenden ohne Berufsabschluss und/oder mit mangelnden Grundkompetenzen oft nicht nachhaltig gelingt. Die Unterstützung von geringqualifizierten Erwachsenen beim Erwerb und Erhalt von Grundkompetenzen sowie bei einem Berufsabschluss oder Berufswechsel im Erwachsenenalter sind deshalb zentrale Ansatzpunkte für die Reduktion des Langzeitbezugs von Sozialhilfe (DGS 2024a).
- Bei Haushalten unmittelbar unterhalb der Bedarfsschwelle ist der Nichtbezug von Sozialhilfe aufgrund der geringeren Bedarfslücke sehr verbreitet. Erwerbstätige Personen, die in einem armen Haushalt leben (sogenannte "Working Poor") verzichten besonders oft auf Sozialhilfeleistungen, obwohl sie Anspruch darauf hätten (DGS 2024b).
Verweise
Für das Thema "Einkommen, Armut und soziale Unterstützung" relevantes SDG der Agenda 2030
Das Thema "Einkommen, Armut und soziale Unterstützung" ist Teil vom Nachhaltigkeitsbericht des Kantons Aargau:
Quellen
Mitarbeit | |
---|---|
Referenzen |
|