INV-TUR902 Kath. Pfarrkirche (Christkönigkirche), 1957-1959 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-TUR902
Signatur Archivplan:TUR902
Titel:Kath. Pfarrkirche (Christkönigkirche)
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Gesamtansicht von Osten (2015)
Bezirk:Baden
Gemeinde:Turgi
Adresse:Weichlenstrasse
Versicherungs-Nr.:427
Parzellen-Nr.:473
Koordinate E:2661496
Koordinate N:1260281
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2661496&y=1260281

Chronologie

Entstehungszeitraum:1957 - 1959
Grundlage Datierung:Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Sakrale Bauten und Anlagen
Nutzungstyp (Stufe 2):Kirche (röm.-kath.)
Epoche / Baustil (Stufe 3):Nachkriegsmoderne

Dokumentation

Autorschaft:Pfammatter und Rieger (Ferdinand Pfammatter und Walter Rieger), Architekten, Zürich; Paul Monnier, Glasmaler, Lausanne
Würdigung:Durch die Zürcher Architekten Pfammatter und Rieger errichtete katholische Pfarrkirche von 1957-59, die durch ihre betont modernen Formen auffällt. Der mit einem hellen Anstrich versehene Sichtbetonbau setzt sich aus einem kreisrunden Zentralraum mit fassadenfüllenden Betonverglasungen und den polygonalen Baukörpern von Chor und Eingang zusammen; vor der Kirche erhebt sich der freistehende Glockenturm, der über den Bahnhof hinweg von weitem sichtbar ist. Als ein wichtiges Werk der besonders als Kirchenbauer hervorgetretenen Architekten kommt dem Bauwerk ein herausragender Stellenwert für die Kirchenarchitektur der Nachkriegszeit zu. Mit seiner zentralräumlichen Ausrichtung verweist er zudem auf die damals neuen liturgischen Tendenzen im Vorfeld des Zweiten Vatikanischen Konzils.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Auch nach der politischen Trennung Turgis von Gebenstorf blieben die Angehörigen beider Konfessionen nach Gebenstorf kirchgenössig [1]. Der Wunsch nach eigenen Gotteshäusern blieb vorerst unrealisiert. Seit der Schaffung eines Vikariats 1925 konnten die Katholiken in der 1894 errichteten Ludwigskapelle jeden Sonntag eine heilige Messe feiern. Praktisch gleichzeitig mit dem protestantischen Gemeindeverein (vgl. Bauinventarobjekt TUR903) wurde 1936 auch ein katholischer Kirchenbauverein gegründet, der 1948 eine Baukommission zur Erstellung einer katholischen Kirche in Turgi bestellte. 1950 erfolgte die Gründung einer eigenen Pfarrei Turgi [1].
1955 erarbeitete der Architekt Paul Gaudy aus Rorschach, Sohn des bekannten Kirchenbauers Adolf Gaudy [2], ein Vorprojekt. Auf dieser Grundlage veranstaltete man 1956 einen Wettbewerb unter vier eingeladenen Architekten, nachdem man kurz zuvor noch den seit 1950 vorgesehenen Bauplatz im „Gut“ mit dem definitiven in den „Weichlen“ vertauscht hatte. Zum Siegerprojekt wurde der Beitrag „Pax“ der Architekten Ferdinand Pfammatter und Walter Rieger, Zürich, bestimmt; weitere Teilnehmer waren Gaudy selbst, Otto Sperisen, Solothurn sowie Alois Stadler und Hanns A. Brütsch, Zug.
Ferdinand Pfammatter (1916-2003) und Walter Rieger (1915-1990) führten seit 1948 in Zürich ein gemeinsames Büro, das noch bis 1967 bestand. Sie hatten zu diesem Zeitpunkt in Zürich und Umgebung bereits mehrere katholische Kirchen realisiert, so Dreikönigen in Zürich-Enge (1949/50) und St. Gallus in Zürich-Schwamendingen (1955/56), die beide stark von Auguste Perrets bekannter Betonkirche Notre Dame du Raincy (bei Paris) inspiriert waren. Mit weiteren Bauten in den darauffolgenden Jahren erlangten sie breite Bekanntheit und gehören aus heutiger Sicht zweifellos zu den bedeutendsten schweizerischen Kirchenarchitekten der Nachkriegszeit [3].
Gemäss dem Projekt von Pfammatter und Rieger wurde die Ausführung des Baus 1957 begonnen und die Baustelle mit der Grundsteinlegung am 8. Dezember 1957 feierlich eingesegnet. Am 15. März 1959 erfolgte die Kirchweihe durch Franciscus von Streng, Bischof von Basel und Lugano. Die Bildhauerarbeiten wurden von den Architekten selbst entworfen [4]. Der Glasmaler Paul Monnier, Lausanne, entwarf eine Kreuzwegdarstellung als Betonverglasung. Das Geläute wurde von Rüetschi in Aarau geliefert [5]. Nur ein Jahr nach der Fertigstellung der katholischen Kirche wurde 1960 auch die reformierte Kirche eingeweiht (vgl. Bauinventarobjekt TUR903).
