INV-GEB931 "Polenkäfig", 1940 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-GEB931
Signatur Archivplan:GEB931
Titel:"Polenkäfig"
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Nordwesten (2012)
Bezirk:Baden
Gemeinde:Gebenstorf
Ortsteil / Weiler / Flurname:Steig
Adresse:Steigstrasse
Versicherungs-Nr.:890
Parzellen-Nr.:818
Koordinate E:2661206
Koordinate N:1258567
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2661206&y=1258567

Chronologie

Entstehungszeitraum:1940
Grundlage Datierung:Literatur
Nutzungen:1940-43 Arrestlokal eines Lagers für internierte polnische Soldaten

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Öffentliche Bauten und Anlagen
Nutzungstyp (Stufe 2):Arrestlokal

Dokumentation

Würdigung:Kleiner, eingeschossiger Mauerbau, der heute einen der wenigen Überreste eines Lagers für polnische Internierte aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs bildet. Zwischen 1940 und 43 bestand in Gebenstorf eines von mehreren Lagern für polnische Soldaten, die in Frankreich gekämpft hatten und 1940 kurz vor der Niederlage in die Schweiz geflohen waren. Das sicherlich bereits ältere Gebäude, dessen frühere Nutzung unbekannt ist, diente gemäss der Überlieferung damals als Arrestlokal, weshalb es im Volksmund den Namen „Polenkäfig“ erhielt.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das Gebäude gehörte im Zweiten Weltkrieg zu einem Lager für internierte polnische Soldaten. Kurz vor der Niederlage Frankreichs konnte sich im Juni 1940 ein französisches Armeekorps, dem neben 29‘000 Franzosen auch 12‘000 Soldaten und Offiziere der polnischen Exilarmee angehörten, in die Schweiz absetzen [1]. Während die Franzosen bald wieder zurückgeführt wurden, blieben die Polen bis nach Kriegsende in der Schweiz. Zunächst beschloss die Armee, die Soldaten und Offiziere zentral in möglichst grossen Lagern zu internieren, um sie zu versorgen und zu überwachen und den Kontakt mit der Bevölkerung zu unterbinden. Mit der wachsenden Unzufriedenheit der Internierten, die zur Untätigkeit gezwungen waren, erwies sich dies aber schon bald als Fehlkonzeption, weshalb man die Internierten schliesslich auf eine ganze Anzahl kleinerer Lager verteilte. Auch wurden sie nun für die im November 1940 beschlossene „Anbauschlacht“ und für Arbeitseinsätze in Industrie, Strassenbau oder auch Waldwirtschaft herangezogen.
Eines von mehreren Interniertenlagern im Kanton Aargau wurde in Gebenstorf eingerichtet [2]. Es lag vom Dorf getrennt in einem Talkessel des Hölibachs und bestand aus mehreren Baracken, die im November 1940 von 250 polnischen Soldaten und Offizieren bezogen wurden. Zum Lager gehörte auch das heute noch bestehende Nebengebäude, ein sicherlich älterer Kleinbau, den man als Arrestlokal umfunktionierte und der daher im Volksmund die Bezeichnung „Polenkäfig“ erhielt. Er soll zur Bestrafung von Internierten gedient haben, wobei insbesondere verbotene Kontakte mit einheimischen Frauen in Erinnerung geblieben sind [3]. So war den Internierten in Gebenstorf wie auch in den anderen Lagern der Kontakt mit der lokalen Bevölkerung verboten, und es bestand auch ein ausdrückliches Heiratsverbot mit Schweizerinnen. Bei der Zivilbevölkerung stiessen die Internierten jedoch vielerorts auf grosse Sympathie, weshalb man sich in einem gewissen Rahmen auch über die Verbote hinwegsetzte.
1943 verliessen die internierten Polen das Lager in Gebenstorf, das in der Folge wieder abgebaut wurde. Neben dem sogenannten „Polenkäfig“ sind in Gebenstorf nur wenige weitere Zeugnisse für die Anwesenheit der Polen erhalten: ein Wandbild eines Soldaten Strycek im Oberen Schulhaus, eine Gedenktafel an die Muttergottes von Tschenstochau im in der katholischen Kirche sowie ein Grab auf dem Friedhof [4].
Am ehemaligen Arrestlokal erinnert heute eine Gedenktafel an das lokal als „Klein-Warschau“ bekannte Interniertenlager. In jüngerer Zeit wurde der Kleinbau, der privat genutzt wird, renoviert und das Dach erneuert.
Beschreibung:Der eingeschossige Kleinbau ist im Talkessel des Hölibachs bergseits der Steigstrasse an den Waldrand gesetzt. Er ist aus unverputzten Bruchsteinen massiv aufgemauert und wird von einem einfachen Satteldach abgeschlossen (Eindeckung erneuert). Aus der Zeit um oder kurz vor 1940 stammen noch das zur Strasse gewandte, breitrechteckige Fenster und eine der beiden rückwärtigen Brettertüren. Jünger sind der talseitig anschliessende Pultdachanbau und der Innenausbau.
Anmerkungen:[1] Vgl. zur Internierung polnischer Soldaten in der Schweiz allg. etwa Mullis 2003; Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg 2002, S. 113f.
[2] Vgl. Sauerländer / Steigmeier 1997, S. 121f.
[3] Sauerländer / Steigmeier 1997, S. 122 sowie freundliche Auskunft von Andreas Steigmeier, Baden, 2016.
[4] Sauerländer / Steigmeier 1997, S. 122; Rucki 1997, S. 139.
Literatur:- [Ruben Mullis], Die Internierung polnischer Soldaten in der Schweiz, 1940-1945, hrsg,. von der Militärakademie an der ETH Zürich, Au ZH 2003 (zum historischen Kontext).
- Dominik Sauerländer / Andreas Steigmeier, „Wohlhabenheit wird nur Wenigen zu Theil“. Aus der Geschichte der Gemeinde Gebenstorf, Gebenstorf 1997, S. 120-123.
- Jerzy Rucki, Die Schweiz im Licht – Die Schweiz im Schatten. Erinnerungen, Rück- und Ausblick eines polnischen Militärinternierten in der Schweiz während des Zweiten Weltkrieges, Kriens 1997, S. 139 (Wandbild im Schulhaus).
- Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg, Die Schweiz, der Nationalsozialismus und der Zweite Weltkrieg. Schlussbericht, Zürich 2002, S. 113f. (zum historischen Kontext).
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=129467
 

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