INV-REI910 "Förster-Heiz-Haus", 1716 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-REI910
Signatur Archivplan:REI910
Titel:"Förster-Heiz-Haus"
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Westen (2011)
Bezirk:Kulm
Gemeinde:Reinach (AG)
Ortsteil / Weiler / Flurname:Neudorf
Adresse:Neudorfstrasse 40
Versicherungs-Nr.:475
Parzellen-Nr.:1058
Koordinate E:2656706
Koordinate N:1234025
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2656706&y=1234025

Chronologie

Entstehungszeitraum:1716
Grundlage Datierung:Inschrift (Gewändescheitel Kellereingang); Literatur
Nutzungen:1799-1817 Pintwirtschaft im OG, ab 1871 Schuhmacherwerkstatt im DG

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerliches Wohnhaus

Dokumentation

Inschriften:"H 1716" (Gewändescheitel Kellerportal)
Würdigung:Stattliches bäuerliches Wohnhaus mit zwei Wohngeschossen und siebenachsiger Schaufassade, das eine interessante Nutzungsgeschichte unter anderem als Pintenwirtschaft und Schuhwerkstatt vorzuweisen hat. Sein heutiges Gesicht erhielt das Gebäude 1844, als die Fassaden verputzt und die Fenster erneuert wurden. Darunter verbirgt sich ein innerschweizerisch geprägter Fachwerkbau aus der Zeit um 1716, dem als erstes privates Wohnhaus mit Ziegeleindeckung in Reinach ein besonderer Stellenwert zukommt. In seiner Anlage als freistehendes bäuerliches Wohnhaus mit separater Stallscheune geniesst es in einer von strohgedeckten Vielzweckbauten geprägten Region auch eine besondere typologische Bedeutung. Der Bau ist in seiner Gesamtform und Dachkonstruktion intakt erhalten und bewahrt im Innern Ausstattungsteile unterschiedlicher Bauphasen.

Im Falle eines grösseren Umbaus sind vorhergehende bauarchäologische Abklärungen vorzunehmen.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das nach dem letzten Bewohner, Alt-Förster Heiz, benannte Gebäude wurde kurz vor 1717 von Jakob Hediger, Martis, errichtet, der aus dem benachbarten Bauernhaus (Neudorfstr. 42, vgl. Bauinventarobjekt REI927) stammte [1]. Entsprechend dürfte der noch vorhandene Teil der Inschrift im Bogenscheitel des Kellertürgewändes als "H 1716" zu lesen sein. Es war das erste bäuerliche Wohnhaus mit Ziegeldach und stellte mit den zwei Wohngeschossen und der freistehenden Stallscheune in der von strohgedeckten Vielzweckbauten beherrschten Hauslandschaft einen neuen, innerschweizerisch geprägten Gehöfttypus dar [2]. In der oberen Wohnung wurde von 1799-1817 eine Pintenwirtschaft betrieben. 1844 sind "sehr viele Veränderungen" und eine Erhöhung des Schatzungswertes von 2200 auf 3200 Franken vermerkt. Das laut Brandkataster von 1850 "zweistöckige[s] Wohnhaus von Rieg mit gewölbtem und Tremkeller unter Ziegeldach" erhielt vermutlich erst dann einen Verputz. Aufgrund datierter Ziegel erfolgte 1850 auch eine Neueindeckung mit Biberschwanzziegeln. 1871 wurde die Liegenschaft von Gottlieb Heiz, Schuster, erworben, der im Estrich eine Schuhmacherwerkstatt einrichtete [3]. Heute gehört sie dessen Nachkommen. Das Haus ist seit Jahrzehnten unverändert. Als einzige Massnahme wurde vor wenigen Jahren die alte Eindeckung durch neue Falzziegel ersetzt.
Beschreibung:Das etwas von der Neudorfstrasse zurückversetzte, mit seiner siebenachsigen Hauptfront nach Süden ausgerichtete zweigeschossige Wohnhaus trägt ein ausladendes geknicktes Satteldach mit Teilwalm. Die Flugsparrenkonstruktion ruht auf barock beschnitzten Bügen, ebenso das über dem Obergeschoss angebrachte, verschalte Klebdach, welches die nördliche Giebelfront schützt. Sowohl dieser "untere Walm" als auch der "vordere Spitzwalm" sind seit 1817 bezeugt, von der Hängesäule des Flugsparrendreiecks ist seit mindestens dieser Zeit also nur das untere Ende mit dem zapfenartigen Abschluss zu sehen [4]. Die Fassaden, welche trauf- und rückseitig nur mit drei bzw. vier Fensterachsen versehen sind, tragen einen Putz, der mit Hilfe einer dünnen horizontalen Lattung über dem ehemals auf Sicht gearbeiteten Fachwerk angebracht ist. Die Eckständer sind mit einer Holzverkleidung, die hölzernen Tür- und Fenstergewände mit Blendrahmen versehen. Vermutlich aus derselben Bauphase in der Mitte des 19. Jh. stammen die teilweise noch vorhandenen Sprossenfenster mit Lüftungsflügel und Espagnolettenverschluss [5].
Als Hauptfassade ist die nach Süden blickende siebenachsige Stirnseite mit den Stuben ausgebildet. Auf der nördlichen Rückseite führt eine zweiläufige Freitreppe zum mittig angelegten Hauseingang. Ein zweiter, aufgrund der Hanglage nahezu ebenerdiger Eingang, noch mit barocker Füllungstür, liegt an der östlichen Traufseite. Dieser öffnet sich auf einen kurzen Stichflur, mit rechtsseitigem Treppenaufgang und linksseitiger Tür in die erste von drei aneinandergereihten Stuben. Der stirnseitige Eingang führt geradeaus über eine einläufige Treppe ins obere Wohngeschoss. An ihrem Fuss befinden sich zwei seitliche Türen zu den nördlichen Erdgeschossräumen, wovon eine nachträglich geschlossen wurde. Die innere Erschliessung und Raumaufteilung des Gebäudes gestaltet sich komplex und ist aufgrund nachträglicher Ein- und Umbauten nicht mehr vollständig nachvollziehbar. Überliefert ist indessen, dass die ehemalige Wirtsstube im Obergeschoss die mittlere Partie der südlichen Haushälfte einnahm. Beide Geschosse verfügen über eine angenehme Raumhöhe. In vielen Räumen sind noch die alten Bretterböden aus Tannenriemen vorhanden. Zudem sind im Bereich des oberen firstparallelen Gangs noch die ursprünglichen Bohlenständerwände sichtbar. Einige Räume weisen Reste des alten Brettertäfers auf, ansonsten datieren die Decken- und Wandtäfer aus einer Umbauphase des frühen 20. Jh. Zum Mobiliar des Hauses gehörten vielleicht auch ein heute auf dem Estrich aufbewahrter Kasten aus Nadelholz mit der Inschrift "Samuel Hauri 1810 Maria Leutweiler" sowie eine Truhe mit Schablonendekor und Inschrift "1711 H LW". Das Nussbaumbuffet in der unteren Stube wurde aus einem anderen Kontext nachträglich eingebaut.

