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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 1823 |
Grundlage Datierung: | Literatur |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Teil einer Baugruppe |
Weitere Teile der Baugruppe: | SEO926 |
Nutzung (Stufe 1): | Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Fabrikgebäude, Manufakturgebäude |
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Dokumentation |
Würdigung: | Das 1823 als Baumwollspinnerei erbaute und in der Folge als Hut- und Strohwarenflechterei sowie zur Zigarrenproduktion genutzte Gebäude ist der älteste Fabrikbau in Seon, welcher über einen Maschinenantrieb mit Wasserkraft verfügte. Der wuchtige klassizistische Mauerbau wurde in zeittypischer Art als nüchterner Zweckbau mit streng axialer Fassadengliederung erstellt. Mit dem benachbarten Fabrikgebäude von 1826 (Bauinventarobjekt SEO926) und dem biedermeierlichen Wohnhaus Egliswilerstrasse 9 ergibt sich eine kleine, ortsbildprägende Baugruppe, welche die Anfänge der Industrialisierung in Seon anschaulich dokumentiert. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Die an der Egliswilerstrasse gelegenen Fabrikgebäude Vers.-Nr. 204 und Vers.-Nr. 205 (Bauinventarobjekt SEO926) sind die frühesten Zeugen der Industrialisierung in Seon [1]. Das Fabrikgebäude Vers.-Nr. 204 wurde 1823 durch Rudolf Widmer aus Niederlenz als erste Baumwollspinnerei erbaut [2]. Dabei nutzte man die Wasserkraft des parallel zum Aabach geführten "Bidibachs" oder "Ryberggrabens". Der Sohn Johann Jakob Widmer führte die Baumwollspinnerei bis 1852 weiter. Daraufhin übernahm Rudolf Hirt aus Birrhard die Fabrik und nahm darin die Strohwarenproduktion auf. Bereits 1857 gelangte der Betrieb an Jakob Ungricht, welcher auf Holzbastflechterei für die Hutproduktion umstellte. Nach seinem Tod 1864 ging das Unternehmen an die kurz zuvor in Fahrwangen gegründete Firma Siegrist, Rey & Co., Strohwarenfabrikanten, über, welche in Seon zur Hauptsache Rosshaargeflecht herstellen liess. Später wurden in den verschiedenen Fabriksälen Schnupftabak und Zigarren, aber auch weiterhin Geflecht- und Strohwaren hergestellt. Das Wasserrecht Nr. 572 der ehemaligen Spinnerei hatte 1879 eine konzedierte Leistung von annähernd 14 PS. Das im Durchmesser 6 m messende Wasserrad mit einer Schaufelbreite von 2.21 m trieb dabei verschiedene Maschinen an [3]. 1929 siedelte sich die Zigarrenfabrik Eduard Eichenberger & Söhne aus Beinwil am See an diesem Standort an. Das Wasserrecht wurde in der Folge 1953 gelöscht. Beim Ausbau der Egliswilerstrasse 1975 wurden der Kanal zugedeckt, das Wasserradhaus und das auf der anderen Strassenseite gelegene Tabaklager der Firma Eichenberger abgebrochen. Später waren im Hauptgebäude Lagerräume, ein Handwerksbetrieb und ein Kindergarten eingerichtet. 2009 hat man das Gebäude umfassend renoviert und zu einem Mehrfamilienhaus umgebaut. |
Beschreibung: | Das ältere, 1823 errichtete Fabrikgebäude Vers.-Nr.204 steht traufständig zur Strasse und erhebt sich als wuchtiger, dreigeschossig aufragender Baukörper aus Bruchsteinmauerwerk. Die Fassaden zählen 6 x 3 Fensterachsen mit rechteckigen, gefalzten Muschelkalkgewänden. Das mit Biberschwanzziegeln eingedeckte, gerade Satteldach ist seit dem jüngsten Umbau mit kleinen Lukarnen besetzt. Rückwärtig schliesst an den Hauptbaukörper ein jüngerer Flachdachanbau mit eingebautem Lift an. Bis zum Ausbau der Egliswilerstrasse (1975) war der strassenseitigen Trauffassade ein eingeschossiges Radhaus unter Querfirst vorgelagert, welches das unterschlächtig angetriebene Wasserrad schützte. Die ehemaligen Produktionsräume in den drei Vollgeschossen verfügen in Längsrichtung über zwei hölzerne Stützenreihen mit Unterzügen, welche als Auflager für die Deckenbalken dienen. Das alte Treppenhaus dürfte wie das heute bestehende im rückwärtigen Bereich ausserhalb der Umfassungsmauern gelegen haben. Der Zugang zum Parterre befindet sich an der südöstlichen Stirnseite, im Bereich des mehrfach veränderten Zwischentrakts zum benachbarten Fabrikgebäude (Inneres gemäss Kurzinventar von 1998). 2009 wurde das Gebäude renoviert und zu einem Mehrfamilienhaus umgebaut. |
Anmerkungen: | [1] Das Baumwollgewerbe hatte in Seon bereits im 18.Jh. Fuss gefasst. So figurierte die Gemeinde 1755 auf einer Liste der in der Vogtei Lenzburg abgelieferten Baumwolltücher an vierter Stelle. Die Wandlung zur industriellen Produktion vollzog sich indessen erst im 19.Jh. – Zur Fabrikgeschichte vgl. Rodel 1950, S. 49-50; Badertscher 1997, S. 45. [2] Die untere Baumwollspinnerei ("Pfiffni") am "Bidibach" wurde 1834 gegründet, die Baumwollweberei Oholten folgte 1836 (Bauinventarobjekt SEO929). [3] Badertscher 1997, S. 45. |
Erwähnung in anderen Inventaren: | - Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung. |
Literatur: | - Kurt Badertscher, Mühlen am Aabach, in: Lenzburger Neujahrsblätter 1997, S. 24-66. - G. Rodel, Die Strohindustrie im aargauischen und luzernischen Seetal, in: Heimatkunde aus dem Seetal, Jrg. 24, 1950. - Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, Bern 2005, S. 58. |
Quellen: | - Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0450-0453: Brandkataster Gemeinde Seon 1850-1938. |
Reproduktionsbestimmungen: | © Kantonale Denkmalpflege Aargau |
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URL for this unit of description |
URL: | http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=126456 |
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