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INV-UNS929E Neue Färberei Stroppel, 1907-1909 (Dossier (Bauinventar))
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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 1907 - 1909 |
Grundlage Datierung: | Brandkataster |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Teil einer Baugruppe |
Weitere Teile der Baugruppe: | Bauten der Nähfadenfabrik Stroppel (Bauinventarobjekte UNS929A-D, F-M) |
Nutzung (Stufe 1): | Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Fabrikgebäude, Manufakturgebäude |
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Dokumentation |
Würdigung: | Eingeschossiger, ehemals flach gedeckter Fabriktrakt von 1909, der im mittleren 20. Jahrhundert ein Sheddach erhielt und seither die Anlage mit einer für damalige Industriebauten charakteristischen gezahnten Silhouette ergänzt. Im Innern haben sich im Zementboden noch Reste der früheren Behälter zum Färben und Bleichen der Garne erhalten. Das verputzte und wie die gründungszeitlichen Produktionsbauten im Nordwesten von Lisenen gegliederte Gebäude, das nach dem Ausbau der Nähfadenfabrik durch die neue Eigentümerin J. & P. Coats Ltd. das alte Färbereigebäude (Bauinventarobjekt UNS929D) in seiner Funktion ablöste, schliesst den zeilenförmigen Fabrikkomplex nach Südosten ab. Die neue Färberei ist ein wichtiger Bestandteil der hinsichtlich ihrer Lage im Wasserschloss und der nahezu vollumfänglichen Erhaltung aller zugehörigen Bauten einzigartigen Fabrikanlage im Stroppel. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Fabrikanlage allgemein: Pläne von alt Ammann Johann Baptist Umbricht und "Löwen"-Wirt Josef Leonz Müller aus Untersiggenthal, im Stroppel am rechten Limmatufer eine Baumwollspinnerei und -weberei zu eröffnen, wurden trotz der 1864 regierungsrätlich erteilten Konzession für ein Wasserrad nicht umgesetzt. 1867 erwarb der Zürcher Unternehmer Emil Escher-Hotz sowohl Land als auch Radrecht und nahm 1869 in der neu erstellten mechanischen Nähfadenfabrik die Produktion auf [1]. Gemäss Brandkataster von 1875 umfasste das Fabrikareal damals folgende Gebäude: "1. Färberei- und Bleichereigebäude [Bauinventarobjekt UNS929D], einstöckig, von Stein erbaut mit Dampfkamin und zwei gewölbten Räumen im Erdgeschoss; 2. Zwirnereigebäude [Bauinventarobjekt UNS929A], dreistöckig, von Stein erbaut; 3. Poliergebäude [Bauinventarobjekt UNS929C], einstöckig, zwischen dem 1. und 2. Gebäude eingebaut, mit Blech- und Glasdach; 4. Turbinenhaus [Vorgängerbau des heutigen Kraftwerks von 1908/1944, Bauinventarobjekt UNS929B], einstöckig, von Stein, Riegel und Holz; 5. Sägegebäude [Bauinventarobjekt UNS929G], an das Werkstattgebäude angebaut, einstöckig, von Stein, Holz und Riegel, mit Anbau, 1 Vertikalsäge, 2 Zirkularsägen, 1 Bandsäge nebst Getriebe; 6. Werkstattgebäude [Bauinventarobjekt UNS929H], zweistöckig; 7. Ökonomiegebäude mit angebauter Stallung [Bauinventarobjekt UNS929I] [2]." Zur Anlage gehörten ausserdem ein unmittelbar neben dem Ökonomiegebäude stehendes zweistöckiges Wohnhaus mit drei Wohnungen (sog. "Meisterhaus", Bauinventarobjekt UNS929J) und im Roost zwei zweistöckige Arbeiterwohnhäuser (beide abgebrochen). Um das Einzugsgebiet für auswärts wohnende Arbeitskräfte auch auf die andere Uferseite erweitern zu können, unterhielt Escher-Hotz 1869-72 eine Fähre und 1872-1881 einen Fussgängersteg über die Limmat [3]. Mit 259 Arbeiterinnen und Arbeitern erreichte die Fabrik 1883 einen Spitzenwert [4]. 1885 beschäftigte sie noch 225 Personen – zu drei Viertel Frauen und Mädchen – und war damit die achtgrösste Fabrik im Kanton [5]. 