INV-TUR912 Gemeindeschulhaus, 1897-1898 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-TUR912
Signatur Archivplan:TUR912
Titel:Gemeindeschulhaus
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Süden (2016)
Bezirk:Baden
Gemeinde:Turgi
Adresse:Schulhausstrasse 4
Versicherungs-Nr.:143
Parzellen-Nr.:33
Koordinate E:2661173
Koordinate N:1260677
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2661173&y=1260677

Chronologie

Entstehungszeitraum:1897 - 1898
Grundlage Datierung:Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Öffentliche Bauten und Anlagen
Nutzungstyp (Stufe 2):Schulhaus
Epoche / Baustil (Stufe 3):Historismus

Dokumentation

Autorschaft:Karl Moser, Architekt, Karlsruhe
Inschriften:"1898" (Treppenhausrisalit Ostfassade)
Würdigung:Markanter späthistoristischer Schulhausbau, der 1897/98 von Karl Moser errichtet wurde. Das am Äusseren weitgehend intakte Gebäude fällt durch seine wuchtige Erscheinung wie auch seine aufwendige, in neugotischen Formen gehaltene Haustein-Instrumentierung auf. Als Werk des wohl bedeutendsten Schweizer Architekten seiner Zeit kommt ihm nicht nur eine besondere architekturgeschichtliche Bedeutung zu; es steht damit auch für den Aufbruch der noch jungen Gemeinde Turgi in den Jahren um 1900. Mit seiner herausgehobenen Lage setzt das Schulhaus ebenso wie die Fabrikbauten einen weithin sichtbaren Akzent im Dorfbild von Turgi.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Verschiedentlich wurde nach der Gründung der Turgemer Spinnerei die Forderung nach einer eigenen Schule erhoben, um den Kindern der Schulweg nach Gebenstorf zu ersparen. Von 1838-49 betrieben die Gebrüder Bebié in einem Waschhaus eine Fabrikschule. 1854 willigte die Gemeinde Gebenstorf ein, mit finanzieller Unterstützung durch Rudolf Bebié in Turgi ein Schulhaus zu errichten. 1896 entschloss sich die 1884 selbständig gewordene Gemeinde Turgi aufgrund des gewachsenen Platzbedarfs für einen Neubau. Nachdem man die Bauplatzfrage im Sinn von Kappeler-Bebiés Erben entschieden hatte, die als Landverkäufer auftraten, holte man 1897 zunächst Skizzen beim Villiger Baumeister Baumann und beim aargauischen Hochbaumeister Robert Ammann ein, deren Entwürfe aber offenbar nicht befriedigten [1].
Nur wenig später verpflichtete man für das Projekt den bekannten Architekten Karl Moser, der aus Baden stammte, zusammen mit seinem Associé Robert Curjel aber in Karlsruhe ansässig war und seit 1892 ein schweizerisches Zweigbüro in Aarau führte [2]. Insbesondere hatte Moser 1891-95 die Aarauer Kantons- und Gewerbeschule erbaut, was für seine Wahl wohl den entscheidenden Ausschlag gab. Am 12. September 1897 bewilligte die Gemeindeversammlung im Sinn der Schulhausbaukommission einen Baukredit von 90 000 Franken, worauf der Bau bis 1898 realisiert wurde. Er beherbergte ursprünglich auch das über einen separaten Zugang erschlossene Büro der Gemeindeverwaltung (vgl. Baupläne und historische Aufnahme). Ausdrücklich entschied man sich bei der Ausführung auch für eine aufwendige Materialisierung und hielt etwa fest, dass für die Fenstergewände nicht der günstigere Kunst- sondern „Bernerstein“ (Sandstein) zu verwenden sei [3].
