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INV-REI922 Villa "Beata", 1900-1901 (Dossier (Bauinventar))
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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 1900 - 1901 |
Grundlage Datierung: | Brandkataster |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Einzelobjekt |
Nutzung (Stufe 1): | Profane Wohnbauten |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Repräsentatives Wohnhaus, Villa |
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Dokumentation |
Autorschaft: | Hans Giger, Reinach |
Inschriften: | "BEATA" (Türsturz strassenseitiger Hauseingang) |
Würdigung: | Die 1900-01 vom Reinacher Architekten Hans Giger für das Ehepaar Emma Giger und Arthur Hediger im Neurenaissancestil errichtete Villa Beata ist mit ihrem schönen Jugendstil-Relief am Turm und der gut erhaltenen Jugendstil- und Neubarock-Ausstattung "einer der künstlerisch wertvollsten Architekturzeugen von Reinach" [1]. Sie gehört zu einem Ensemble aus drei zeitgleich entlang der Hauptstrasse errichteten Villen (vgl. Bauinventarobjekt REI923), welche über ihre damaligen, untereinander verwandten Besitzer in direktem Zusammenhang mit der Zigarrenfabrik „Hediger und Söhne“ stehen. Die parkartigen Gartenanlagen, welche auch die ergänzenden zeittypischen Nebengebäude aufnehmen, bewahren einzelne gestalterische Elemente aus der Bauzeit und sind als „grüne Lunge“ inmitten des Ortskerns von zunehmender Bedeutung. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Die Villa „Beata“ wurde 1900-01 nach Plänen des Reinacher Architekten Hans Giger für seine Schwester Emma Giger und deren Ehemann, den Zigarrenfabrikanten Arthur Hediger errichtet [2]. Zur gleichen Zeit entstanden auch die beiden nördlich anschliessenden Villen „Flora“ (Hauptstr.14) und „Sonnenheim“ (Hauptstr.12, Bauinventarobjekt REI923) für weitere an der Firma „Hediger und Söhne“ beteiligte Familienmitglieder [3]. Das bis in die 1850er Jahren zurückreichende und ab 1892 unter dem Namen "Hediger Söhne" geführte Unternehmen war mit zeitweise um die 400 Beschäftigten über 80 Jahre lang die grösste Zigarrenherstellerin in Reinach [4]. Die auffälligste Veränderung an der Villa erfolgte in den 1960er Jahren, als der eingeschossige, hölzerne Wintergarten in der Südwestecke durch einen gemauerten Anbau mit Veranda ersetzt und mit einem Liftturm ergänzt wurde (gemäss Kurzinventar 1996). Vor einigen Jahren wurden die bauzeitlichen Fenster durch solche mit Kunststoffsprossen ersetzt. |
Beschreibung: | In der Art eines italienischen Landhauses im Neurenaissance-Stil erstellter Baukubus, in dessen Nordostecke ein mächtiger, dreigeschossiger Eckturm aus der Fassadenflucht hervortritt. Die südwestliche Gebäudeecke nimmt ein eingeschossig aufgeführter Anbau mit Veranda aus den 1960er Jahren ein, an den ein Liftturm angefügt ist. Turm und Hauptbau tragen je ein schwach geneigtes Walmdach, das mit Hohlfalzziegeln eingedeckt ist und von einem kugeligen Aufsatz bekrönt wird. Kannelierte Konsolbälkchen gliedern die verschalte Dachuntersicht in Felder, die jeweils von einer aufgemalten Blüte besetzt sind. Die geschlossene Südfassade des dreigeschossigen Turms schmückt am 1. und 2. Obergeschoss ein grossformatiges Jugendstil-Relief, das den Umzug der Musen in Begleitung des Lyra spielenden Apoll darstellt. Das in gelblich-weisse Sandsteinplatten gehauene Relief ist 1901 datiert und von Hans Giger signiert [4]. Die nach Norden und Osten gerichteten Turmfassaden sind in den beiden unteren Geschossen von je einem Fenster besetzt, während das oberste Turmzimmer durch zwei triforienartig zusammengeschlossene Rundbogenfenster belichtet wird. An den Fassaden des Hauptbaukörpers verteilen sich in axialer Anordnung einzelne und gekuppelte Rechteckfenster. Deren Gewände und Gesimse sind reich profiliert, die Rundbogenlichter am Turm zusätzlich mit Voluten geschmückt. Gegliedert werden die verputzten Mauern ausserdem durch ein Gurtgesims aus Muschelkalk, das eine Abgrenzung zum Kellersockel mit quaderförmigem Fugenstrich bildet, sowie zwei horizontale Putzbänder am Kniestock. Die Villa verfügt über zwei Eingänge, die auf der Nord- und Ostfassade jeweils direkt neben dem Turm angelegt sind. Der strassenseitige Haupteingang, der direkt ins Entrée des Hochparterres führt, ist über eine entlang der Fassade geführte Muschelkalktreppe und einen offenen säulengestützten Vorbau mit kleiner Dachterrasse zu erreichen. Den Sturz ziert die goldgefasste Inschrift "BEATA". Das mit einem Oberlicht und einem verglasten Mittelstück ausgestattete eichene Türblatt