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22.2 Inkassohilfe

22.2.2 Zuständigkeit

Gültig ab 1. Januar 2024

Gemäss Art. 2 Abs. 2 InkHV ist die Inkassohilfe von einer Fachstelle zu leisten. Wem die Rolle als Fachstelle zukommt, bestimmt das kantonale Recht. Im Kanton Aargau nehmen diese Rolle die Gemeinden wahr. Sie erbringen gestützt auf Art. 31 Abs. 1 SPG die Leistungen im Bereich der Inkassohilfe.

Zuständige Fachstelle im konkreten Einzelfall ist die Gemeinde am zivilrechtlichen Wohnsitz der unterhaltsberechtigten Person
(Art. 5 Abs. 1 InkHV i.V.m. § 31 Abs. 1 SPG). Wechselt die anspruchsberechtigte Person während eines Inkassohilfeverfahrens den zivilrechtlichen Wohnsitz, so erlischt die Zuständigkeit der bisherigen Wohnsitzgemeinde für die Inkassohilfe in Bezug auf Unterhaltsbeiträge, die nach dem Wohnsitzwechsel fällig werden. Für Unterhaltsbeiträge, welche vor dem Wohnsitzwechsel fällig wurden, bleibt die Zuständigkeit der bisherigen Wohnsitzgemeinde grundsätzlich bestehen. Die bisherige Wohnsitzgemeinde kann jedoch mit der neuen Wohnsitzgemeinde eine Vereinbarung abschliessen und ihr damit die Zuständigkeit für die Inkassohilfe in Bezug auf die Unterhaltsbeiträge, welche vor dem Wohnsitzwechsel fällig wurden, übertragen (Art. 5 Abs. 2 und 3 InkHV).

Gültig bis 31. Dezember 2023

Für die Inkassohilfe ist die Gemeinde am zivilrechtlichen Wohnsitz der anspruchsberechtigten Person zuständig (§ 31 Abs. 1 SPG). Die Gemeinde kann diese Aufgabe an eine geeignete Amtsstelle oder eine geeignete private Institution übertragen (§ 31 Abs. 2 SPG). Wechselt die anspruchsberechtigte Person während eines Inkassohilfeverfahrens den zivilrechtlichen Wohnsitz, so erlischt die Zuständigkeit der bisherigen Wohnsitzgemeinde für Unterhaltsbeiträge, die nach dem Wohnsitzwechsel fällig werden. Für Unterhaltsbeiträge, welche vor dem Wohnsitzwechsel fällig wurden, bleibt die Zuständigkeit jedoch bestehen, sofern die Zuständigkeit nicht mittels Vereinbarung an die neue Wohnsitzgemeinde übertragen worden ist (Art. 5 Abs. 2 und 3 InkHV).

22.2.2.1 Anforderungen an die Fachstelle

Gültig ab 1. Januar 2024

Damit die zuständige Gemeinde ihre Verantwortung als Fachstelle wahrnehmen kann, muss sie über die notwendigen Fachkenntnisse verfügen, um im betreffenden Einzelfall die entsprechenden Leistungen der Inkassohilfe erbringen zu können (§ 31 Abs. 2ter lit. a SPG) oder um entscheiden zu können, in welchen Fällen sie die Erbringung von Leistungen an geeignete Dritte übertragen will (§ 31 Abs. 2ter lit. b SPG; vgl. Kapitel 22.2.3.2 Leistungen im Rahmen der Inkassohilfe). Die notwendigen Fachkenntnisse liegen namentlich dann vor, wenn die Inkassohilfe leistende Person eine Aus- oder Weiterbildung im Bereich der Inkassohilfe absolviert hat oder berufsbegleitend absolviert (§ 25a Abs. 1 lit. a SPV), seit mindestens zwei Jahren mit einem Pensum von mindestens 50 % im Bereich der Inkassohilfe tätig ist (§ 25a Abs. 1 lit. b SPV) oder über eine gleichwertige Qualifikation verfügt (§ 25a Abs. 1 lit. c SPV). Die Voraussetzungen gemäss § 25a SPV müssen nicht kumulativ erfüllt sein. Das heisst, dass es grundsätzlich ausreicht, wenn eine der Voraussetzungen erfüllt wird. Durch die Möglichkeit, auch eine andere gleichwertige Qualifikation gemäss § 25a Abs. 1 lit. c SPV vorzuweisen, sollte ein gewisser Spielraum für die Gemeinden entstehen, wenn diese trotz fehlender Erfüllung der Voraussetzungen gemäss § 25a Abs. 1 lit. a oder b SPV in der Lage sind, die Inkassohilfe einwandfrei zu erfüllen. Die Fachkenntnisse müssen jedoch aufgrund besonderer Umstände als gleichwertig beurteilt werden können (Beispiel: Eine wiedereinsteigende Person nach fünf Jahren Berufspause, die zuvor 15 Jahre lang im Bereich Inkassohilfe tätig war).

