INV-DUR914 Hallwilerstrasse 12, 1909 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-DUR914
Signatur Archivplan:DUR914
Titel:Hallwilerstrasse 12
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Westen (2015)
Bezirk:Kulm
Gemeinde:Dürrenäsch
Adresse:Hallwilerstrasse 12
Versicherungs-Nr.:192
Parzellen-Nr.:653
Koordinate E:2654344
Koordinate N:1241528
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2654344&y=1241528

Chronologie

Entstehungszeitraum:1909
Grundlage Datierung:Brandkataster

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:DUR913
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Geschäftshaus, Ladenlokal

Schutz / Status

Status Bauinventar:Neuaufnahme Bauinventar 2016

Dokumentation

Würdigung:Geschäftshaus und Werkhalle der Seidenfabrik Bertschi, 1906 vorerst als zweigeschossiger Flachdachbau erstellt, bereits zehn Jahre später aber erweitert, aufgestockt und in die heutige Form eines vielgestaltigen Heimatstilbaus gebracht. Als wichtiger und repräsentativer Bestandteil der ehemaligen Fabrikanlage, aber auch als Zeuge des 1953 in Leben gerufenen "Auslandschweizer-Homes" kommt dem Gebäude eine grosse lokal- und regionalgeschichtliche Bedeutung zu. Zusammen mit der gegenüberliegenden Fabrikantenvilla von 1897 (Bauinventarobjekt DUR913) bildet der markante Baukörper eine Art Torsituation am nördlichen Dorfausgang und ist deshalb auch von erheblichem ortsbildprägendem Wert.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Nach lokalgeschichtlichen Angaben soll ein gewisser Karl Bertschi 1852 die Seidenbandweberei in Dürrenäsch eingeführt haben [1]. Als eigentlicher Firmengründer aber gilt Jakob Bertschi-Leutwiler (1838-1890), auch "Seidenbertschi" genannt. Jakob Bertschi war der Sohn eines Dürrenäscher Landwirts, welcher in seiner Jugend in die Westschweiz ausgewandert war und sich dort Kenntnisse der Seidenbandindustrie angeeignet hatte. Nach seiner Rückkehr 1864 übernahm er ein "kleines Bandfabrikationsgeschäft" vermutlich vom erwähnten Karl Bertschi und richtete in einem Bauernhaus im Dorf, dem so genannten "Stammhaus" (Liegenschaft Hallwilerstrasse 14; Vers.-Nr. 121), seine Textilfirma ein. Unter seiner Führung waren in mehr als 40 Bauernhäusern von Dürrenäsch und Umgebung Webstühle im Einsatz. Nach dem frühen Tod von Jakob Bertschi übernahm sein Sohn Otto Bertschy-Hiltbrunner (1870-1938) die Leitung der Firma und baute sie zu einem internationalen Handelsgeschäft aus. Eine Werbepostkarte von 1915 zeigt die Produktions- und Verwaltungsliegenschaften in der Blütezeit des Unternehmens (vgl. Bilddokumentation).
Bereits in den 1890er Jahren hatte sich Otto Bertschy auf dem Betriebsareal ein standesgemässes Fabrikantenwohnhaus errichten lassen (Bauinventarobjekt DUR914). 1906 folgte auf der gegenüberliegenden Strassenseite das so genannte "Geschäftshaus", welches vorerst als zweigeschossiger Flachdachbau realisiert, aber schon 10 Jahre später aufgestockt und mit Formen des Heimatstils ausgestattet wurde [2]. Alte Fotoaufnahmen dokumentieren die damaligen Verhältnisse mit Büroräumlichkeiten und Werkhallen (vgl. Bilddokumentation).
