INV-BIW921 Obere Wanne 39, 1800 (ca.) (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-BIW921
Signatur Archivplan:BIW921
Titel:Obere Wanne 39
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Südwesten (2016)
Bezirk:Kulm
Gemeinde:Birrwil
Adresse:Obere Wanne 39
Versicherungs-Nr.:30, 31
Parzellen-Nr.:1446, 1734
Koordinate E:2657340
Koordinate N:1237695
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2657340&y=1237695

Chronologie

Entstehungszeitraum:approx. 1800
Grundlage Datierung:Schätzung

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:BIH907
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Ländlicher Oberschichtbau

Schutz / Status

Status Bauinventar:Neuaufnahme Bauinventar 2017

Dokumentation

Würdigung:Stattlicher spätbarocker Mauerbau aus der Zeit um 1800, welcher dem Baumwollfabrikanten Jakob Nussbaum und seinen Söhnen als erster Wohnsitz diente. Als eigentlicher Ursprungsbau des Industriekomplexes Obere Wanne kommt dem markanten, steilgiebligen Baukörper mit dem in der Höhe abgestuften, jüngeren Ökonomietrakt eine erhebliche bau- und gewerbegeschichtliche Bedeutung zu. Im Zusammenspiel mit der südwestlichen, auf der anderen Strassenseite stehenden Fabrikantenvilla von 1846 (Bauinventarobjekt BIW907) bildet das Gebäude den markanten Auftakt des Industrieareals Obere Wanne und setzt zudem einen wichtigen ortsbaulichen Akzent am südlichen Dorfrand.