Zur Aus- oder Weiterbildung im Bereich Inkassohilfe im Sinne von § 25a Abs. 1 lit. a SPV gehören ganze Lehrgänge wie auch einzelne Fachkurse. Eine Aus- oder Weiterbildung stellt beispielsweise die Ausbildung zur Alimentenfachperson dar. Ebenso gehört ein Studium der Rechtswissenschaften dazu, sofern die Fächer Familien- und/oder Schuldbetreibungs- und Konkursrecht erfolgreich absolviert wurden. Eine Rechtsanwältin beziehungsweise ein Rechtsanwalt verfügt auf jeden Fall über eine ausreichende Ausbildung. Auch eine Aus- oder Weiterbildung im Schuldbetreibungs- und Konkurswesen kann eine Ausbildung gemäss § 25a Abs. 1 lit. a SPV darstellen (zum Beispiel Ausbildung zur Betreibungsfachperson).

22.2.2.2 Auslagerung von Leistungen der Inkassohilfe an geeignete Dritte

Die Gemeinde kann in einzelnen oder in sämtlichen Fällen die Erbringung von Leistungen der Inkassohilfe an geeignete Dritte übertragen (§ 31 Abs. 2 SPG). Geeignete Dritte können Behörden, Privatunternehmen oder qualifizierte Einzelpersonen sein. Denkbar ist auch, dass mehrere Gemeinden einen Gemeindeverband bilden (vgl. §§ 74 ff. Gesetz über die Einwohnergemeinden (Gemeindegesetz, GG) oder durch Vertrag vereinbaren, die Aufgabe der Inkassohilfe gemeinsam zu erfüllen oder einer Gemeinde zur Erfüllung zu übertragen (vgl. § 72 Abs. 1 GG).

Auch im Falle einer Auslagerung der Leistungserbringung an geeignete Dritte bleibt die zuständige Gemeinde Fachstelle im Sinne von § 31 Abs. 2ter SPG und damit verantwortlich für eine gesetzeskonforme Leistungserbringung. Die Gemeinde muss beurteilen können, welche Fälle ausgelagert werden sollen, ob die hierfür ausgewählten Dritten das Erfordernis der Eignung und ihren Auftrag rechtskonform erfüllen. Ferner muss die Gemeinde als Fachstelle jederzeit in der Lage sein, allfällige Entscheide betreffend die Inkassohilfe zu erlassen (§ 31 Abs. 2ter lit. b SPG), denn diese Befugnis ist nicht an Dritte übertragbar (§ 31 Abs. 2 SPG). Mit Entscheid ist der individuelle, an den Einzelnen gerichtete hoheitliche Akt gemeint, durch den in Anwendung des Inkassohilferechts eine konkrete Rechtsbeziehung rechtsgestaltend oder feststellend in verbindlicher und erzwingbarer Weise zwischen der Gemeinde und der anspruchsberechtigten Person geregelt wird. In der Praxis kommen dafür verschiedene Begriffe zur Anwendung wie zum Beispiel Entscheid, Verfügung, Beschluss oder Bescheid. Diese Entscheide sind von der Gemeinde selbst zu erlassen; das heisst, entweder von der Sozialbehörde gemäss § 44 Abs. 1 SPG oder einer gemäss § 39 GG zuständigen Stelle (einzelne Gemeinderatsmitglieder, Kommissionen oder Mitarbeitende; vorausgesetzt ist dabei ein kommunales Reglement, welches die Einzelheiten der Delegation regelt (§ 39 Abs. 3 GG).

