INV-RIN903 Gasthaus zum Hirschen, 1813 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-RIN903
Signatur Archivplan:RIN903
Titel:Gasthaus zum Hirschen
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Norden (2015)
Bezirk:Brugg
Gemeinde:Riniken
Adresse:Hirschenstrasse 1
Versicherungs-Nr.:13
Parzellen-Nr.:169
Koordinate E:2656484
Koordinate N:1260566
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2656484&y=1260566

Chronologie

Entstehungszeitraum:1813
Grundlage Datierung:Literatur
Nutzungen:1813 Tavernenwirtschaft; 1991 Aufgabe des Wirtsbetriebs

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Gasthaus, Gasthof
Epoche / Baustil (Stufe 3):Spätbarock

Dokumentation

Würdigung:Über dem 1674 datierten Keller eines Vorgängerbaus errichteter bäuerlicher Vielzweckbau von 1813, in dem von Beginn an eine Pintwirtschaft und seit 1832 der Gasthof „zum Hirschen“ betrieben wurden. Der hoch über der Strasse aufragende, massiv gemauerte Wohnteil, der mit seinen Bauformen zwischen Spätbarock und Biedermeier steht, zeigt axial bezogene Stichbogenfenster und ein gerades Satteldach von einem Umbau im Jahr 1868. Er hat seine äusserliche Erscheinung wie auch die Ausstattung im Inneren auch nach der Aufgabe des Wirtsbetriebs im Jahr 1991 weitgehend intakt bewahrt. Mit der hart an der Strasse aufragenden Giebelfront und der reizvoll angelegten Gartenterrasse, die ehemals über einen dichteren Baumbestand verfügte, dominiert das Gebäude den gassenartig geprägten Strassenraum im Dorfkern von Riniken und nimmt so im Ortsbild eine überaus wichtige Stellung ein.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Der Kernbau des Hauses datiert gemäss Inschrift am Kellerportal in das Jahr 1674. 1801 erhielt Emanuel Geissberger, nachmaliger Gemeindeammann, die Bewilligung, hier eine Pintenschenke zu betreiben. Im ersten Brandkataster von 1809 wird dieser Vorgängerbau als ein „zweistökiges hölzernes mit Zieglen gedektes Haus und Scheuer“ aufgeführt. Von Ammann und seinem Sohn gingen Liegenschaft und Pintenschankrecht an den Schwiegersohn respektive Schwager David Ackermann über, welcher das Haus unmittelbar danach 1813 als Mauerbau neu aufführen liess und 1815 darin wieder eine Pintenschenke einrichtete [1]. 1825 ersuchte Ackermann die Regierung um die Umwandlung seiner Pinte in eine Tavernenwirtschaft, in der auch warme Speisen serviert und Unterkunft angeboten werden durften. 1832 hatte das dritte Gesuch Erfolg, und Ackermann, der vorher als Dorfschullehrer kein Auskommen gefunden hatte, durfte eine Tavernenwirtschaft mit dem Aushängeschild „zum Hirschen“ betreiben. Das Haus enthielt bereits eine Metzg, die von Ackermanns ältestem Sohn geführt wurde. 1839 ging die Liegenschaft an die Söhne Abraham und Philipp Ackermann über, von denen ersterer gemäss dem Eintrag von 1850 als Hirschenwirt die untere Wohnung und die Metzg, letzterer als Gerichtsschreiber die obere Wohnung besass; die Ökonomie war anteilsmässig unter beiden aufgeteilt.
1858 wurde der Versicherungswert herabgesetzt, was auf den schlechten baulichen Zustand des Gebäudes verweist. 1868 erfolgte ein Umbau mit Erneuerung des Dachstuhls. 1881 wurde ein Keller, 1892 ein Schopf mit Schweineställen angebaut. 1894 renovierte man das Haus im Inneren und richtete neue Schweineställe sowie eine Waschküche mit Brennerei ein. Bis 1931 blieb die Taverne im Besitz der Familie Ackermann. Nachdem das Restaurant bereits 1984 für einige Jahre geschlossen worden war, dient das Gebäude seit 1991 nicht mehr seinem ursprünglichen Zweck. Versuche zur Wiedereröffnung eines Restaurants scheiterten [2].