1925 erhielt der Dachreiter seine Uhr, die man beim Bau aus Kostengründen doch eingespart und zunächst nur als Trompe-l’oeil-Bild aufgemalt hatte [4]. Von 1936 bis zur Einweihung der katholischen Kirche im Jahr 1959 nutzte man die im Dachgeschoss untergebrachte Aula als Gottesdienstlokal [5]. In den 1970er Jahren wurde das Schulhaus durch mehrere bauliche Eingriffe im Inneren stark umgestaltet und an der Nordseite um einen Flachdachanbau erweitert. Eine Gesamtrenovation erfolgte in den Jahren 2009/10, wobei unter anderem der Dachraum in seinen ursprünglichen Proportionen wiederhergestellt wurde (Architekt Erwin Werder, Baden) [6].
Beschreibung:Das Gemeindeschulhaus ist ein verputzter Mauerbau, der in den neugotischen Formen des Späthistorismus gehalten ist und mit seinem hochragendes Dach wie auch seiner wuchtigen Erscheinung weithin sichtbar in Erscheinung tritt. Er wendet sich mit seiner Hauptfassade nach Süden zum etwas später erbauten Bezirksschul- und heutigen Gemeindehaus, mit dem zusammen er seither eine architektonisch stimmige Schulanlage bildet. Als quergelagerter Baukörper mit einbündig angeordneten, durchgehend nach Süden ausgerichteten Schulzimmern, einer axialsymmetrisch gegliederten Hauptfassade mit überhöhter Mittelpartie und einem hohen Satteldach bildet das Gebäude typologisch eine Gruppe mit zwei wenig später realisierten Schulhäusern von Curjel & Moser in Olten und St. Gallen [7]. Direkt vergleichbar ist auch das vermutlich ebenfalls von denselben Architekten erbaute Schul- und Gemeindehaus von Seon (vgl. Bauinventarobjekt SEO905).
Der grossvolumige Baukörper umfasst zwei Vollgeschosse von beachtlicher Raumhöhe. Er sitzt auf einem Hausteinsockel aus grob bossiertem Jurakalk, wie er im Sinn eines „mittelalterlichen“ Erscheinungsbilds auch für die gezahnten Eckquader der Gebäudekanten und die steilen Treppengiebel Verwendung fand. Die Südfassade wird von fünf Fensterachsen gegliedert, die von breiten dreiteiligen Reihenfenstern mit geohrten Sandsteingewänden und gotisierender Kehlung besetzt sind. Im Obergeschoss werden diese zusätzlich von Entlastungsbögen überfangen, die wiederum aus grob bossierten Kalksteinquadern bestehen. Durch einen Nebeneingang für die Gemeindeverwaltung, der entgegen den Bauplänen in der Osthälfte des Gebäudes angelegt war, und durch ein schmales Einzelfenster in der zweiten Fensterachse von Westen war die Symmetrie ursprünglich etwas gestört (vgl. historische Aufnahme); beide Achsen wurden später entsprechend den übrigen Fenstern umgestaltet. Über der Mittelachse erhebt sich prominent ein geschweifter Dacherker, der Anklänge an Jugendstil und Neobarock zeigt. Das steile, schon ursprünglich ausgebaute Dach ist von axial bezogenen, breiten Schleppgauben besetzt und wird von einem hübschen Uhrtürmchen überhöht. „Die Haube des Firsttürmchen zeigt - gleichsam als Signatur des Architekten - vier markante drachenköpfige Wasserspeier.“ [8].
Asymmetrisch gegliedert zeigt sich die östliche Giebelfassade, die sich in ein breites, einachsiges Wandfeld und den schmalen, um Mauerstärke vorspringenden Treppenhausrisalit teilt. Von einem eigenen kleinen Zinnengiebel abgeschlossen, ist dieser mit schlanken, dreiteiligen Reihenfenstern versehen, die vertikal von durchlaufenden Lisenen zusammengefasst werden und in einem gleichfalls dreigeteilten Rundbogen enden. Auf einem Brüstungsfeld ist das Baujahr 1898 aufgemalt; im Erdgeschoss liegt der von einem wuchtigen, gekehlten Portalgewände gefasste Haupteingang. Wiederum axialsymmetrisch gegliedert ist die zweiachsige westliche Giebelfassade. Nur vergleichsweise spärlich befenstert, aber gleichfalls mit mittigem Dacherker zeigt sich die rückwärtige Nordfassade, an der die Korridore liegen. Zum ursprünglichen Bestand gehört auch der rückwärtige Schleppdachanbau mit den Aborten, die jeweils von unterschiedlichen Treppenpodesten erschlossen sind und daher versetzte Geschosshöhen zeigen. Ein wenig sensibel gestalteter, kubisch stark gegliederter Flachdachanbau der 1970er Jahre liegt vor der gesamten Länge der Nordfassade; seit der jüngsten Renovation ist er gestalterisch etwas besser eingebunden.
Das Treppenhaus bewahrt die originale Granittreppe. Ansonsten ist das Gebäudeinnere vollständig modernisiert. Die Hauptgeschosse beherbergen je drei grosse Unterrichtsräume, die über einen geräumigen nordseitigen Korridor erschlossen sind. Der Dachraum präsentiert sich seit der jüngsten Renovation wieder in seinen ursprünglichen Ausmassen.
Anmerkungen:[1] Geschichtliches nach Siegenthaler 1999, S. 146-148, mit weiterführender Literatur, sowie Haller / Haller 1984, S. 99f.
[2] Zu Karl Moser (1860-1936) vgl. allg. Oechslin / Hildebrand 2010, Biografisches Bd. 2, S. 406-410.
[3] Siegenthaler 1999, S. 149.
[4] Haller / Haller 1984, S. 103.
[5] Christkönigskirche Turgi 1959, S. 9, Taf.4.
[6] Baueingabepläne im Archiv der Gemeinde.
[7] Vgl. Oechslin / Hildebrand 2010, Bd. 2, S. 70.
[8] Hoegger Kdm AG VII 1995, S. 149; vgl. dazu Mosers Wasserspeier an den Kirchtürmen von Kirchdorf und Wettingen, ebd. S.95, 198 und Abb. 206.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
- ICOMOS. Liste historischer Gärten und Anlagen der Schweiz, Kanton Aargau, Turgi 4042-2.
- Gemeinde Turgi. Kommunales Inventar Bauten und Anlagen, bearbeitet durch das Büro Arcoplan, 1993, Nr. 10.
Literatur:- Christkönigskirche Turgi. Kirchweihe 15. März 1959, Turgi 1959, S. 9, Taf.4.
- Adolf und Jürg Haller, Chronik von Turgi. Festschrift zum hundertjährigen Bestehen der Gemeinde Turgi, Turgi 1984, S. 99f. u. 103.
- Peter Hoegger, Die Landgemeinden des Limmattals, des Surbtals, des Aaretals und des Unteren Reusstals sowie das Kloster Fahr (Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Band VII), Basel 1995, S. 149.
- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, hg. v. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2005, S. 136.
- Werner Oechslin u. Sonja Hildebrand (Hg.), Karl Moser. Architektur für eine neue Zeit. 1880 bis 1936, 2 Bde., Zürich 2010, Bd. 2, S. 348.
- Silvia Siegenthaler, Junge Gemeinde - imposantes Schulhaus. Karl Moser baute vor 100 Jahren das Schulhaus von Turgi, in: Badener Neujahrsblätter, Bd. 74 (1999), S. 146-151
- Verweben. Siedlungsentwicklung und historische Identität in der Gemeinde Turgi, hrsg. von der Gemeinde Turgi, Turgi 2014, S. 24-27.
Quellen:- Gemeinde Turgi, Baugesuchsarchiv; versch. Umbaupläne.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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Related units of description:siehe auch:
DOK-TUR839.015 Gemeindeschulhaus, 1898 (Dossier (Dokumentationsobjekte))
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=129084
 

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