Der Schutzumfang beschränkt sich auf den Wohnteil Vers.-Nr. 30 und den anschliessenden Ökonomietrakt Vers.-Nr. 31. Nicht Teil des Schutzumfangs sind der jüngere nördliche Anbau Vers.-Nr. 549 und das freistehende Wohngebäude Vers.-Nr. 173.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Der spätbarocken Formensprache nach zu schliessen, dürfte das Haus in der Zeit um 1800 entstanden sein. Als Bauherr ist der damalige Friedensrichter und Gemeindeammann Jakob Nussbaum (1770-1821) zu vermuten, welcher 1806 als "Krämer" an der Oberen Wanne nachgewiesen ist [1]. Jakob Nussbaum gilt als Begründer der mechanischen Baumwollspinnerei und Färberei auf der Oberen Wanne, und beim vorliegenden Haus dürfte es sich um den ersten Fabrikantenwohnsitz gehandelt haben. Unter seinen beiden Söhnen Samuel Nussbaum (1802-1872) und Rudolf Nussbaum (1809-1890) sowie dem Schwager Jakob Steiner-Nussbaum (1803-66) wuchs der Betrieb in der Folge zu einem grösseren Textilunternehmen an. 1832 wurde auf der nördlichen Strassenseite ein "Farbhaus mit Wohnung" errichtet, welches den Kern einer rasch wachsenden Industrieanlage bildete. 1846 entstand am südlichen Rand des Grundstücks die stattliche "Villa Steiner" mit grosszügiger Gartenanlage, die den Gebrüdern Nussbaum fortan als repräsentativer Wohnsitz und Comptoir diente (Bauinventarobjekt BIW907).
Im ersten verfügbaren Brandkataster von 1829 ist der Gründungsbau Obere Wanne 39 als "Wohnhaus mit Bescheuerung, von Stein und Rieg, 2 Stok hoch, mit zwei gewölbten Kellern und Ziegeldach" verzeichnet und mit einer verhältnismässig hohen Summe von 4800 Franken versichert; Eigentümer waren die Gebrüder Samuel und Rudolf Nussbaum [2]. Gemäss dem etwas ausführlicheren Brandkatasterbeschrieb von 1850 bestand der Gebäudekomplex aus einem massiv gemauerten Wohnhaus und einem langgestreckten, etwas niedrigeren Scheunentrakt von Mauer und Holz, in dem auch ein Färbermagazin untergebracht war.
Über Jakob Nussbaum gelangte die Liegenschaft 1878 in die Hände von Louisa Nussbaum. Diese nahm 1894 am Wohnhaus einen "Ausbau mit Vergrösserung" vor, was ein markantes Anwachsen des Versicherungswerts von 11'000 auf 24'000 Franken mit sich brachte. Eine Jahreszahl "1894" am Sockel des rückwärtigen hölzernen Laubenanbaus dürfte Bezug auf diese bauliche Erweiterung nehmen. Es ist davon auszugehen, dass gleichzeitig mit der Laube auch der rückwärtige, nach Osten gerichtete Quergiebelanbau realisiert wurde. Mit Sichtfachwerk und Backsteinfüllungen und mit dem Zierschnitzwerk in der Art des Schweizer Holzstils zeigt er ein charakteristisches Erscheinungsbild aus der Jahrhundertwende.
Im frühen 20. Jh. kam im rückwärtigen Teil des Grundstücks ein freistehendes Wasch- und Holzhaus hinzu, das um 1930 durch ein Wohngebäude aus polychromem Backsteinmauerwerk ersetzt wurde (Vers.-Nr. 173). Vermutlich zur gleichen Zeit wurde der langgestreckte Ökonomieteil, welcher zuvor schon in ähnlichen Abmessungen bestanden hatte, in Backsteinmauerwerk erneuert. Zuletzt erfolgte eine nördliche Erweiterung des Ökonomietrakts durch einen Schopf- und Garagenanbau (Vers.-Nr. 549; nicht Teil des Schutzumfangs).
Beschreibung:Das an der Alten Landstrasse nach Reinach gelegene Haus bildet mit der gegenüberliegenden Villa Steiner (Bauinventarobjekt BIW907) den markanten südlichen Auftakt des Fabrikareals Obere Wanne. Über einem hohen Sockel mit gewölbten Kellerräumen erhebt sich der massiv gemauerte Baukörper zweigeschossig unter steilem, stark geknicktem Satteldach. Die Fassaden sind trauf- wie auch stirnseitig mit je drei leicht unregelmässigen Fensterachsen besetzt. Den strassenseitigen Blickfang bildet der über eine hohe zweiläufige Treppe mit Eisengeländer erreichbare Hauseingang, welcher von einem jüngeren Schutzdach beschirmt wird. Das Türgericht wie auch die Fenstergewände im Erdgeschoss sind sorgfältig aus Muschelkalk gehauen, wobei die stichbogigen Abschlüsse wie auch die wulstigen Fenstergesimse noch den stilistischen Einfluss des Spätbarocks zeigen. In ähnlicher Formsprache, jedoch mit neueren Blockbänken und teils mit rechteckigen Abschlüssen, sind die Öffnungen im Obergeschoss und Giebelfeld gestaltet.
Auf der strassenabgewandten Ostseite schliesst mit Blickrichtung zum See ein aufwendig gestalteter Quergiebelanbau wohl aus dem späten 19. Jh. an. Über einem massiven Mauersockel mit quaderförmigem Fugenputz erhebt er sich als polychromes Sichtfachwerk mit Backsteinfüllungen und auffälligen Kreuzsymbolen in den Gefachen. Den oberen Abschluss bildet eine sorgfältig gestaltete Giebelründe mit ornamentalem Sägezierwerk in der Art des Schweizer Holzstils, auf dem Gehrschilddach thront ein aufwendig gearbeiteter Blitzableiter. In den Winkel zwischen Kernbau und Anbau gesetzt ist eine zweigeschossige hölzerne Laube, die mit Zierwerk und mit grosszügigen Fensterfronten ausgestattet ist. Deren Basis bildet ein massiver Mauersockel in gleicher Ausführung wie beim Quergiebelanbau. Im leicht abfallenden Gelände führt hier ein ebenerdiger Zugang in einen Vorraum, von wo man in den alten Gewölbekeller unter dem Kernbau gelangt. In eine Steinplatte eingraviert findet sich hier die Jahreszahl 1894, welche wohl auf die Entstehung des Quergiebel- und Laubenanbaus verweist.
Hausinneres nur zum Teil gesehen. In der südwestlichen Stube steht ein hellblauer Biedermeier-Kachelofen aus dem 19. Jh.
Nordseitig an das Wohnhaus schliesst unter niedrigerem First ein langgestreckter Ökonomietrakt an, welcher in ähnlichen Abmessungen, vermutlich aber als Holz- konstruktion seit jeher schon bestanden hat. In der heutigen Ausgestaltung als zweifarbiges Backsteinmauerwerk dürfte die strassenseitige Hauptfassade allerdings aus den 1930er Jahren stammen. In der räumlichen Abfolge von grossflächigen Toren, Stalleingängen und mit Jalousieläden verschlossenen Fensteröffnungen im Obergeschoss besitzt das an sich schlichten Gebäude eine erhebliche ortsbauliche Qualität, die als ländliches Gegenstück zu den gegenüberliegenden Sheddachhallen der ehemaligen Baumwollspinnerei eindrücklich zur Geltung kommt.
Anmerkungen:[1] Vgl. Hintermann 1985, S. 69.
[2] Staatsarchiv Aargau, BA.05/0068, CA.0001/0225-0227: Brandkataster Gemeinde Birrwil, 1829-1938.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), Einzelelement, Erhaltungsziel A.
Literatur:- Willi Hintermann, Birrwil 1185-1985, eine kleine Dorfgeschichte, Birrwil 1985.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, BA.05/0068, CA.0001/0225-0227: Brandkataster Gemeinde Birrwil, 1829-1938.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=131701
 

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