19.7 Wichtige Informationen zu Flüchtlingen
Erwerbstätigkeit
Anerkannte und vorläufig aufgenommene Flüchtlinge können einer Erwerbstätigkeit nachgehen (Art. 61 AsylG). Jede Erwerbstätigkeit und jeder Stellenwechsel sind bewilligungspflichtig. Der Arbeitgeber holt die Arbeitsbewilligung ein.
Informationen des Departements Volkswirtschaft und Inneres über Arbeitnehmende Nicht-EU/EFTA
Familiennachzug
Anerkannte Flüchtlinge (Ausländerausweis B) haben die Möglichkeit des Familiennachzugs. Auch Personen mit einer vorläufigen Aufnahme (Ausweis F) können unter Umständen ihre Familie nachziehen. Das Amt für Migration und Integration des Kantons entscheidet über das Gesuch und erteilt Auskünfte über die benötigten Dokumente und den genauen Ablauf des Verfahrens.
Reisedokumente
Den Reiseausweis für Flüchtlinge erhalten anerkannte Flüchtlinge sowie vorläufig aufgenommene Flüchtlinge. Beim Amt für Migration und Integration kann das Reisedokument bestellt werden.
Rückkehrberatung
Die Rückkehrhilfe für asylsuchende Personen ist ein Angebot des Staatsekretariats für Migration (SEM), welches im Asylgesetz und in der Asylverordnung 2 rechtlich verankert ist. Im Kanton Aargau ist die Rückkehrberatung (RKB) eine Dienstleistung der Sektion Asyl und Rückkehr des Amts für Migration und Integration. Sie ist die Anlaufstelle im Kanton Aargau für Personen, die sich über Rückkehrhilfe erkundigen und beraten lassen möchten.
Organisation Beratung und Betreuung von Flüchtlingen
Die geltende Rechtsgrundlage erlaubt den Gemeinden, sozialdienstliche Aufgaben an Dritte zu delegieren. Davon haben verschiedene Gemeinden Gebrauch gemacht und Leistungsvereinbarungen mit Hilfswerken und Drittorganisationen abgeschlossen.
Obligatorische Krankenpflegeversicherung und Individuelle Prämienverbilligung
Asylsuchende, vorläufig aufgenommene Ausländer, anerkannte beziehungsweise vorläufig aufgenommene Flüchtlinge sowie Schutzbedürftige mit und ohne Aufenthaltsbewilligung sind im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung gegen die Folgen von Krankheit und Unfall versichert. Die Leistungen der Krankenversicherungen richten sich nach den Bestimmungen des Krankenversicherungsgesetzes, dessen Ausführungsverordnungen und Weisungen. In der Regel sind alle Personen bereits im Rahmen des Asylverfahrens bei einer Krankenkasse angemeldet worden und entsprechend versichert. Im Einzelfall, insbesondere bei einem Familiennachzug, bewegt sich die Person nicht innerhalb der Asylstrukturen und der Kantonale Sozialdienst konnte sie nicht für die obligatorische Krankenkassenversicherung erfassen. Handelt es sich um anerkannte oder vorläufig aufgenommene Flüchtlinge, können sie sich direkt bei einer Krankenkasse versichern. Alle Flüchtlinge haben Anspruch auf Individuelle Prämienverbilligung. Die Anmeldung ist von der fallführenden Sozialbehörde direkt bei der SVA Aargau vorzunehmen.
AHV-Mindestbeiträge
Gemäss Art. 14 Abs. 2bis Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) werden anerkannte und vorläufig aufgenommene Flüchtlinge bei der SVA Aargau angemeldet, sodass die AHV-Mindestbeiträge unter Vorbehalt der Verjährung nach Art. 16 AHVG rückwirkend erhoben werden können. Es ist ein Erlassgesuch für diese Beiträge zu stellen.
Familienzulagen
Flüchtlinge und vorläufig aufgenommene Ausländer haben Anspruch auf Familienzulagen. Wenn Asylsuchende Anspruch auf Familienzulagen haben, die Kinder jedoch im Ausland leben, werden die Familienzulagen während der Dauer des Asylverfahrens zurückbehalten. Sie werden im Fall einer Anerkennung als Flüchtling oder bei vorläufiger Aufnahme ausbezahlt (vgl. Art. 84 AsylG).
Ergänzungsleistungen
In Bezug auf die Kostenübernahme durch den Kantonalen Sozialdienst ist vorgängig – wie bei allen anderen Flüchtlingen auch – der Anspruch auf Ergänzungsleistungen (EL) zu klären. Es ist Flüchtlingen gemäss Ergänzungsleistungsgesetz (ELG) nicht möglich, sofort nach der Einreise in die Schweiz EL zu beziehen, da für sie eine Karenzfrist von fünf Jahren gilt (Art. 5 Abs. 2 ELG). Flüchtlinge im AHV-Alter sowie Personen mit einer Invalidität von mindestens 40 Prozent, welche die versicherungsmässigen Voraussetzungen für eine ordentliche AHV- oder IV-Rente nicht erfüllen, können nach Ablauf der Karenzfrist grundsätzlich auch ohne Anspruch auf eine Rente der AHV oder der IV Ergänzungsleistungen erhalten (rentenlose EL). Damit der frühestmögliche Zeitpunkt der Geltendmachung für die EL nicht verpasst wird, sind die entsprechenden Resettlement-Flüchtlinge spätestens 4,5 Jahre nach der Einreise in die Schweiz durch den Gemeindesozialdienst dazu anzuhalten, bei der SVA Aargau einen Antrag auf IV- oder AHV-Rente zu stellen. Nach Erhalt des (negativen) IV- oder AHV-Entscheides ist umgehend der Antrag auf EL einzureichen.