1906 wurde die Firma von den Erben Eschers an die weltweit tätige schottische Unternehmergruppe für Nähfaden und Handarbeitsgarne, J. & P. Coats Ltd. in Glasgow verkauft und 1907 in die "Zwirnerei Stroppel AG" umgewandelt. Es folgten ein Umbau und eine Modernisierung der Anlagen, wobei das Turbinenhaus zu einem Kraftwerk (Bauinventarobjekt UNS929B) umgebaut und die Fabrik elektrifiziert wurden [6]. Neu hinzu kamen in dieser zweiten Bauetappe zwischen 1907 und 1911 flussaufwärts die neue Färberei (Bauinventarobjekt UNS929E), die Mitte 20. Jh. ein Sheddach erhielt, das Kesselhaus mit Hochkamin (Bauinventarobjekt UNS929F) und das Wasseraufbereitungsgebäude am südöstlichen Ende des Areals (nicht Bestandteil des Bauinventars). Ausserdem wurden in nordwestlicher Verlängerung der Anlage eine Direktorenvilla, ein Angestelltenwohnhaus und ein Arbeiterinnenheim mit Waschhaus (Bauinventarobjekte UNS929K-M) errichtet. Nach einem Brand im Jahr 1932 musste das Maschinenhaus des Kraftwerks neu gebaut werden [7]. Im Laufe der 1980er Jahre stellte Coats Stroppel AG die Produktion ein (Aufgabe der Zwirnerei 1985) und fokussierte sich auf den Handel mit Merceriewaren, was mit einer Stilllegung auch des Wasserkraftwerks einherging [8]. 1995 erwarb die Proma Energie AG das Kraftwerk und die historische Fabrikanlage. Nach einer sanften Nachrüstung und Automatisierung setzte sie das Kleinkraftwerk wieder in Betrieb. Seit 2011 wird es von der Axpo betrieben, welche die verbliebenen alten Maschinengruppen auswechselte. Die anderen technischen Einrichtungen blieben teilweise museal vor Ort erhalten. Im Industrieareal entwickelte sich währenddessen ein Gewerbezentrum. Heute sind in den Gebäuden der ehemaligen Nähfadenfabrik verschiedene Nutzungen vereinigt, vom Kleingewerbe und Büroarbeitsplatz über Kunstateliers und Kulturbetriebe bis zu Wohnungen.
Neue Färberei: Kurz nach der Übernahme der Nähfadenfabrik investierte die neue Eigentümerin L. & P. Coats Ltd. in die Modernisierung und Vergrösserung der Anlage. Während dieser Ausbauphase erfolgte 1909 in südöstlicher Richtung die Erweiterung der Färberei. Das hierfür neu erstellte Gebäude, das fortan die Färberei und Bleicherei samt einer "Dampftröckne-Anlage" aufnehmen sollte, wurde als flach gedeckter eingeschossiger Anbau aus Backstein errichtet. Auf dem in Holzzement konstruierten Dach waren kubische Aufbauten mit Fensterbändern erstellt [9]. Mitte 20. Jh. erhielt das Gebäude ein nach Südosten ausgerichtetes Sheddach. Wohl noch in den ersten Jahrzehnten des 20. Jh. dürfte der neuen Färberei in südöstlicher Verlängerung ein schmaler Flachdachanbau mit frei stehendem Wasserturm angefügt worden sein, wobei dieser Gebäudeteil später verbreitert, umgebaut und mit neuen Fensteröffnungen überformt wurde (vgl. historische Aufnahme aus der Zeit um 1940/50 in der Bilddokumentation). |
Beschreibung: | Das flussaufwärts an die alte Färberei (Bauinventarobjekt UNS929D) angegliederte Färberei-Erweiterungsgebäude schliesst die Zeile der längs dem Limmatkanal aufgereihten Produktionsgebäude gegen Südosten ab. Mit der gezahnten Silhouette führt der Baukörper in den sonst von spätklassizistischen und historistischen Architekturformen geprägten Gebäudekomplex ein jüngeres Element der Industriearchitektur ein. Er ist im Wesentlichen in zwei Bauetappen zu seiner heutigen Erscheinung gelangt und besteht am Erdgeschoss noch aus dem in Backstein gefügten, verputzten Mauerwerk von 1908; das Sheddach ist dagegen eine Zutat aus dem mittleren 20. Jh. anstelle der früheren kubischen Aufbauten. Es setzt nach einem flach gedeckten, einachsigen Übergangsbereich neben der Winderei an und überzieht die nachfolgenden fünf Fensterachsen je mit einem leicht gewölbten Dachsegment. Die steil abfallenden Glasflächen sind nach Südosten ausgerichtet. Die dem Limmatkanal und der Werkstrasse zugewandten Fassaden des Gebäudes zeigen eine regelmässige vertikale Gliederung mittels Lisenen in Kompartimente von jeweils einer Fensterachse. Von den farblich abgesetzten Wandfeldern leitet eine gesimsartige Abtreppung zu den leicht vorspringenden Giebelfeldern über. Flussseitig sind die einzelnen Kompartimente mehrheitlich mit hochrechteckigen Fenstern ausgestattet, zur Werkstrasse hin öffnen sie sich mit teilverglasten Metalltüren. In die einzelnen Giebelfelder sind quadratische Lüftungsöffnungen eingelassen. Sämtliche