INV-SSI910 "Wysshus", 1562 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-SSI910
Signatur Archivplan:SSI910
Titel:"Wysshus"
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Nordwesten (2017)
Bezirk:Zurzach
Gemeinde:Schneisingen
Ortsteil / Weiler / Flurname:Unterschneisingen
Adresse:Wysshuss 1, 3, 5
Versicherungs-Nr.:26, 25A/B
Parzellen-Nr.:711, 744, 712
Koordinate E:2670105
Koordinate N:1263528

Chronologie

Entstehungszeitraum:1562
Grundlage Datierung:Inschrift (Fenstergewände nördliche Stirnseite, ehem.)

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Ländlicher Oberschichtbau
Epoche / Baustil (Stufe 3):Spätgotik

Dokumentation

Würdigung:Wohl 1562/63 erbautes spätgotisches Doppelhaus, das unter einem durchgehenden steilgiebligen Satteldach in zwei identisch dimensionierte Haushälften geteilt ist. Das typologisch interessante Gebäude bewahrt aus der Entstehungszeit nebst der charakteristischen steilgiebligen Gesamtform ein spätgotisches Fenster sowie eine Aufzugsöffnung im Giebel, während die Längsseiten im 19. Jh. mit einer axial bezogenen Einzelbefensterung umgestaltet wurden. Nach einer in den Quellen allerdings nicht belegten Überlieferung soll es einst zwei Wirtshäuser beherbergt haben, was mit der Lage an der alten Landstrasse von Baden nach Kaiserstuhl und mit zwei rätselhaften Emblemen der Sonne und des Mondes an der Fassade in Verbindung gebracht wurde. In seiner erhöhten Lage am ansteigenden Hang über der Strasse kommt dem Gebäude eine markante, jüngst allerdings durch einen talseitigen Neubau etwas geschmälerte Wirkung zu.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das Gebäude bildete von alters her das Zentrum des 1113/14 erstmals genannten Weilers „Mettendorf“ am Abhang des Schülibergs, dessen Name in der Regel mit „Matten“ / „Wiesen“ in Verbindung gebracht wurde und schon im 19. Jh. verschwunden war [1]. 1424 verkaufte das Kloster St. Martin auf dem Zürichberg den Hof Mettendorf an das Kloster Sion in Klingnau [2]. Durch den Weiler führte ehemals die Landstrasse von Baden nach Kaiserstuhl, bevor wohl Mitte des 17. Jh. die jüngere Route über den Schladwald und Mittelschneisingen in Gebrauch kam [3]. Zwei Jahrzahlen 1562 und 1563, die nach der Überlieferung ehemals an einem Fenstergewände zu lesen waren, verweisen auf die Entstehung des spätgotisch geprägten Mauerbaus [4]. Die ursprüngliche Funktion des stattlichen Gebäudes ist nicht bekannt. Der Name „Wysshus“ wird in der Regel als „weiss“ gedeutet; Pfarrer Keller schreibt das Gebäude in seinen Aufzeichnungen aus dem mittleren 19. Jh. allerdings auch als „Wieshus“. Nach derselben Quelle soll es sich um ein „Doppelwirthshaus ‚zur Sonne und zum Monde‘“ gehandelt haben, was Keller mit der Lage an der alten Strasse nach Kaiserstuhl in Verbindung brachte; in diesem Sinn wären auch die entsprechenden Embleme einer Sonne und eines Mondes an den Hausfassaden zu deuten [5]. Belege für die verschiedentlich aufgegriffene Auffassung [6] lassen sich in den Quellen allerdings nicht finden [7].