Der Ausstieg aus der mittlerweile unrentabel gewordenen Seidenbandproduktion erfolgte 1950 unter Herbert Bertschy-Ringier (1901-1979), dem Sohn von Otto Bertschy. In der Folge wurden die Gebäulichkeiten in Dürrenäsch Auslandschweizern als Feriendomizil zur Verfügung gestellt. Hierfür beschloss man an der Generalversammlung vom 1. Sept. 1953 die Gründung einer Gesellschaft "zum Betrieb eines Wohlfahrtswerkes und Homes für Auslandschweizer" [3]. Nach gewissen baulichen Anpassungen wurden die "Homes" 1956 eröffnet, und schon im ersten Jahr betrug die Zahl der Übernachtungen über 1300. Auslandschweizer, die einen Heimaturlaub planten, waren ebenso willkommen wie junge Menschen, die zur beruflichen Weiterbildung oder zur Absolvierung der Rekrutenschule in die Schweiz reisten. Da die "Homes" nie selbsttragend oder gar gewinnbringend betrieben wurden, waren die Unterkunftspreise sehr tief, was auch minderbemittelten Personen einen Aufenthalt ermöglichte.
Nach dem überraschenden Tod von Herbert Bertschy 1979 entschied sich die Familie zur Schliessung der in der Zwischenzeit nicht mehr so gut frequentierten "Auslandschweizer-Homes". Das ehemalige "Geschäftshaus" wurde in der Folge ausgekernt und zu einem Mehrfamilienhaus umfunktioniert.
Beschreibung:Das ehemalige Geschäftshaus der Seidenbandfabrik Bertschy erhebt sich als grossvolumiger Baukörper mit stirnseitiger Ausrichtung zur Hallwilerstrasse, unmittelbar gegenüber der Fabrikantenvilla (Bauinventarobjekt DUR913). Vom ursprünglich kleineren zweigeschossigen Flachdach-Kernbau von 1906 sind an der Süd- und Ostfassade noch die Zwillingsfenster im Sockel- und teilweise auch im Obergeschoss vorhanden, ebenso der Standerker mit den Reihenfenstern an der südwestlichen Hausecke sowie Teile des damals eingeschossigen Eingangs-Vorbaus auf der westlichen Strassenseite.
Mit der Erweiterung und Aufstockung um 1916 erhielt das Gebäude seine bestehende grosszügige Form, welche deutliche Anklänge an den Heimatstil zeigt. Die Fassaden des nunmehr dreigeschossigen Gebäudes sind mit Einzel-, Zwillings- und Reihenfenstern in unregelmässiger Grösse und Verteilung besetzt. Das Giebeldach ist stirnseitig mit einem Fensterband und mit einem rautenförmigen Sichtfachwerk ausgestattet, die beiden Trauffassaden zeigen eine schleppgaubenartige Überhöhung. Der Eingangs-Vorbau entstand durch Aufstockung eines ursprünglich eingeschossigen Gebäudeteils und wird von einem Blechdach abgeschlossen. Zusammen mit dem vorkragenden Seitenflügel mit offener Veranda und Giebeldach verleiht er der Strassenfront eine malerische Note, welche auf den Firmenprospekten und den Werbeschriften der "Auslandschweizerhomes" denn auch bevorzugt zur Darstellung gelangte.
Im Hausinnern sind von den ehemaligen Büroräumlichkeiten und Werkhallen keine wesentlichen Bestandteile mehr vorhanden.
Anmerkungen:[1] Zur Geschichte der Seidenbandweberei und der Firma Bertschy vgl. Walti 1923, S. 9-11; Hochstrasser 1980, S. 85-88; Sauerländer/Schneiter 2013, S. 115-118; Schwarzenbach 2007.
[2] Vgl. Schwarzenbach 2007, S. 37.
[3] Sauerländer/Schneiter 2033, S. 142-151.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung.
Literatur:- Alexis Schwarzenbach, Seidenbänder aus Dürrenäsch, Firmengeschichte der J. Bertschy Jgr. AG 1860-1953, Dürrenäsch 2007.
- Dominik Sauerländer/Stefan Schneiter, Dürrenäsch, Baden 2013.
- Samuel Hochstrasser-Humbel, Dürrenäsch, Menziken 1980.
- Hans Walti, Heimatkunde von Dürrenäsch, 1923.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0234-0237: Brandkataster Dürrenäsch 1850-1938.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=130334
 

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