Die in § 25a SPV enthaltenen fachlichen Anforderungen an die Fachstelle gelten auch für jene Gemeinden, welche die Inkassohilfe als Ganzes auslagern (vgl. Kapitel 22.2.2.1 Anforderungen an die Fachstelle). Um die oben beschriebenen Aufgaben (Verantwortung für gesetzeskonforme Leistungserbringung sowie Erlass von Entscheiden) dennoch wahrnehmen zu können, scheint es sinnvoll, dass die Anforderungen an die Qualifikationen weniger ausgeprägt sein müssen. Es scheint entsprechend in der Praxis beispielsweise ausreichend, wenn die verantwortliche Stelle in der Gemeinde den Aufbaukurs Inkassohilfe des Kantonalen Sozialdiensts besucht hat (vgl. Website Kurse und Fachseminare Soziales Kanton Aargau) und die Gemeinde damit im Sinne von § 25a lit. a SPV über die notwendige Weiterbildung verfügt, um ihre Verantwortung als Auftraggeberin und verfügende Behörde einwandfrei wahrzunehmen. Dies gilt nicht für jene Gemeinden, die einzelne Inkassohilfeleistungen selbst erbringen. Diese müssen ein vertiefteres Fachwissen aufweisen (vgl. Kapitel 22.2.2.1 Anforderungen an die Fachstelle).

Dritte sind zur Erbringung von Leistungen der Inkassohilfe geeignet, wenn sie über die notwendigen Fachkenntnisse verfügen, um im betreffenden Einzelfall die entsprechenden Leistungen erbringen zu können (§ 31 Abs. 2bis SPG; vgl. Kapitel 22.2.3.2 Leistungen im Rahmen der Inkassohilfe). Es gelten für Dritte die gleichen Anforderungen in Bezug auf die notwendigen Fachkenntnisse wie für die Fachstellen, welche selbst die Inkassohilfeleistungen erbringen (§ 25a SPV; vgl. Kapitel 22.2.2.1 Anforderungen an die Fachstelle).

Zur Wahrnehmung ihrer Aufsichtspflicht gegenüber den beauftragten Dritten, scheint es sinnvoll, wenn die Gemeinden mindestens einmal pro Jahr einen Rechenschaftsbericht einverlangen. Der Rechenschaftsbericht sollte nicht lediglich in Form einer Aktenkopie erfolgen, sondern sollte in kompakter Form Auskunft über die wesentlichen ergriffenen Massnahmen und den Verfahrensstand im Einzelfall geben. Folgende Informationen könnten im Rahmen dieser Rechenschaftsberichte beispielsweise einverlangt werden:

  • aktuelle Finanzinformationen über die verpflichtete Person
    (Steuerveranlagung, Lohnausweise, Informationen zum individuellen Existenzminium etc.)
  • welche Inkassomassnahmen (gütlich und rechtlich) wurden eingeleitet, Stand der eingeleiteten Massnahmen und geplante Schritte
  • Informationen über Vereinbarungen und Verfahrensakten aus Zwangsvollstreckungsverfahren
  • Einstellungsüberprüfung bei regelmässigen Zahlungseingängen oder erfolglosen Inkassomassnahmen
  • Sicherung von Vorsorgeguthaben – Schreiben an Freizügigkeitseinrichtung und deren Eingangsbestätigung
  • Meldungen an Betreibungsämter zur Prüfung einer privilegierten Anschlusspfändung
  • Drittauszahlungsgesuche für Familienzulagen und weitere Sozialversicherungsleistungen (bspw. IV-Kinderrente)
  • Erfolgsquote des vorgenommenen Inkassos mit Begründung
  • Anfrage an Staatssekretariat für Migration (SEM) zur automatischen Meldung bei Wiedereinreise von ausländischen Unterhaltspflichtigen (muss alle 5 Jahre erneuert werden)
  • aktuelle Finanzinformationen über die unterhaltsberechtigte Person zur Prüfung einer allfälligen Kostenbeteiligung (bei volljährigen Kindern Ausbildungsbestätigung)
  • Informationen über Bearbeitungsaufwand

Der Rechenschaftsbericht ist ein geeignetes Werkzeug zur Qualitätssicherung. Dieses kann auch eingesetzt werden, wenn die Aufgabe gemeindeintern erfüllt wird.

Die Gemeinde stellt stets den Datenschutz sicher, insbesondere auch bei einer Auslagerung von Inkassohilfeleistungen. Die Bestimmungen zur gegenseitigen Amtshilfe und Bekanntgabe von Daten gemäss § 46 SPG gelten nicht nur für die Gemeinden, sondern auch für beauftragte Dritte (vgl. Kapitel 16.1 Amtshilfe).