Laut einem von Pfarrer Keller zitierten Lehenbrief von 1636 „besteht obbemeldet Mettendorf, das heutige Wieshus, aus zwei Wohnhäusern und anno 1703 sind darin vier Haushaltungen, so ‚anfangs alles nur ein Hof gewesen‘ lehenspflichtig dem Gotteshause Sion bei Klingnau“ [8]. Ein Urbar von 1726 berichtet ebenfalls von vier Haushaltungen [9]. Im ersten verfügbaren Brandkatastereintrag wird das Gebäude als ein „2stökiges Wohnhaus von Mauer unter Ziegeldach“ beschrieben, das immer noch in vier Haushaltungen aufgeteilt war; ab 1876 werden drei Hausteile genannt. Eigentümer waren über das ganze 19. Jh. hinweg meist Angehörige der Familien Schwitter und Widmer. Im Lauf des 19. Jh. erhielten sämtliche Fassaden, wohl im Zusammenhang mit weiteren Umbauten und zu unetrschiedlichem Zeitpunkt, eine Einzelbefensterung. 1864 wurde der Versicherungswert aufgrund des schlechten baulichen Zustands reduziert, worauf man 1866 zum nördlichen Hausteil (heute Vers.-Nr. 26) vermerkte: „Neuer Dachstuhl u. verbessert im Einbau“. Kurz nach 1900 wurde im Brandkataster ein Abtrittanbau ergänzt [10]. Im frühen 20. Jh. entstand nach den Bauformen ein Eingangsvorbau an der nördlichen Stirnseite, um 1950 ein südostseitiger Anbau. 2007 erfolgte ein Innenumbau des südöstlichen Hausteils, 2011 eine Renovation des zugehörigen Anbaus [11].
Beschreibung:Das stattliche Doppelhaus steht nördlich des Schneisinger Ortsteils Hüniken am Abhang des Schülibergs, wo es mit seinem auffallend langgestreckten und gleichzeitig hochragenden Baukörper eine überaus prägende Wirkung über der alten Strasse nach Kaiserstuhl entfaltet. Es handelt sich um einen steilgiebligen spätgotischen Mauerbau, der aus zwei identisch dimensionierten, stirnseitig aneinandergefügten Haushälften besteht und sich zweigeschossig über einem talseitig freiliegenden Kellergeschoss erhebt. Die mächtigen Giebelmauern weisen am Fuss eine Stärke von ca. 1.7 Meter auf. An den beiden talseitigen Gebäudekanten sind knapp unter der Traufe zwei kreisrunde, aus dem Verputz ausgesparte Reliefs angebracht, die stilisierte Gesichter zeigen und als Embleme von Sonne und Mond gedeutet werden. An der nördlichen Stirnseite haben sich aus der Entstehungszeit des Gebäudes noch ein gekuppeltes Fenster mit gekehlten Steingewänden im Erdgeschoss sowie eine rundbogige, gefaste Aufzugsöffnung im Giebel erhalten. Am Doppelfenster sollen einst die Jahrzahlen 1562/1563 erkennbar gewesen sein [12].
An beiden Längsseiten zeigen die zwei benachbarten Hausteile jeweils eine leicht unterschiedlich ausgestaltete, nicht ganz regelmässige Einzelbefensterung aus dem 19. Jh., die aber in allen Fällen aus vier Achsen gefalzter Sandsteingewände je Hausteil besteht. Die heute vorhandenen Hauseingänge rechnen noch mit der Vierteilung des Hauses, wobei die beiden hangseitigen Haushälften über die östliche Traufseite, die beiden talseitigen Haushälften über die Stirnseiten erschlossen sind. Der nördliche traufseitige Eingang besitzt ein hübsches Türblatt mit gusseiserner Vergitterung aus dem späten 19. Jh. Der nördliche stirnseitige Eingang wird von einem verandaartigen Eingangsvorbau aus dem frühen 20. Jh. beschirmt. Der Eingang an der südlichen Stirnseite wird über eine geschosshohe Freitreppe erreicht. Im talseitig vollständig freiliegenden Sockel führen vier unterschiedlich dimensionierte Rechtecköffnungen, von denen eine ein gefastes Steingewände und zwei alte Holzeinfassungen besitzen, ebenerdig in die Kellerräume.
An der Südostseite ist ein störender, heute mit einer Aussenwärmedämmung versehener Anbau aus der Zeit um 1950 an das Haus gefügt (nicht Bestandteil des Schutzumfangs).
Der nördliche Hausteil ist im Inneren durch einen firstparallelen Längsgang erschlossen, an dessen Ende eine Treppe mit Richtungswechsel ins Obergeschoss führt. Beidseitig waren jeweils Stube, Nebenstube und Küche der beiden Hausteile angeordnet (gemäss Bauernhausforschung 1967; Inneres nicht gesehen).
Unmittelbar talseitig des Hauses wurde vor kurzem ein Neubau realisiert, der insbesondere mit seinen überhohen Stützmauern und dem auffälligen Gartenzaun störend auffällt.
Anmerkungen:[1] Pirovano 1987, S. 20; eine Sammlung von Belegen zu Mettendorf hat Knecht 2004 publiziert; dort werden S. 89 allerdings auch Zweifel an der Etymologie angemeldet.
[2] Brian Scherer / Meier / Steigmeier 2003, S. 29.
[3] Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz IVS, AG 37.3 sowie 37.4 (1996).
[4] Jahrzahlen nach den übereinstimmenden Aufzeichnungen von Pfarrer Keller (Pirovano 1987, S. 20) sowie Bauernhausforschung 1967, Notizen. Auf der Grundrissaufnahme der Bauernhausforschung von 1967 sind, wohl irrtümlich, abweichend die Jahrzahlen 1561/1562 angegeben.
[5] „Das sog. weisse Haus in U. Schneisingen: ein grosses Gebäude mit Ziegeldach...war allem Anscheine nach von reichen Leuten erbaut worden. An einem steinernen Fenstergestelle sind die Jahrzahlen 1562/1563 eingehauen; soll von einer sehr reichen Familie Dorer von Baden erbaut worden seyn als Doppelwirthshaus... . In Stein gehauen die Zeichen von Sonne und Mond." An anderer Stelle in die Rede von dem „für jene Zeit stattlich erbauten Doppelwirthshaus ‚zur Sonne und zum Monde‘ jetzt Wieshus genannt (ist nun in Zerfall und meist von armen Leute bewohnt)...“. Weiter führt Keller einen Lehenbrief aus dem Jahr 1636 an; laut diesem „besteht obbemeldet Mettendorf, das heutige Wieshus, aus zwei Wohnhäusern und anno 1703 sind darin vier Haushaltungen, so ‚anfangs alles nur ein Hof gewesen‘ lehenspflichtig dem Gotteshause Sion bei Klingnau.“ (zit. nach Pirovano 1987, S. 20).
[6] Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz IVS, AG 37.3 (1996).
[7] Brian Scherer / Meier / Steigmeier 2003, S. 33.
[8] Zit. nach Pirovano 1987, S. 20.
[9] Knecht 2004, S. 92.
[10] Staatsarchiv Aargau: CA.0001/0747-0749, Brandkataster Gemeinde Schneisingen, 1851-1938.
[11] Umbaupläne im Baugesuchsarchiv.
[12] Bauernhausforschung 1967; vgl. oben.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz IVS, AG 37.4 (1996), nationale Bedeutung, Wegbegleiter.
Literatur:- Max Knecht, Medendorf oder zum Wyssen Huus in Schneisingen, in: Beiträge zur Geschichte des Bezirks Zurzach, Heft 3 (2004), S. 89-95.
- Vincenzo Pirovano-Thalmann, Pfarreigeschichte von Schneisingen/Siglistorf, [Schneisingen 1987], S. 20.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau: CA.0001/0747-0749, Brandkataster Gemeinde Schneisingen, 1851-1938.
- Gemeinde Schneisingen, Baugesuchsarchiv: Umbauten 2007, 2011.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, Schneisingen XI-18/10.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Materialien, Bestandesaufnahmen 1967, Mappe 174 b-2.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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