Beschreibung:Das ehemalige Gasthaus „zum Hirschen“ nimmt mit seinem riegelartig quergestellten, hart an der Strasse über Kellersockel und Gartenterrasse hoch aufragenden Baukörper eine dominierende Stellung im Strassenraum ein. In dem weitgehend intakten, gassenähnlich verdichteten Bebauungsabschnitt der Oberdorfstrasse mit teilweise aneinandergebauten traufständigen Bauernhäusern setzt das Gebäude damit einen für das Ortsbild überaus wichtigen und wirkungsvollen Akzent. Es entspricht typologisch einem bäuerlichen Vielzweckbau mit gemauertem Wohnteil und einer in Mischbauweise erstellten Ökonomie und steht mit seinen Bauformen zwischen Spätbarock und Biedermeier. Das aus mächtigen, verputzten Bruchsteinmauern aufgeführte Wohnhaus erhebt sich zweigeschossig über dem zur Strasse hin vollständig freiliegenden Keller und weist mit seinen beiden Traufseiten auf die geschosshoch über die Strasse erhöhte Terrasse. Es wird von einem mittelsteilen geraden Giebeldach abgeschlossen, das in seiner heutigen Form mit Kniestock von 1868 stammt und ursprünglich wohl steilere Neigung besass.
Die Fassaden zeigen eine noch spätbarock geprägte Befensterung mit aussen stichbogig ausgeschnittenen, gefalzten Muschelkalkgewänden, die hölzerne Jalousieläden trägen und teilweise noch Verschlüsse aus dem 19. Jh. besitzen. Die Fensteröffnungen sind an der nordöstliche Traufseiten in vier und an der südwestlichen Traufseite in drei Achsen angeordnet, wobei der leicht unregelmässige Achsabstand in zeittypischer Weise noch die innere Raumstruktur spiegelt; gleiches gilt für die unregelmässiger befensterte Stirnseite. Der Vordereingang liegt in der dem Tenn benachbarten Achse der nördöstlichen Traufseite und besitzt noch das gefelderte biedermeierliche Türblatt mit Oblicht; ihm entspricht ein Hintereingang an der Südwestfassade. Die Kniestockfenster stammen vom Dachumbau 1868. Die Dachuntersichten sind vertäfert. Der hübsche biedermeierliche Aushänger des Wirtshausschilds, der vermutlich aus dem Jahr 1832 (Erteilung des Tavernenrechts) datierte und noch in den 1990er Jahren erhalten war, ist verschwunden.
Der Ökonomieteil entspricht in seiner Grundkonstruktion mit Fachwerk-Stirnwand und im Gerüstbau mit Verbretterung errichteten Traufseiten wie auch in der steileren Dachneigung (Sparrendach mit liegendem Stuhl) noch den Verhältnissen im früheren 19. Jh. Er bewahrt an der Nordostseite das alte Tenntor samt Mannstür. Die Stirnseite besitzt in den Ausfachungen dreieckige Lüftungsöffnungen, die heute nur an der Innenseite zu erkennen sind. Der Stall wurde im mittleren 20. Jh. neu aufgemauert. An die südöstliche Stirnseite und die südwestliche Traufseite des Ökonomieteils schliessen Anbauten mit Wagenremise sowie Nebenräumen an (nicht Bestandteil des Schutzumfangs).