Verheiratet nach Brauch
In der Schweiz müssen Ehen vor dem Zivilstandsamt geschlossen werden. Eine religiöse Eheschliessung darf erst nach der Ziviltrauung durchgeführt werden (Art. 97 Abs. 3 ZGB). Die so genannte "traditionelle Heirat" oder "nach Brauch geschlossene Ehe" ist in der Schweiz nur teilweise anerkannt. Die Sozialbehörde stützt sich auf den Entscheid des Staatssekretariats für Migration (SEM) und dem örtlichen Zivilstandsamt. Ist die Ehe nach Brauch offiziell anerkannt, wird der Fall als eine Unterstützungseinheit geführt. Ist die Ehe nach Brauch nicht anerkannt, wird das Paar als ledig betrachtet und es müssen zwei Sozialhilfedossiers geführt werden.
Interkulturelle Dolmetschende
Der Zuzug eines interkulturellen Dolmetschenden zu einem Beratungsgespräch wirkt zielgerichtet und führt zu einem besseren Verständnis zwischen den Betroffenen und den Behörden sowie Beratungsstellen. Die Kosten für diese Dienstleistung sind Verwaltungsaufwand und können nicht über das Sozialhilfekonto abgerechnet werden. Interkulturelle Dolmetschende können zum Beispiel bei HEKS Linguadukt angefordert werden.
Im Rahmen der Umsetzung der Integrationsagenda übernimmt das MIKA seit Juni 2020 vorübergehend und bis auf Widerruf die Dolmetscherkosten für drei Standortgespräche à je bis zu zwei Einsatzstunden pro Klient und Klientin mit Regelungsdatum ab 1. Januar 2007. Diese Einsatzstunden sind ausschliesslich dann über die Integrationspauschale finanzierbar, wenn sie in einem direkten Zusammenhang mit der Umsetzung von spezifischen Integrationsmassnahmen stehen. Nicht in diese Kategorie fallen beispielsweise Einsatzstunden von Dolmetschenden in Schulen (Elterngespräche) oder in der medizinischen Versorgung (Hausarzttermine, Spital). Für die Übernahme von Einsatzstunden der interkulturellen Dolmetschenden via Integrationspauschale benötigen die Gemeindesozialdienste im Vorfeld eine Kostengutsprache des MIKA, welche über die IT-Plattform IAS im jeweiligen Klientendossier angefragt werden kann. Genauere Informationen dazu finden Sie im Merkblatt "Übernahme von Dolmetscherkosten für erste Abklärungs- und Standortgespräche mit Flüchtlingen und vorläufig aufgenommenen Personen (PDF, 1 Seite, 206 KB)" des MIKA vom 6. Juli 2020.
Elternschaftsbeihilfe für Flüchtlinge
Grundsätzlich ist hier auf Kapitel 23 des Handbuches Sozialhilfe zu verweisen. Bei anerkannten und vorläufig aufgenommenen Flüchtlingen ist hinsichtlich der Anspruchsberechtigung gemäss § 27 SPG insbesondere sicherzustellen, dass der betreuende Elternteil seit mindestens einem Jahr vor der Geburt zivilrechtlichen Wohnsitz im Kanton Aargau hat.
Die Elternschaftsbeihilfe kann nicht dem Bund respektive dem Kantonalen Sozialdienst verrechnet werden.
Beratungsstellen und Informationsplattformen
Der Kanton Aargau verfügt über diverse Beratungsstellen und Angebote für Migrantinnen und Migranten. Diese Fachorganisationen können nicht nur für Betroffene, sondern auch für Sozialdienste wichtige Partner sein. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit nachfolgend die wichtigsten Institutionen im Kanton Aargau:
- Anlaufstelle für Integration AIA Aargau
- Caritas Aargau
- HEKS Aargau
- Informationsplattform für Migrantinnen und Migranten: hallo-aargau.ch
- Schweizerische Flüchtlingshilfe
Folter- und Kriegsopfer
In der Schweiz lebt jede vierte Person, die als Flüchtling anerkannt oder vorläufig aufgenommen ist, mit den Folgen systematischer Gewalt. Die Beschwerden sind vielfältig: Körperliche Schmerzen, Panikattacken, Depressionen, soziale Isolation. Im Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer des SRK finden Menschen Hilfe, dank einer Therapie, die verschiedene Behandlungsmöglichkeiten und Sozialarbeit kombiniert. Das Team besteht aus Ärztinnen und Ärzten verschiedener Fachrichtungen, sowie Psychologinnen. Angehörige werden in die Therapie mit einbezogen. Das Ambulatorium berät zudem Fachpersonen im Gesundheits- und Sozialwesen zum Thema traumatisierte Flüchtlinge.
Schweizerisches Rotes Kreuz: Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer