INV-RUP908 Kosthaus mit Nebengebäude, 1867 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-RUP908
Signatur Archivplan:RUP908
Titel:Kosthaus mit Nebengebäude
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Südosten (Foto Heiko Dobler 2015)
Bezirk:Lenzburg
Gemeinde:Rupperswil
Adresse:Auweg 4, 6
Versicherungs-Nr.:253, 254
Parzellen-Nr.:1978
Koordinate E:2651251
Koordinate N:1251031
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2651251&y=1251031

Chronologie

Entstehungszeitraum:1867
Grundlage Datierung:Schriftliche Quelle

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Kosthaus

Dokumentation

Würdigung:Abseits der Baumwollspinnerei am Aarekanal gelegenes Kosthaus von 1867, das im Zuge des betrieblichen Aufschwungs als Arbeiterunterkunft errichtet wurde. Dem spätklassizistischen Mauerbau mit zeittypisch nüchternem, auf Zweckmässigkeit bedachtem Charakter kommt ein hoher industrie- und sozialgeschichtlicher Zeugenwert zu. Der längliche Baukörper gliedert sich in zwei spiegelbildlich angelegte Haushälften, in denen je ein zentrales Treppenhaus jeweils acht Geschosswohnungen auf vier Ebenen erschliesst. Typologisch vertritt das Gebäude somit eine jüngere Generation, welche sich von der reihenhausartigen Anlage älterer Kosthäuser deutlich unterscheidet. Mit seinem intakten äusseren Erscheinungsbild, der vollständig erhaltenen inneren Raumordnung und wesentlichen Teilen der historischen Ausstattung handelt es sich um eines der besterhaltenen Kosthäuser auf Aargauer Boden. Wesentlich zur Gesamtwirkung der Anlage trägt die intakte Nahumgebung mitsamt dem rückwärtig gelegenen Nebengebäude bei.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Die 1836 gegründete Baumwollspinnerei war 1846 vom Textilfabrikanten Heinrich Bebié aus Turgi übernommen und in der Folge sukzessive ausgebaut worden [1]. Aus der Boomzeit der industriellen Produktion stammt das 1861 fertiggestellte monumentale neue Spinnereigebäude (Kantonales Denkmalschutzobjekt RUP006). Für die dafür rekrutierte Arbeiterschaft liess man 1867 das über 30 m lange Kosthaus erbauen. Aus naheliegenden Gründen wählte man als Baugrund eigenen Boden, der im Zusammenhang mit den Wasserrechten und Kanalbauten erworben worden war. Diese siedlungsgeografische Trennung von den Dörfern ist den Kosthäusern eigen und veranschaulicht die Lage der Arbeiter, welche in engem räumlichem Bezug zur Fabrik und isoliert von der restlichen Dorfbevölkerung untergebracht wurden [2]. Im Brandkatastereintrag von 1867 wurde die Liegenschaft als "Wohngebäude mit 16 gewölbten Kellern, von Stein unter Ziegeldach" verzeichnet; 1874 folgte der Eintrag des Nebengebäudes als "Schuppen von Stein und Holz" [3].
Die jüngere Nutzungsgeschichte setzte 1978 mit der Gründung der Genossenschaft "Choschthuus" ein, welche die Liegenschaft von der damaligen Eigentümerin, der Firma Steiner Co. erwarb, um sie zeitgemäss zu erneuern und weiterhin zu Wohnzwecken zu nutzen [4]. Damals wies das Kosthaus noch einen äusserst einfachen Wohnstandard auf, wurde doch ausschliesslich auf einfachen Holzherden gekocht und mit Kachelöfen geheizt. Die 16 Wohneinheiten sollten an 14 Genossenschafter vermietet werden, 2 Wohnungen im Erdgeschoss wurden zu Gemeinschaftsräumen verbunden. Die Renovation der Wohnungen wurde in der Folge sanft und mit viel Eigenleistung vorgenommen. Erst 1998 erfolgte der Einbau einer Gaszentralheizung. 2006 wurde das Dachgeschoss gedämmt, die gesamte Dachfläche mit neuen Biberschwanzziegeln eingedeckt und mit die Gesamtwirkung etwas beeinträchtigenden Solaranlagen versehen.
Beschreibung:Der langgestreckte, 10 x 2 Fensterachsen zählende Baukörper steht in West-Ost-Ausrichtung längs dem Aarekanal. Es handelt sich um einen dreigeschossigen Mauerbau mit Kniestock, geborgen unter einem mittelsteilen, nur knapp vorspringenden Giebeldach. Die streng axial gesetzten Fenster verfügen über gefalzte Rechteckgewände mit Blockbänken aus solidem Muschelkalk.
Das Gebäude gliedert sich in zwei spiegelbildlich konzipierte Haushälften mit je 8 Wohnungen, welche sich über die drei Vollgeschosse und das Kniestockgeschoss verteilen (insgesamt 16 Wohneinheiten). Jede Haushälfte besitzt ein mittiges Treppenhaus, das mit Vorplätzen und Aborten die ganze Tiefe des Gebäudes einnimmt. Die mit zwei Eingangstüren versehenen Wohnungen zeigen eine Viererteilung mit Küche und Essraum auf der Nordseite sowie zwei nach Süden gerichteten Zimmern. Die Raumkonzeption entspricht somit dem jüngeren Typus von Kosthäusern, die im Unterschied zu den älteren, reihenhausartig gegliederten Beispielen aus Geschosswohnungen bestand [5].
An bauzeitlichen Ausstattungselemente haben sich eiserne Sparherde, Sitzöfen, Sandsteinplatten- und Riemenböden erhalten. Die Hauseingänge und Treppenläufe sind erneuert. Im Kellergeschoss, das noch die originale Kopfsteinpflästerung bewahrt, sind beidseits der längsgerichteten Mittelgänge je acht tonnengewölbte Kellerabteile angeordnet.

