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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 1833 |
Grundlage Datierung: | Inschrift (Fassade, Kachelofen) |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Einzelobjekt |
Nutzung (Stufe 1): | Profane Wohnbauten |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Wohnhaus |
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Dokumentation |
Inschriften: | "1833" (Zwerchgiebel, Ofenkachel) |
Würdigung: | Stattliches, wohlproportioniertes Bürgerhaus von 1833, das stilistisch am Übergang vom Spätbarock zum Spätklassizismus und ländlichen Biedermeier steht. Der intakt erhaltene Mauerbau mit Gehrschilddach und Berner Ründe nimmt eine wichtige ortsbauliche Stellung im alten Dorfkern ein. Das bestehende Fassadenbild ist wesentlich durch einen Fugenputz im Erdgeschoss aus der Zeit um 1900 geprägt. Im Innern haben sich grosse Teile der ursprünglichen Raumordnung und Ausstattung erhalten, was dem Gebäude einen erheblichen Zeugenwert für die ländlich-bürgerliche Wohnkultur verleiht. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Gemäss Jahrzahlinschriften an der Lünette des Zwerchgiebels und an einer alten Ofenkachel wurde das Haus 1833 errichtet. Im Brandkataster ist es denn auch 1833 als "Neubau" eingetragen, welcher die Stelle eines strohgedeckten Bauernhauses einnahm [1]. Bauherr des neuen Hauses, das an der Ruederchen zwischen Picardiestrasse und Luzernerstrasse zu stehen kam, war der Handelsmann Heinrich Müller. Bereits 1837 ging die Liegenschaft an Gerber Johann Rudolf Wirz über, für den 1811 bereits das westlich benachbarte Wohnhaus "Gerbe", ein mächtiger Mansarddachbau, errichtet worden war (Kantonales Denkmalschutzobjekt SCL009) [2]. Weitere Eigentümer waren Friedrich Wirz (ab 1855) und A. Wirz-Lüthi (ab 1891), beide gleichfalls Besitzer der "Gerbe". Zwischenzeitlich wurde im Haus an der Luzernerstrasse 4 eine Weinhandlung betrieben. Eine historische Aufnahme aus dem frühen 20. Jh. zeigt die damaligen Verhältnisse mit westlich angefügtem niedrigem Anbau, worin offenbar die Lagerräume eingerichtet waren (siehe Bilddokumentation). 1987 wurden im Parterre kleinere Grundrissveränderungen vorgenommen [3]. In den 1990er Jahren mussten im Zuge von Sanierungsmassnahmen wegen Hausschwammbefall die erdgeschossigen Böden erneuert werden. |
Beschreibung: | Das in unmittelbarer Nähe der "Gerbe" Picardiestrasse 1 (Kantonales Denkmalschutzobjekt SCL009) und der "May-Villa" Picardiestrasse 2 (Bauinventarobjekt SCL909) stehende bürgerliche Wohnhaus ist wichtiger Bestandteil einer historischen Baugruppe, die den Strassenraum entlang der Ruerdeche prägt (ISOS A 2.2 im Ortsbild von nationaler Bedeutung). Über nahezu quadratischer Grundfläche erhebt sich der zweigeschossige Mauerbau unter einem behäbigen Gehrschilddach mit Giebelründen und zierbeschnitzten Bügen. Die in verputztem Sandsteinmauerwerk aufgeführten Fassaden sind von Eckquadern gefasst und mit einem umlaufenden Gurtgesims geschossweise gegliedert. Die fünfachsige östliche Trauffront tritt als symmetrisch disponierte Schaufassade mit zentralem Hauseingang in Erscheinung. Grosszügig befenstert ist auch die nach Norden auf die Picardiestrasse blickende Stirnfront, während die rückwärtige Südfassade lediglich zweiachsig ausgebildet ist. Die Axialität der Eingangsfront betont ein mittiger Zwerchgiebel mit grosser Lünette, an deren Bogenscheitel das Baudatum "1833" angebracht ist. Die Fenstergewände sind in Sandstein gehauenen und mit Ladenfalz sowie wulstförmigen Gesimsen ausgestattet. Das über eine doppelläufige Muschelkalktreppe zugängliche Hausportal weist mit seinem leicht stichbogigen Sturz stilistisch