U7 Landwirtschaft
Die Erfüllung der vielfältigen Funktionen der Landwirtschaft − von der Existenzsicherung der Betriebe, über die Nahrungsmittelproduktion bis zur ökologischen Verantwortung − bleibt im Kanton Aargau herausfordernd.
Die Land- und Ernährungswirtschaft leistet zentrale Beiträge für Mensch und Ökosystem. So trägt sie zur Versorgungssicherung, zur Entwicklung des ländlichen Raums sowie zu einer vielfältigen Kulturlandschaft bei. Grundlage für die Ernährungssicherheit ist der Erhalt des notwendigen Kulturlands und eine leistungsfähige, auf den Markt ausgerichtete Landwirtschaft. Über eine hohe Wertschöpfung in der Region ist den Betrieben ein mit anderen Branchen vergleichbares Einkommen zu ermöglichen. Darüber hinaus trägt die Landwirtschaft Mitverantwortung für Klima-, Gewässer- und Bodenschutz sowie für die Luftqualität und die Förderung der Artenvielfalt.
Um ihre vielfältigen Funktionen erfüllen zu können, muss sich die Landwirtschaft vorausschauend dem Klimawandel anpassen, die Umweltbelastung reduzieren sowie die Ressourceneffizienz steigern. Sie trägt damit zur Verringerung des ökologischen Fussabdrucks des Kantons bei. Regional produzierte Nahrungs- und Futtermittel bedeuten kürzere Transportwege und einen verminderten CO₂- Ausstoss und tragen, dank günstigen klimatischen Bedingungen hierzulande, zu einer nachhaltigeren Nutzung der Ressource Wasser bei.
Indikatoren: Biodiversitätsförder- und Fruchtfolgeflächen
Der Stand der Landwirtschaft in Bezug auf die nachhaltige Entwicklung wird anhand der Ausdehnung der Fruchtfolgeflächen und der für die Biodiversität reservierten Flächen gemessen. Die für die Ernährungssicherheit besonders wichtigen Fruchtfolgeflächen sollen konstant bleiben. Gemäss Sachplan Fruchtfolgeflächen (Überarbeitung 8. Mai 2020) hat der Bundesrat den Kanton Aargau zur Sicherung einer Fläche von 40'000 ha verpflichtet (ARE 2020). Hochwertige Biodiversitätsförderflächen, die dem Erhalt und der Förderung der Artenvielfalt dienen, sollen zunehmen.
Dargestellt sind die Biodiversitätsförderflächen (BFF) insgesamt sowie der Anteil qualitativ hochwertiger BFF.
Biodiversitätsförderflächen, Aargau, 2003 - 2023
langfristig (seit 2003) | positiv |
kurzfristig (seit 2020) | positiv |
Dargestellt sind die Fruchtfolgeflächen als nicht erneuerbare Ressource und Grundlage einer nachhaltig leistungsfähigen Land- und Ernährungswirtschaft.
Fruchtfolgeflächen, Aargau, 2003 - 2023
langfristig (seit 2003) | negativ |
kurzfristig (seit 2020) | unverändert |
Stand 2024
Fruchtfolgeflächen aktuell stabil – Zunahme naturnaher Lebensräume
2023 betrug die landwirtschaftliche Nutzfläche im Kanton Aargau 60'260 ha. Zwei Drittel davon, oder 40'477 ha, betreffen für die Produktion besonders wertvolle Fruchtfolgeflächen (FFF). Mit den geforderten 40'000 ha FFF weist der Kanton Aargau nach den Kantonen Bern, Waadt und Zürich das viertgrösste FFF-Kontigent auf (ARE 2023). Ende 2023 wird der für den Kanton Aargau verlangte Mindestumfang um 477 ha übertroffen (BVU 2023a), was als kritisch zu beurteilen ist. Die FFF haben zwischen 2003 und 2023 jährlich um durchschnittlich 19 ha abgenommen. Ein sprunghafter Verlust erfolgte durch die räumliche Festsetzung des Siedlungsgebiets im Richtplan im Jahr 2015. Seit 2016 ist eine marginale Erweiterung der FFF von 15 ha durch Auszonungen und Rekultivierungsmassnahmen in ehemaligen Materialabbaugebieten festzustellen (BVU 2023a).