Solide, bauzeitliche Dachkonstruktion, bestehend aus einem Sparrendach auf liegendem Stuhl, mit stabilisierenden Andreaskreuzen und Aufschieblingen. Die Hölzer sind eingezapft und mit Holznägeln fixiert. Vom Dachraum sind auf der Südseite zwei Kammern abgetrennt, in denen um 1900 noch eine Schusterwerkstatt und eine Kornschütte untergebracht waren. Auf der gegenüberliegenden Seite war in der Ecke eine kleine Küche eingerichtet. Der Boden ist darin aus Feuerschutzgründen mit Tonplatten ausgelegt, eine Massnahme, die besonders in stattlichen Häusern noch im 18. Jh. üblich war. An den Wänden sind noch die Ansätze der ehemals eingewölbten Decke zu sehen. Auf dem Dachboden (und vor dem Treppenaufgang) haben sich mehrere alte Brettertüren aus dem 18. Jh. erhalten, zudem findet sich hier eine barocke Tür mit S-Bändern, die in Zweitverwendung als Abtrennung montiert wurde.
Der verputzte Bruchsteinmauersockel birgt unter der nördlichen Haushälfte einen querliegenden Gewölbekeller, der sowohl über einen inneren Treppenabgang in der nördlichen Hausecke als auch an der talseitigen Trauffassade durch ein rundbogiges, gefastes Sandsteingewände zu betreten ist. Am Gewändescheitel sind Initialen sowie eine Jahrzahl eingehauen, die wohl als "H 1716 " zu entziffern sind. Die originale Brettertür zeigt aussen aufgedoppeltes Rahmenwerk. Unter der südlichen Haushälfte befindet sich ein Keller mit Balkendecke.
Anmerkungen:[1] Steiner 1995, S. 629 (Vers.Nr. 112). – Das Haus wird 1717 im Gerichtsmanual Reinach 158, S. 15, als "das neüwe Hauss" erwähnt; freundl. Auskunft Hr. Peter Steiner.
[2] Ausser den beiden Schneggen und dem Pfarrhaus gab es 1700 in Reinach noch keine reinen Wohnbauten mit Ziegeldächern. Bis um 1800 kamen 11 weitere Wohnhäuser mit harter Eindeckung hinzu, vgl. Steiner 1995, S. 214.
[3] Freundl. Mitteilung von Herrn Gottlieb Heiz.
[4] Freundl. Mitteilung von Hr. Peter Steiner mit Verweis auf: Fertigungsprotokoll Reinach 8, S. 230.
[5] Laut Steiner erfolgten 1844 Umbauarbeiten, vgl. Steiner 1995, S.629 (Vers.Nr.112.).
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
Literatur:- Peter Steiner, Reinach. 1000 Jahre Geschichte, Reinach 1995, S. 214 (Abb.), 629 (Vers.Nr. 112).
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0261-0264: Brandkataster Gemeinde Reinach 1850-1938.
- Staatsarchiv Aargau, BA.05/0076: Brandkataster Gemeinde Reinach 1828-50.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=121952
 

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