Erst 1973 erhielt die Kirche eine Orgel (Orgelbau Metzler, Dietikon) [6]. Gleichzeitig wurde eine erste Renovation vorgenommen, der 1998 eine Gesamtrenovation folgte [7].
Beschreibung:Die katholische Christkönigskirche von Turgi steht südlich des Bahnhofs in der „Weichlen“, wo sie mit ihrem Turm über das Bahnareal hin von weitem sichtbar ist. Es handelt sich um einen betont modernen Sakralbau, der in zentralräumlicher Disposition mit freistehendem Glockenträger konzipiert ist. Aus Sichtbeton ausgeführt, war das Gebäude bereits ursprünglich mit einem farblich differenzierten Anstrich versehen (vgl. historische Aufnahmen). Innerhalb des Werks von Pfammatter und Rieger entfernte sich der Bau damit stärker von der klassizistischen Haltung Auguste Perrets, wie sie noch in der etwas früheren Zürcher Dreikönigskirche deutlich spürbar ist [8]. Auch folgte er zum ersten Mal einer zentralräumlichen Orientierung, nachdem Pfammatter noch in seiner Dissertation zum modernen Kirchenbau von 1948 die traditionelle Längsrichtung befürwortet und sich kritisch über zentralisierende Räume für katholische Kirchen geäussert hatte [9]. Umsetzung fand in Turgi so die Forderung der liturgischen Bewegung, die Gemeinde näher an den Altar zu rücken, wie sie später auch in den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils Ausdruck fand [10].
Im Grundriss besteht die Kirche aus einem kreisrunden Schiff von zwanzig Metern Durchmesser, dem zwei Trapeze für den Chor sowie für Eingang und Empore angefügt sind. Vor dem südwestorientierten, kompakten Baukörper erhebt sich der freistehende Glockenturm, welcher den Zugang von der Weichlenstrasse her markiert. Der Hauptbau ist in seiner Mittelpartie durch grossflächige Glasbetonfenster bestimmt, während die beiden trapezförmigen Seitenstücke fensterlos sind. Horizontal werden die Glasbetonfenster durch zwei dunkler gefasste Fassadenbänder unterbrochen; vertikal sind sie durch quergestellte, dünne Wandscheiben gegliedert, die wie die übrigen Fassadenmauern hell gefasst sind. Sie fungieren als Träger für das Dach, eine flache Kuppel mit konischem Abschluss, die über einem horizontal betonten, über den Baukörper vorspringenden Flugdach aufsetzt. Analoges gilt für das strassenseitige, weit auskragende Vordach, das nicht nur den Einang beschirmt, sondern auch einen Annexbau mit der Taufkapelle einbezieht. Es endet mit einer schmalen Fuge kurz vor dem leicht vorgerückten Glockenturm, der so als freistehender Baukörper artikuliert ist. Dieser setzt sich aus zwei unterschiedlich hohen, im Winkel von 90 Grad gegeneinander verdrehten Jochen zusammen, deren dünne Betonscheiben als spannungsvolle geometrische Skulptur erscheinen und Durchblicke auf das offene Turminnere geben. Asymmetrisch über die Fassadenplatte auskragend sind im dritten Turmgeschoss zwei grossflächige Zifferblätter angebracht.
Im rückwärtigen Bereich des Areals schliesst, über einen langgestreckten eingeschossigen Zwischentrakt direkt mit der Kirche verbunden, das Pfarrhaus an. Das zweistöckige Gebäude, das von einem flachgeneigten Satteldach abgeschlossen wird und dessen Eingang im Zwischentrakt liegt, zeigt im Erdgeschoss breitrechteckige Einzelfenster, im Obergeschoss ein betont modernes Bandfenster.