besitzt ein Fenstergitter mit geschmiedeten Notenlinien und Violinschlüssel. Der gartenseitige, von einem Glasdach auf geschmiedeten Konsolen geschützte Eingang, der ebenfalls noch das bauzeitliche Türblatt besitzt, führt ebenerdig ins Treppenhaus der Villa. Mit Salon und Esszimmer sind die Gesellschaftsräume an der nach Süden orientierten Gartenfront angeordnet, während Küche und Bad in der nordwestlichen Gebäudeecke liegen. Die Schlafzimmer und ein Badezimmer belegen das Obergeschoss. Auf dem Dachboden waren Zimmer für die Dienstleute untergebracht. Die weitgehend noch vorhandene Originalausstattung vereint Elemente des Jugendstils und des Neubarocks. Besonders repräsentativ gestaltet ist das als Hochzeitsgeschenk hergestellte Treppenhaus mit rosafarbenen Marmorstufen und einem mit Blüten und Voluten geschmiedeten Geländer. Die dazugehörenden bleiverglasten Fenster mit farbigen Jugendstilmotiven stammen aus der Werkstatt von H. Huber-Stutz, Zürich. Im rechten Fenster zwischen 1. und 2. Obergeschoss sind die Initialen des Brautpaars „EG“ und „AH“ eingelassen (gemäss Kurzinventar 1996). Vom oberen Wohngeschoss in die Turmstube ist der Treppenaufgang in Holz mit gedrechselten Staketen weitergeführt. Auf die Ausstattung dieses Raums, der als Freimaurer-Versammlungsraum diente, verwendete der in Freimaurerkreisen verkehrende Architekt Hans Giger besondere Sorgfalt. Das Kreuzgratgewölbe zieren feine Jugendstil-Filets. Die triforienartig zusammengefassten Fenster sind mit einer Butzenscheibenverglasung versehen und zeigen nebst rankenden Eichenlaubzweigen in den jeweils mittigen Oberlichtern Freimaurerembleme wie das "Auge der göttlichen Weisheit". Während die Decke des mit einem Knietäfer ausgestatteten, darunter liegenden Zimmers von Bänderwerk überzogen ist, besitzt das unterste Turmzimmer mit einer Kassettendecke und zweifarbigem Brusttäfer mit Intarsien im maurischen Stil eine Ausstattung von schwererem Ausdruck. Den Salon zeichnet eine filigrane, reich geschmückte neubarocke Stuckdecke aus. Das mit einer kassettierten Holzdecke versehene Esszimmer ist mit einem elektrisch beheizbaren Jugendstilofen sowie einem üppigen Historismus-Buffet mit Zierelementen des Neubarock und der Neurenaissance ausgestattet. Ebenfalls zum ursprünglichen Mobiliar gehört ein rundes Beistelltischchen mit drei Füssen in Form von asiatisch inspirierten, drachenartigen Fabelwesen. Die Villa ist von einem parkähnlichen Garten umgeben, der noch die bauzeitliche schmiedeeiserne Umfriedung und zur Hauptstrasse das besonders kunstvoll gearbeitete, von zwei steinernen Stelen flankierte Eingangstor bewahrt. Das nordseitige, mit der Villa "Flora" geteilte Gartenstück wird durch eine symmetrische Anlage von mit Buchsbaum gesäumten Wegen und zentralem Beet gegliedert. Im Hintergrund befindet sich das vor einigen Jahren renovierte Gärtnerhaus (Vers.Nr. 599) im Schweizer Chalet-Stil. Das in der Südwestecke der Parzelle stehende Hühnerhaus ist ein mit Ründe, Staffelfenster und Dachaufsätzen sehr aufwändig gestalteter Kleinstökonomiebau, der aufgrund seiner typologischen Rarität und als der Villa zugeordnetes Nebengebäude in den Schutzumfang einzubeziehen ist (ohne eigene Vers.Nr.). |
Anmerkungen: | [1] Zitat: Peter Felder, Kantonaler Denkmalpfleger, Aktennotiz 1984. [2] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0261-0264: Brandkataster Gemeinde Reinach 1850-1938. [3] Die Villa „Flora“ entstand für eine weitere gleichnamige Schwester von Baumeister Giger, welche einen Bruder von Arthur Hediger geheiratet hatte. [4] Steigmeier 2002, S. 42. [5] Nach Meinung von Pierre Hediger schuf Giger dieses Relief jedoch nicht eigenhändig. |
Erwähnung in anderen Inventaren: | - ICOMOS Liste historischer Gärten und Anlagen der Schweiz, Kanton Aargau, Reinach 4141-16. - Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung. - Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, hg. v. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2005, S. 51. |
Literatur: | - Andreas Steigmeier, Blauer Dunst. Zigarren aus der Schweiz gestern und heute, Baden 2002. - Peter Steiner, Reinach. 1000 Jahre Geschichte, Reinach 1995, S. 404-407, S. 614 (Abb.). |
Quellen: | - Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0261-0264: Brandkataster Gemeinde Reinach 1850-1938. - Historische Vereinigung Wynental, Fotoarchiv. |
Reproduktionsbestimmungen: | © Kantonale Denkmalpflege Aargau |
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URL: | http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=121964 |
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