Das nordwestlich des Kosthauses im Grünareal gelegene Nebengebäude von 1874 gliedert sich in acht durch massive Stirnmauern unterteilte Kompartimente, die vermutlich als Waschhäuser sowie im Dachraum als Holzlager dienten. Die südliche Längsfront des Gebäudes wird von durchlässigen Staketenwänden gebildet.
Anmerkungen:[1] Zur Industriellenfamilie Bebié in Turgi siehe Hoegger 1995, S. 132-133. Zur Geschichte der Baumwollspinnerei in Rupperswil vgl. Pfister 1968, S. 42-48.
[2] Steinmann 1980, S.51; Dobler 2016, S. 108.
[3] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0437-0441: Brandkataster Gemeinde Rupperswil, 1850-1938.
[4] Jüngere Bau- und Nutzungsgeschichte nach Dobler 2016, S. 112-113.
[5] Zur Typologie der Kosthäuser vgl. Steinmann 1980; Dobler 2006, S. 22-23.
Literatur:- Willy Pfister, Rupperswil, Vom alten zum neuen Dorf seit 1800 (Ortsgeschichte Band III), Rupperswil 1968.
- Martin Steinmann, Die Kosthäuser. Einleitung zu einer Typologie von Arbeiterhäusern in ländlichen Gebieten der Schweiz, in: Archithese, 10. Jg. (1980), Nr. 5, S. 48-52.
- Heiko Dobler, Leben für die Fabrik. Kosthäuser der frühen Industrialisierung im Kanton Aargau, MAS-Arbeit, BFH Burgdorf, Fertigstellung 2016.
- Heiko Dobler, Leben für die Fabrik. Kosthäuser der frühen Industrialisierung im Kanton Aargau, in: Kunst und Architektur der Schweiz, Nr.2/2016, S. 20-26.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0437-0441: Brandkataster Gemeinde Rupperswil, 1850-1938.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=132016
 

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