Der Kircheneingang unter dem strassenseitigen Vordach besteht aus drei Türen, die mit abstrakten Kreuzmustern aus goldeloxiertem Aluminiumblech verziert sind. Sie geben Zugang zu einer Vorhalle, von der aus linkerhand die Taufkapelle, rechts über eine Treppe die Empore erschlossen sind. Bemerkenswert sind die schön gestalteten, marmornen Weihwasserbecken, die in ebenfalls marmorne Wandfelder mit goldener Rahmung eingelassen sind. Das kreisrunde Kirchenschiff erhält durch die Glasbetonfenster eine gedämpfte Lichtstimmung, während der polygonale Chorbereich durch zwei für den Eintretenden nicht sichtbare, raumhohe Fensterflächen zusätzlich belichtet wird. Auf gegensätzliche Wirkung angelegt sind auch die flachen Chor- und Emporendecken, welche mit der flachen Kuppelschale des Schiffs kontrastieren. Die Betonverglasungen von Paul Monnier, Lausanne, zeigen im oberen Bereich des unteren Registers einen Kreuzweg in stilisierten und archaisierenden Formen, wobei die Farbpalette von gelb und blau dominiert wird. Im untersten Streifen und im gesamten oberen Register hingegen sind ähnliche Motive in rein ornamentaler, unregelmässiger Weise abgewandelt. Dazwischen liegt ein mit hellem Holz verblendeter Wandstreifen.
Der Altar ist als langgestreckter, seitlich weit auskragender Block aus Botticino-Marmor gestaltet. Darüber hängt axial ein lebensgrosser, farbig gefasster Kruzifixus „von ungelenk massigem Körperbau, zweite Hälfte 17.Jh.“ [11]; rechts steht eine farbig gefasste Muttergottesstatue. Die Beleuchtungskörper sind seit der Renovation von 1998 ersetzt, entsprechen in der Disposition aber dem ursprünglichen Zustand. Auf der geschwungenen Empore steht die Orgel von 1973. Unter der Empore sind zu beiden Seiten des Eingangs die in das Gesamtkonzept eingebundenen Türen der Beichtstühle angeordnet. Der Boden ist mit mattschwarzen Fliesen belegt. Darauf stehen noch die ursprünglichen, schlichten, aber gediegen gestalteten Kirchenbänke.
Die Taufkapelle wird durch eine farblich ähnliche, in den Formen allerdings flächige Kunstverglasung belichtet. Sie ist mit Taufbecken und Altar wiederum aus Marmor sowie einer weiteren Muttergottesstatue ausgestattet.
Anmerkungen:[1] Geschichtliches nach Haller / Haller 1984, S. 130-132 u. Christkönigskirche Turgi 1959, S. 27-31.
[2] Zu Paul Gaudy vgl. Rucki / Huber 1998, S. 206, s.v. ‚Adolf Gaudy‘.
[3] Vgl. zu Pfammatter und Rieger allg. Fischer 2011, insbes. S. 10f. u. 22f. sowie Katholische Kirchen der Stadt Zürich 2014, S. 21, 38-45, 134-141, 200.
[4] Tremp 1969, S. 13.
[5] Beteiligte Personen, Firmen und Handwerker in Christkönigskirche Turgi 1959, S. 33f.
[6] Haller / Haller 1984, S. 130-133.
[7] Aargauer Zeitung, 7.3.1998.
[8] Vgl. Fischer 2011.
[9] Vgl. Fischer 2011, S. 22f., wo auf die Turgemer Kirche allerdings nicht eingegangen wird.
[10] Vgl. Fischer 2011 sowie allgemein Brentini 1994, S. 115-136 u. 145-148.
[11] Hoegger Kdm AG VII 1995, S.143.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
Literatur:- Aargauer Zeitung, 7.3.1998 (Umbau 1998).
- Christkönigskirche Turgi. Kirchweihe 15. März 1959 [Festschrift], Turgi 1959.
- Adolf u. Jürg Haller, Chronik von Turgi (2., erweiterte Auflage) Turgi 1984, S. 130-133.
- Peter Hoegger, Die Landgemeinden des Limmattals, des Surbtals, des Aaretals und des Unteren Reusstals sowie das Kloster Fahr (Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Band VII), Basel 1995, S. 143.
- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, hg. v. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2005, S. 136.
- Josef Tremp, Moderne Kirchenbauten im Bezirk Baden, in: Badener Neujahrsblätter, 1969, S.3-15, hier S. 12f.
- Fabrizio Brentini, Bauen für die Kirche. Katholischer Kirchenbau des 20. Jahrhunderts in der Schweiz, Luzern 1994, S. 115-136 u. 145-148 (architekturhistorischer Kontext).
- Markus Fischer, Dreikönigskirche in Zürich-Enge (Schweizerische Kunstführer, Nr. 896), Bern 2011 (zu den Architekten).
- Katholische Kirchen der Stadt Zürich. Bestandesverzeichnis, Hrsg.: Stadt Zürich, Amt für Städtebau, Denkmalpflege der Stadt Zürich, Zürich 2014, S. 21, 38-45, 134-141, 200 (zu den Architekten).
- Isabelle Rucki/Dorothee Huber (Hrsg.), Architektenlexikon der Schweiz: 19./20. Jahrhundert, Basel 1998, S. 206 (Art. ‚Adolf Gaudy‘) (zum beteiligten Architekten Paul Gaudy).
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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