noch in den Spätbarock, gleich wie die Giebelründe mit den kerbschnittartig beschnitzten Bügen. Ebenso aus der Erbauungszeit stammt die zweiflüglige eichene Brettertür mit gefelderter Aufdoppelung und sorgfältig gearbeiteten Messingbeschlägen. Demgegenüber ist der Putzdekor im Erdgeschoss, bestehend aus einem groben Besenwurf mit einem horizontalen Fugenmustern sowie einem kantigen umlaufenden Gurtgesims, in die Zeit um 1900 einzuordnen. Die westseitig vorgelagerte hölzerne Laubenfront wurde vor einigen Jahrzehnten teilweise in Sichtbackstein erneuert. Das Wohnhaus umfasst in seiner originalen Konzeption zwei Stockwerkwohnungen mit gemeinsamer Erschliessung über den mittig angelegten Stichgang mit Treppenhaus [4]. Über dieses sind auch die beiden quer zur Firstrichtung angeordneten Gewölbekeller erreichbar. Das Vorderhaus beherbergt jeweils zwei Stuben, das Hinterhaus die Küche und zwei flankierende Kammern. Durch die mittige Stellung der Küche konnten sämtliche Zimmer von hier aus beheizt werden. Von der bauzeitlichen Ausstattung ist ein klassizistischer weisser Kastenofen im Obergeschoss hervorzuheben. Ein mit zwei unterschiedlichen Fronten ausgestatteter Kastenofen in der Trennwand der beiden unteren Südzimmer datiert ebenfalls ins 19.Jh., dürfte jedoch nachträglich hierher versetzt worden sein. In eine jüngere Sitzkunst eingelassen sind weissgrundige Zierkacheln mit Vasen- und Girlandenmotiv sowie aufgemalten Sinnsprüchen, aus der Hand des bekannten Aarauer Ofenmaler Johann Heinrich Egli stammend. Auf der einen Zierkachel findet sich die Hafnerinschrift "Joh. Jakob Andres älter Hafner M[ei]st[e]r in Arau. 1833" [5]. Weitere Ausstattungsteile der Erbauungszeit sind der hölzerne Treppenaufgang mit biedermeierlichem Staketengeländer, etliche Füllungstüren mit Messingbeschlägen, Gipsdecken mit schlichten Stuckprofilen in den unteren Südzimmern und dem oberen Flur sowie Wand- und Deckentäfer mit Felderteilung. Bemerkenswert ist auch die obere Küche mit altem eisernem Sparherd, Schlupfkamin, gekachelter Feuerwand und Ofeneinfeuerungen (Inneres gemäss Kurzinventar von 1997). |
Anmerkungen: | [1] Staatsarchiv Aargau, BA.05.0079: Brandassekuranz Schöftland/Bezirksamt Kulm 1829.- Brandkatastereintrag von 1829: Wohnhaus mit Bescheuerung von Stein und Holz, mit gewölbtem Keller und Strohdach; Eigentümer Heinrich Müllers Ehefrau. – Brandkatastereintrag von 1833: Erhöhung wegen Neubau; Wohnhaus von Mauer, mit Anbau und Laube von Holz, 2 gewölbte Keller und Ziegeldach; Eigentümer Heinrich Müller Handelsmann. [2] 1832 versteuerte Johann Rudolf Wirz, Gerber, Fr.11'000.- für sein "neues Wohnhaus samt Scheune" sowie zahlreiche Äcker und Matten. Er gehörte damit zu den zwölf vermögendsten Steuerzahlern in Schöftland; Steuerbuch von 1832, vgl. Kamber 1984, S.86-87. [3] Akten Bauarchiv Schöftland. [4] Das Erdgeschoss wurde nachträglich in eine 2-Zimmer-Wohnung und ein Atelier mit Ladenlokal aufgeteilt. [5] Der bekannte Ofenmaler Johann Heinrich Egli (1776-1852) war unter anderem lange Jahre für den Aarauer Hafner Andres tätig. Vgl. Räber 2002, S. 198-202. |
Erwähnung in anderen Inventaren: | - Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung. |
Literatur: | - Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 2, Baden 2002. - Heinz Baumann/Walter Widmer, Weisch no? Alte Photographien aus dem Ueker-, Suhren- und Ruedertal, Schöftland 1911, S. 76. |
Reproduktionsbestimmungen: | © Kantonale Denkmalpflege Aargau |
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URL for this unit of description |
URL: | http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=128343 |
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