Von der Oberdorfstrasse führt ein ebenerdiger Eingang in einen mächtigen, längsgerichteten Gewölbekeller, der noch vom Vorgängerbau stammt. Das um ca. einen Meter von der Fassadenflucht zurückversetzte, gefaste Rundbogengewände trägt am Scheitelstein die Jahrzahl 1674 und ein Steinmetzzeichen, das als jenes von Hans Bodmer, Hendschiken, identifiziert werden kann [3]. Waagrechte Schächte in der Giebelmauer dienen der Durchlüftung des Kellers. Ein weiterer grosser Gewölbekeller zur Aufbewahrung von Feldfrüchten liegt unter dem an den Scheunentrakt angefügten Schopfanbau.
Den Wohnteil mit der ehemaligen Gastwirtschaft erschliesst ein dem Tenn entlang durchlaufender Flur mit quer abgehendem Treppenlauf, der entlang der südwestlichen Traufseite in das Obergeschoss und hinab zum Gewölbekeller führt. Die Gaststube, welche heute die gesamte nördliche Haushälfte einnimmt, war früher nach üblichem Schema in Stube und Nebenstube geteilt, die durch Entfernung einer Täferwand zusammengelegt wurden [4]. In der südlichen Haushälfte liegen die Küche und ein Säli. Gaststube und Säli bewahren wie der Vorraum im Obergeschoss Sichtbalkendecken mit eingeschobenen Deckenbrettern und teils profilierten Deckleisten sowie schlichtes biedermeierliches Wandtäfer, das sich in den tiefen Fensternischen fortsetzt. Das Obergeschoss ist seiner Raumstruktur nachträglich stärker verändert worden. Es besitzt ebenfalls Balkendecken mit Deckleisten und teils noch biedermeierliche Türen samt ursprünglichen Beschlägen.
Die über die Strasse erhöhte Terrasse war vor der Nordostfassade ehemals als Gartenwirtschaft, auf der Südwestseite hinter dem Haus als Hausgarten eingerichtet. Von der Strasse führt eine Treppe mit altem Eisengeländer zur ehemaligen Gartenwirtschaft hinauf. Zusammen mit der von einer hübschen Muschelkalksäule getragenen Terrasse bildet sie eine reizvolle Eingangssituation. Der ehemals schöne alte Baumbestand der Gartenwirtschaft mit zwei grossen Rosskastanien ist leider reduziert wurden. Auf dem Hofareal liegt ein 1970 wiederentdeckter Sodbrunnen (Kantonales Denkmalschutzobjekt RIN002). Der südlich anschliessende Hausgarten besitzt eine Einfriedung analog dem Terrassenaufgang.
Anmerkungen:[1] Baugeschichte nach Obrist / Vögtli 2003, S. 162-164 sowie Staatsarchiv Aargau: ZwA 1942.0001, Bezirksamt Brugg, Brandkataster Gemeinde Riniken, 1809-1849; CA.0001/0175-0177, Brandkataster Gemeinde Riniken, 1850-1937.
[2] Aargauer Zeitung, 13.2.1999.
[3] Das Steinmetzzeichen ist identisch mit jenem am von Hans Bodmer geschaffenen Dorfbrunnen in Veltheim (Bauinventarobjekt VEL aus dem Jahr 1680, vgl. Kdm. AG II, S.467, Nr.42.
[4] Um 1950 existierte noch eine grüne Kunst mit den Initialen „DA AM“ (wohl für David Ackermann) und der Jahrzahl 1813; Notizen Kunstdenkmäler-Inventarisation (Michael Stettler / Emil Maurer).
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung.
Literatur:- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, hg. v. d. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2005, S. 72.
- Karl Obrist / Martin Vögtli, Geschichte der Gemeinde Riniken, 3. Auflage, Brugg 2003, S. 162-164.
- Aargauer Zeitung, 13.2.1999.
- Badener Tagblatt, 28.4.1995.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau: ZwA 1942.0001, Bezirksamt Brugg, Brandkataster Gemeinde Riniken, 1809-1849; CA.0001/0175-0177, Brandkataster Gemeinde Riniken, 1850-1937.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Kunstdenkmäler-Archiv: Notizen Kunstdenkmäler-Inventarisation.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=131943
 

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