Die landwirtschaftliche Nutzfläche ist Grundlage für die sichere Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und bildet das Kerngeschäft der Landwirtschaft. Der Produktionswert der Schweizer Landwirtschaft liegt nach Schätzungen des Bundesamts für Statistik 2023 bei rund 11,9 Mia. Franken (BFS 2024). Der Preiszerfall konnte mit den Direktzahlungen nur teilweise kompensiert werden, denn der Anteil der Bundesausgaben hat sich in den letzten Jahren kaum verändert. Entsprechend erzielten die Familienarbeitskräfte in der Landwirtschaft im Dreijahresmittel von 2020 bis 2022 tiefere Löhne als Arbeitnehmende im zweiten und dritten Sektor (Agroscope 2023). Aufgrund der tiefen Produzentenpreise müssen viele Bäuerinnen und Bauern ausserhalb der Produktion von Lebensmittel ein Zusatzeinkommen erwirtschaften. Diese Doppelbelastung führt zu hohen Arbeitszeiten, die für Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter mit Vollerwerbstätigkeit rund 60 Stunden ausmachen können (BFS 2021).
Die Biodiversitätsförderflächen (BFF) lagen 2023 bei 12'604 ha oder 20,9 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Seit 2020 haben die BFF um 10 % zugenommen. Der Anteil hochwertiger Ökoflächen an den BFF ist von 53 % im Jahr 2013 auf 70 % im Jahr 2023 kontinuierlich gestiegen (DFR 2024). Dazu beigetragen hat das kantonale Förderprogramm Labiola (Landwirtschaft – Biodiversität – Landschaft). Untersuchungen von Tagfalter- und Vogelarten zeigen die positive Wirkung stark vernetzter Gebiete, die einen Labiola-Flächenanteil von 25 % an der landwirtschaftlichen Nutzfläche aufweisen. Diese haben gegenüber schwach vernetzten Flächen sowie gegenüber Flächen ohne Labiola-Vereinbarung oder Flächen gänzlich ohne BFF mit Abstand den höchsten Wert in Bezug auf das Vorkommen von Tagfalter- und Vogelarten (DFR 2023b).
2023 bewirtschafteten 313 direktzahlungsberechtigte Aargauer Biobetriebe 7'754 ha beziehungsweise 13,5 % der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche. Gegenüber 2020 hat die Bio-Fläche um 1'004 ha zugenommen (Regierungsrat 2024). Schweizweit werden 18 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche von Biobetrieben bewirtschaftet (BFS 2023).
Gesamtschweizerisch ist der Absatz von in der konventionellen Landwirtschaft zugelassenen Pflanzenschutzmitteln (PSM) in den letzten fünfzehn Jahren um 31 % gesunken, Herbizide gar um 41 %, während der Absatz für den biologischen Landbau zugelassene PSM um 83 % zugenommen hat. Auch die Risiken konnten reduziert werden; dies insbesondere aufgrund des Nationalen Aktionsplans Pflanzenschutzmittel (NAP) (BLW 2024). Zur weiteren Reduktion der PSM läuft in den Kantonen Aargau, Thurgau und Zürich seit 2019 das Projekt "PFLOPF" (Pflanzenschutzoptimierung mit Precision Farming) mit dem Ziel einer Pflanzenschutzmitteleinsparung von mindestens 25 % zu erreichen (PFLOPF 2024).
Im Rahmen von Baugesuchen werden im Kanton Aargau zu erwartende Ammoniakemissionen aus der Tierhaltung geprüft und bauliche Massnahmen zu deren Reduktion verfügt. Damit kann der Stickstoffeintrag in Form von Ammoniak bei empfindlichen Ökosystemen reduziert werden. Diese Massnahmen werden noch nicht in allen Kantonen umgesetzt. Zudem wurden im Rahmen der Luftreinhalteverordnung die Schleppschlauchpflicht und Abdeckung von offenen Güllebehältern umgesetzt.
Die landwirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist massgebend von der Witterung und dem Klima abhängig. Aufgrund des Klimawandels kam es in den letzten Jahren vermehrt zu Wetterextremen wie Trockenheit und Starkniederschlägen. Gleichzeitig trägt die Landwirtschaft zu den Gesamttreibhausgasemissionen der Schweiz zum Klimawandel bei. Es handelt sich in erster Linie um die Klimagase Methan aus der Viehhaltung und Lachgas, das bei der Stickstoff-Düngung im Boden entsteht. Die Einschätzung der Klimaschädlichkeit von Wiederkäuern bedarf einer ganzheitlichen Betrachtung. Ohne Berücksichtigung der fossilen Kohlenstoffe (Mechanisierung, Transport und Energie) kann bei gleichbleibendem Tierbestand, von einem klimaneutralen Kohlenstoffkreislauf (biogener Kohlenstoffkreislauf) gesprochen werden (Agroscope 2024).