Durchgänge, Belichtungs- und Belüftungsöffnungen sind - ähnlich wie an der Nordwestfront der Zwirnerei, an der Flussfassade der alten Färberei und am Kesselhaus - ohne Gewände ins Mauerwerk eingelassen. Die Gesimse bestehen aus aneinandergefügten Backsteinen. In der Übergangszone zur alten Färberei haben sich auf beiden Seiten die originalen Holzfenster mit Kämpfer erhalten. Im angrenzenden Segment bewahrt die Hofseite noch ein ursprüngliches, hochrechteckiges Metallfenster, das sich durch zeittypisch filigrane Sprossen auszeichnet. Auf der dem Wasser zugewandten Seite sind zwei Fenster zu verglasten Türen erweitert worden, wodurch die für die Baugattung typische, einst gleichförmige, repetitive Gestaltung der Fassade teilweise aufgehoben wurde. Die Einteilung der erneuerten Fenster in vier mal fünf Felder orientiert sich an der vorgängigen Sprossierung. Der heute die Gebäudezeile um zwei Fensterachsen nach Südosten verlängernde Flachdachanbau ging aus einem ehemals schmalen, zur Limmat hin nur eine Fensterachse zählendenden, flach gedeckten Mauerbau hervor (vgl. Bilddokumentation). Die ehemalige Aussenmauer nach Südosten ist noch als Binnenwand erhalten. Bildquellen zufolge waren die Fenster in hochrechteckiger Form ausgebildet. Die Öffnungen am bestehenden Anbau sind breiter. Falls die Sprosseneinteilung der erneuerten Fensterflügel in liegende Rechteckfelder dem ursprünglichen Zustand entspricht, wurde der Anbau in seinen heutigen Dimensionen wohl um 1920/30 erstellt. Erst vor einigen Jahren erfolgte der Einbezug des funktionslos gewordenen Wasserturms in das Gebäude, indem dieser auf originelle Art teilweise von einer zusätzlichen Raumschicht umgeben und durch eine interne Wendeltreppe erschlossen wurde. Der Anbau ist als Wohnung ausgebaut. Die einzelnen Raumkompartimente im Sheddachbau werden währenddessen als Wertstatt oder als Büro genutzt. Es handelt sich um kleinere und grössere Einheiten, in welchen zur Gebäudemitte hin teilweise noch der einstige Mittelgang aus der Fabrikzeit erkennbar ist. Als interessantes Relikt haben sich ausserdem teilweise noch die im Fussboden eingelassenen, heute mit Zement ausgefüllten, metallenen Behälter zum Färben und Bleichen der Garne erhalten. |
Anmerkungen: | [1] Hoegger 1995, S. 175-176. [2] Boner 1983, S. 188. Die abweichenden Bezeichnungen der Gebäude auf der Schautafel des Industriekulturpfads 1996 beziehen sich auf die Zeit nach dem Umbau und der Modernisierung der Bauten 1907-09. [3] Lang/Steigmeier 1995, S. 23. [4] Meier/Steigmeier 2008, S. 130. [5] Industriekulturpfad Limmat-Wasserschloss 1996, S. 21. [6] Lang/Steigmeier 1995, S. 5-6; Hoegger 1995, S. 175. [7] Meier/Steigmeier 2008, S. 132 (Bildlegende Abb. 10) [8] Hoegger 1995, S. 175-176; Lang/Steigmeier 1995, S. 6-7; AZ vom 22. Juni 2012, S. 31; Meier/Steigmeier 2008, S. 131. [9] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0067: Brandkataster Gemeinde Untersiggenthal 1899-1938. |
Erwähnung in anderen Inventaren: | - Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung BLN, BLN 1019 Wasserschloss beim Zusammenfluss von Aare, Reuss und Limmat (Schutzziel 3.8 Die kulturhistorischen Zeugen der Wasserkraftnutzung und der frühen industriellen Entwicklung erhalten). |
Literatur: | - Georg Boner, Die Geschichte der Gemeinde Untersiggenthal, Baden 1983, S. 186-190. - Peter Hoegger, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bd. 7, Basel 1995, S. 175-177. - Der Industriekulturpfad Limmat-Wasserschloss im Raum Turgi-Untersiggenthal-Vogelsang (Dokumentation 5), Baden 1996, S. 19-21. - Norbert Lang/Andreas Steigmeier, Fabrikanlage und Kraftwerk Stroppel (Industriekulturpfad Limmat-Wasserschloss, Dokumentation 2), Baden 1995. - Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, Bern 2005, S. 135. |
Quellen: | - Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0067: Brandkataster Gemeinde Untersiggenthal 1899-1938. |
Reproduktionsbestimmungen: | © Kantonale Denkmalpflege Aargau |
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