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G4 Sozialer Zusammenhalt

Der soziale Zusammenhalt hat diverse Facetten. Die Beteiligung der Bevölkerung an der institutionellen Freiwilligenarbeit ist in den Kantonen der Nordwestschweiz leicht gesunken. Die Zufriedenheit der Wohnbevölkerung mit den persönlichen Beziehungen ist weiterhin auf einem hohen Niveau. Einsamkeitsgefühle sind vor allem für jüngere Personen belastend.

Ein Gefühl der Verbundenheit mit den Mitmenschen und solidarisches Handeln der einzelnen Gesell­schaftsmitglieder sind wesentliche Faktoren für den sozialen Zusammenhalt und das Funktionieren einer Gesellschaft insgesamt. Sozialer Zusammenhalt bedingt eine Teilhabe aller sozialen Gruppen am wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Leben aber auch einen Austausch innerhalb und zwischen diesen Gruppen. Umgekehrt wird er durch Ungleichheit, beispielsweise in Bezug auf Bildung, Einkommens- oder Chancengerechtigkeit geschwächt.

Indikatoren: Beteiligung der Bevölkerung an der Freiwilligenarbeit und Zufriedenheit mit persönlichen Beziehungen

Der soziale Zusammenhalt wird anhand der Bereitschaft, Freiwilligenarbeit zu leisten, sowie der Zufriedenheit mit den persönlichen Beziehungen gemessen. Das freiwillige solidarische Engagement der Bürgerinnen und Bürger ist Ausdruck ihrer Verbundenheit mit der Gemeinschaft. Persönliche Beziehungen spiegeln den individuell wahrgenommenen sozialen Zusammenhalt wider. Das Engagement der Bevölkerung an der Freiwilligenarbeit soll zunehmen. Der Anteil der zufriedenen Wohnbevölkerung in Bezug auf die persönlichen Beziehungen soll steigen.

Der Indikator zeigt den Anteil an der ständigen Wohnbevölkerung ab 15 Jahren, welcher Freiwilligenarbeit leistet. Aufgrund von methodischen Anpassungen (genauere Erhebung der informellen Freiwilligenarbeit) besteht zwischen 2013 und 2016 ein Bruch in der Datenreihe.

Beteiligung der Bevölkerung an der Freiwilligenarbeit, Nordwestschweiz (Kt. AG, BS, BL), 2010 - 2020

Daten: SAKE 2021
Entwicklung Indikator in Richtung Nachhaltigkeit
langfristig (seit 2010)positiv
kurzfristigAussage nicht möglich

Der Indikator zeigt den Anteil der Wohnbevölkerung ab 16 Jahren mit hoher Zufriedenheit in Bezug auf die persönlichen Beziehungen.

Zufriedenheit mit persönlichen Beziehungen, Nordwestschweiz (Kt. AG, BS, BL) und Schweiz, 2007 - 2022

Daten: SILC 2022
Entwicklung Indikator in Richtung Nachhaltigkeit
langfristig (seit 2007)unverändert
kurzfristig (seit 2020)negativ

Stand 2024

Institutionalisierte Freiwilligenarbeit leicht gesunken, informelle Freiwilligenarbeit stabil

41 % der ständigen Wohnbevölkerung in der Nordwestschweiz ab 15 Jahren hat 2020 mindestens eine unbezahlte Freiwilligenarbeit (institutionalisierte und/oder informelle) ausgeführt. 16 % engagierten sich für Vereine oder Institutionen und setzten dafür im Schweizer Durchschnitt 11,6 Stunden pro Monat ein. Diese sogenannte institutionalisierte Freiwilligenarbeit war bis 2016 stabil über 20 % ist nun aber um 4 Prozentpunkte gesunken. Der Rückgang ist vermutlich zumindest teilweise auf die Covid-19-Pandemie bedingten Schutzmassnahmen der Bevölkerung zurückzuführen und betrifft alle Altersgruppen (BFS 2021). Demgegenüber ist die informelle Freiwilligenarbeit wie Nachbarschaftshilfe, Kinderbetreuung, Dienstleistungen oder Pflege und Betreuung von Verwandten und Bekannten, die nicht im selben Haushalt leben auf einem hohen Niveau (33 %) geblieben. Männer engagieren sich häufiger im institutionalisierten, Frauen im informellen Bereich. Dies hängt mit dem Erwerbspensum zusammen: Männer mit einem tieferen Pensum als 70 %, engagieren sich ebenso oft wie Frauen im informellen Bereich (SGG 2020). Bei der institutionalisierten Freiwilligenarbeit dominiert bei den Männern das Engagement in Sportvereinen, Frauen sind eher in sozial-karitativen Organisationen aktiv. Im Kanton Aargau haben Grosseltern und weitere Verwandte einen zentralen Stellenwert bei der Kinderbetreuung: In einer Elternbefragung in 11 ausgewählten Aargauer Gemeinden gaben mehr als die Hälfte aller befragten Familien (56 %) an, dass sie diese Art der privaten Betreuung nutzen.

Neben den Vereinen sind auch Kirchen und private Organisationen wie das Schweizerische Rote Kreuz oder Pro Senectute Aargau, in die Freiwilligenarbeit involviert. 2023 haben sich im Kanton Aargau 810 Personen im Bereich Asyl- und Flüchtlingswesen engagiert. Auch in diesem Bereich gab es eine Abnahme seit 2019 (1'400), welche unter anderem mit der Covid-19-Pandemie zusammenhängt.

In Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg zeigte sich eine grosse Solidarität in der Aargauer Bevölkerung. Im Frühjahr 2022 wurden 77 % der Personen mit dem Schutzstatus S privat bei Gastfamilien untergebracht, dies entspricht 1'849 Personen. Vor allem aufgrund der zwischenzeitlichen Erhöhung der kantonalen und kommunalen Unterbringungskapazitäten hat die Zahl der bei Gastfamilien untergebrachten Personen kontinuierlich abgenommen und liegt per Juni 2024 bei 21 % (1'160 Personen). Die Anzahl Personen mit Schutzstatus S, welche im Kanton Aargau leben, hat sich seit dem ersten Reporting im April 2022 mehr als verdoppelt.

Spenden ist ebenfalls eine weitere Form von Freiwilligkeit: in der Schweiz spenden 71 % der Bevölkerung Geld (SGG 2020). 2022 gab es in der Schweiz einen Spendenrekord. Die Spenden für die internationale Hilfe im Ausland nahmen zu, während die Spenden für Soziales und Gesundheit im Inland stagnierten (Zewo 2023).

Die Zufriedenheit mit den persönlichen Beziehungen ist im Schweizer Durchschnitt sowie in der Nordwestschweiz hoch. Nur rund 4 % der Befragten gaben 2022 eine niedrige Zufriedenheit mit den persönlichen Beziehungen an. Bezogen auf den Erwerbs­status zeigt sich, dass schweizweit Rentnerinnen und Rentner überdurchschnittlich, zufrieden sind mit ihren persönlichen Beziehungen (SILC 2022). Schweizweit hat sich der Anteil von jüngeren Personen (15- bis 24-Jährig), welche sehr oder ziemlich häufige Einsamkeitsgefühle haben, von 2017 bis 2022 mehr als verdoppelt (von 4 % auf 10 %) (BFS 2023).

Herausforderungen

  • Der gesellschaftliche Wandel hin zu mehr Individua­lisierung, kleiner werdenden Familien und Ver­wandt­schaften, grössere geographische Distanzen sowie die verstärkte Erwerbsintegration beider Elternteile erschweren zunehmend die informelle Hilfe bei der Pflege und Betreuung von Angehöri­gen.
  • Steigende Belastungen und Herausforderungen am Arbeitsplatz sowie geänderte Lebensgewohnheiten erfordern flexiblere Formen des freiwilligen Engage­ments bezüglich der Langfristigkeit und Regel­mässigkeit von Verpflichtungen aber auch was den Inhalt der Freiwilligenarbeit betrifft.
  • Aufgrund dieser steigenden Belastungen werden Geldspenden einem freiwilligen Engagement zu­nehmend bevorzugt. Grosse Einkommensdifferen­zen erschweren den sozialen Zusammenhalt und verstärken Segregationstendenzen. Zudem limitie­ren beschränkte finanzielle Mittel das freiwillige En­gagement, da neben der Erwerbsarbeit und famili­ären Verpflichtungen kaum Ressourcen für ein wei­tergehendes Engagement zur Verfügung stehen.
  • Die demografische Alterung erfordert mehr infor­melle Hilfe in Form von Pflege und Betreuung von Verwandten und Bekannten. Gleichzeitig nimmt die Mehrfachbelastung der erwerbstätigen Bevölkerung zu.
  • Die steigende Lebenserwartung und die sich verändernden Familienstrukturen bedeuten eine Herausforderung für die Generationensolidarität, finanziell auf Bundesebene (AHV, Gesundheits­kosten usw.), in jeder Gemeinde und für viele Pro­jekte im kleineren Rahmen.

Verweise

Poster mit allen Symbolen der 17 Ziele zur nachhaltigen Entwicklung (UNO) in Quadraten, welche alle eine eigene Farbe haben.

Für das Thema "Sozialer Zusammenhalt" relevantes SDG der Agenda 2030

Titelbild des Nachhaltigkeitsberichtes 2024 des Kantons Aargau; Collage mit Grafiken und Fotos aus dem Kanton passend zu den verschiedenen Themenbereichen des Nachhaltigkeitsberichts

Das Thema "Sozialer Zusammenhalt" ist Teil vom Nachhaltigkeitsbericht des Kantons Aargau:

Quellen

Mitarbeit
Referenzen
  • Bundesamt für Statistik (2023): Schweizerische Gesundheitsbefragung 2022, Neuchâtel: BFS
  • Bundesamt für Statistik (2021): Freiwilliges Engagement in der Schweiz 2020, Neuchâtel: BFS
  • Einkommen und Lebensbedingungen in der Schweiz SILC (2022): Subjektive Einschätzung der Lebensqualität, nach verschiedenen soziodemografischen Merkmalen, Version 26.03.2024, Neuchâtel: BFS
  • Lamprecht, Markus, Fischer, Adrian und Stamm, Hanspeter (2020): Freiwilligen-Monitor Schweiz 2020, Zürich: Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft SGG
  • Schweizerische Arbeitskräfteerhebung SAKE (2021): Modul unbezahlte Arbeit, Neuchâtel: BFS
  • Stiftung Zewo (2023): Spenden 2022, Statistik der Stiftung Zewo Spenden an Hilfswerke in der Schweiz, Zürich: Zewo