Über einen nachhaltigen Umgang mit der Ressource Boden, der Produktion von erneuerbaren Energien und einer standortangepassten Produktion leistet die Land- und Ernährungswirtschaft allerdings auch einen wichtigen Beitrag zur Lösung der Klimaproblematik.
Herausforderungen
- Der steigende Bedarf nach unbebauter Bodenfläche für Siedlungs- und Verkehrsinfrastrukturen, Naturschutzprojekte, Wasserbau- und Hochwasserschutzmassnahmen gefährdet die für die Ernährungssicherheit notwendigen landwirtschaftlichen Nutz- und Fruchtfolgeflächen. Gekoppelt mit der stetig wachsenden Bevölkerung stellt sich die Herausforderung, mit weniger Nutzflächen immer mehr Kalorien zu produzieren, ohne die Umwelt und Natur zu schädigen.
- Die Marktliberalisierung verstärkt den Druck auf eine regional und nachhaltig produzierende Landwirtschaft.
- Es gilt, raumplanerische und andere Entwicklungsmöglichkeiten der Betriebe zu fördern, die unternehmerischen Kompetenzen über eine gezielte Aus- und Weiterbildung der Betriebsleiterfamilien zu stärken und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe zu verbessern.
- Herausfordernd ist es, die notwendigen Senkung der Stickstoffeinträge für die Reduktion der Ammoniakemissionen herbeizuführen. Im Rahmen des Massnahmenplans Ammoniak sollen diese mit gezielten Massnahmen bis 2030 um 15 % gesenkt werden (BVU 2023b). Sie stehen allerdings im Zielkonflikt zum Tierwohl.
- Die Land- und Ernährungswirtschaft muss sich laufend dem Konsumverhalten und den Trends der Gesellschaft anpassen, welche hohe Ansprüche an qualitativ hochwertige, ökologisch produzierte und gleichzeitig preisgünstige Nahrungsmittel stellen. Es muss ihr gelingen, die Konsumentinnen und Konsumenten vom Mehrwert einer nachhaltigen Wertschöpfung in der Region zu überzeugen.
- Zunehmend auftretende Wetterextreme wie Trockenheit und Starkniederschläge erfordern innovative Lösungen. Dies können innovative Wassermanagementsysteme oder angepasste Bewirtschaftungsmassnahmen sein, um die Stresstoleranz der Kulturen zu erhöhen. Aber auch der Anbau neuer Kulturen kann eine Möglichkeit darstellen, sich den veränderten Umweltbedingungen anzupassen (DFR 2023a).
- Mit dem Nationalen Aktionsplan Pflanzenschutzmittel (NAP) hat sich der Bundesrat zum Ziel gesetzt, die Risiken bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln bis 2027 um 50 % zu reduzieren. Durch den steigenden Druck auf chemische Pflanzenschutzmittel und neue Schädlinge wird der Anbau diverser Ackerkulturen und Spezialkulturen zunehmend herausfordernd und in Frage gestellt (DFR 2023a).
Spotlight Klima
Der Klimawandel ist eine der wichtigsten Herausforderungen, welche ein nachhaltiges Handeln erfordern. Die Spotlights-Klima beleuchten ausgewählte Massnahmen im Zusammenhang mit dem Klimawandel aus Sicht der kantonalen Verwaltung.
Weitere Informationen zum Klimawandel
Innovative Massnahmen für eine klimaresiliente Landwirtschaft im Kanton Aargau: der Umgang mit zu viel oder zu wenig Wasser
Die Klimaveränderung stellt die Landwirtschaft vor vielfältige Herausforderungen und erfordert vermehrt Strukturverbesserungsprojekte. Wasser ist ein unverzichtbarer Produktionsfaktor. Die gegenwärtigen Klimaveränderungen führen auf den Feldern entweder zu einem Überfluss oder einem Mangel an Wasser. Jahrzehntelang war das Ziel, Wasser so schnell wie möglich von den Feldern abzuleiten, beispielsweise mittels Drainagen. Das Jahr 2024 zeigte eindrucksvoll, wie wichtig funktionierende Drainagen sind. In den letzten Jahren hingegen gab es während der Vegetationsperioden immer wieder herausfordernde und heisse Trockenphasen. Die Landwirtschaft muss sich zunehmend auf diese Wetterextreme einstellen.
Verweise
Für das Thema "Landwirtschaft" relevantes SDG der Agenda 2030
Das Thema "Landwirtschaft" ist Teil vom Nachhaltigkeitsbericht des Kantons Aargau:
Quellen
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Referenzen |
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