INV-LEN960 Kath. Pfarreizentrum, 1983-1993 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-LEN960
Signatur Archivplan:LEN960
Titel:Kath. Pfarreizentrum
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Blick auf die „Piazza“ von Osten (2017)
Bezirk:Lenzburg
Gemeinde:Lenzburg
Adresse:Bahnhofstrasse 23
Versicherungs-Nr.:2427
Parzellen-Nr.:511
Koordinate E:2655483
Koordinate N:1249032

Chronologie

Entstehungszeitraum:1983 - 1993
Grundlage Datierung:Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:LEN921/922
Nutzung (Stufe 1):Sakrale Bauten und Anlagen
Nutzungstyp (Stufe 2):Kirchgemeindehaus

Schutz / Status

Status Bauinventar:Neuaufnahme Bauinventar 2017

Dokumentation

Autorschaft:Snozzi + Jenni, Architekten, Locarno (Luigi Snozzi, geb. 1923 und Bruno Jenni)
Würdigung:Als Annexbau zur katholischen Kirche von 1934 gestaltetes Pfarreizentrum, das 1992-94 nach einem überarbeiteten Wettbewerbsprojekt von 1983 durch die bedeutenden Tessiner Architekten Snozzi + Jenni aus Locarno erbaut wurde. Es handelt sich um einen für Luigi Snozzi charakteristischen, kontextualistisch verstandenen Entwurf, welcher den bestehenden Kirchenbau (Bauinventarobjekt LEN922) als Bestandteil einer neu geschaffenen städtebaulichen Situation integrierte. Während das Gebäude von aussen als weitgehend geschlossener, kubisch reduzierter Baukörper erscheint, fasst es im Inneren einen erhöhten, klosterartig geschlossenen Innenhof. Mit dem als Freitreppe gestalteten Zugang ist gleichzeitig der Kirchturm von 1934 als Point-de-vue inszeniert. Auf der Westseite schliesst die Alte Kirche samt Pfarrhaus von 1892 an (Bauinventarobjekt LEN921), deren Terrassenmauer von der Höhe des Gebäudesockels aufgenommen wird.
Bau- und Nutzungsgeschichte:In den 1970er Jahren wurde in der Römisch-Katholischen Kirchgemeinde der Ruf nach einem Pfarreizentrum laut, womit man Räume für die verschiedenen Pfarreigruppen und insbesondere auch für die Missione Cattolica Italiana schaffen wollte [1]. Für die Aktivitäten der Kirchgemeinde wurde bis dahin die alte Kirche (Bauinventarobjekt LEN921) genutzt, die man nach der Fertigstellung des Kirchenneubaus (Bauinventarobjekt LEN922) durch die Architekten Gerster & Meyer 1933/34 umgebaut hatte; die in den 1960er Jahren eingerichtete Missione Cattolica Italiana nutzte während mehr als 20 Jahren als Provisorium eine Baracke. Nach der Ausarbeitung einer Nutzungsstudie im Jahr 1978 wurde 1979 eine Studienkommission für den Bau eines Pfarreizentrums eingerichtet. Unter anderem prüfte man den Erwerb des Fabrikgebäudes Bahnhofstrasse 19 (Bauinventarobjekt LEN924, damals Firma Hitachi), der sich aber zerschlug. Aus einem 1982/83 veranstalteten Projektwettbewerb für das Grundstück zwischen der Kirche und der Bahnhofstrasse gingen die Architekten Snozzi + Jenni in Locarno mit dem Beitrag „Antea“ als Sieger hervor. Luigi Snozzi (geb. 1923), der seit 1980 ein Büro mit Bruno Jenni führte, gehört seit den 1970er Jahren zu den bedeutendsten Vertretern der Tessiner Architektur; das Lenzburger Pfarreizentrum war sein erster Bau auf der Alpennordseite, der im Unterschied zu einer ganzen Reihe weiterer erstprämierter Wettbewerbsprojekte auch realisiert wurde [2].
Das Projekt, das zunächst noch erheblich umfangreicher war und auch den Abbruch des alten Pfarrhauses vorsah (vgl. Bilddokumentation), wurde von der Kirchgemeindeversammlung als zu gross abgelehnt, weshalb man das Raumprogramm reduzierte und den Entwurf in mehreren Schritten überarbeiten liess. 1989 lag schliesslich das Ausführungsprojekt vor, das von der Kirchgemeindeversammlung im selben Jahr genehmigt wurde. Insbesondere weil das Projekt die Aufhebung und Überbauung der Niklausstrasse mit sich zog, die parallel zur Bahnhofstrasse vor der Kirche von 1933/34 verlief, zögerte sich das Baubewilligungsverfahren hinaus. 1992 erfolgte zudem der Beschluss zur Renovation der Kirche, worauf die beiden Projekte koordiniert wurden. 1992-94 erfolgte die Ausführung des Pfarreizentrums durch Snozzi + Jenni; Mitarbeiter waren die Architekten Claudio Buetti und Elis Domenighini. Schon kurz nach der Fertigstellung wurde der Neubau von der Stadt Lenzburg 1997 in die Liste der kommunalen Inventarobjekte aufgenommen.
Beschreibung:Das Pfarreizentrum ist als Hofanlage mit weitgehend geschlossener Randbebauung zwischen die Kirche von 1934 (Bauinventarobjekt LEN922) und die Bahnhofstrasse gesetzt. Es ist in den für Snozzi charakteristischen Formen gehalten, welche in streng kubischer Gestaltung die Architektur der Klassischen Moderne weiterentwickeln. Im Unterschied zu vielen in Sichtbeton realisierten Bauten des Architekten ist die Fassade über einer Aussenwärmedämmung mit einem weiss gestrichenen Verputz versehen. Mit der Integration des bestehenden Kirchenbaus in eine durch das Projekt erst neu geschaffene Situation präsentiert es sich gleichzeitig als eine im Sinn des Architekten kontextualistische Lösung. Ziel war es laut Snozzi, „die Stellung und Erscheinung der bescheiden wirkenden Kirche im Stadtorganismus aufzuwerten sowie die Idee eines kollektiven Stadtraums, einer Piazza zu verwirklichen“ [3]. Lag die Kirche zuvor zurückversetzt an der längs dem Schiff entlanglaufenden ehemaligen Niklausstrasse, rückte sie mit dem Neubau zur Bahnhofstrasse hin an sehr viel prominentere Lage. Hier erscheint das Gebäude als geschlossener, nur wenig befensterter Baukörper von reduziert kubischer Gestalt; nach innen hingegen ist es als zweimal abgewinkelte Randbebauung um einen Innenhof gestaltet und bildet so in den Worten des Architekten eine „raumhaltige Mauer“ [4].
In der strassenseitigen Ansicht wurde der Baukörper bewusst so dimensioniert und gestaltet, dass er mit seiner Traufhöhe und seinem weissen Verputz in Beziehung zur ebenfalls weiss verputzten Kirche tritt, ohne diese zu konkurrenzieren. Mit einem Sichtbetonsockel, welcher die Höhe der Böschungsmauer vor der alten Kirche (Bauinventarobjekt LEN921) fortsetzt, ist der Baukomplex gleichzeitig dem Strassenraum entrückt und in leicht erhöhter Lage den bestehenden Bauten zugeordnet. Der Zugang erfolgt über eine zurückversetzte Freitreppe an der Ostseite, welche zur Bahnhofstrasse hin einen Vorbereich schafft und den Turm der Kirche von 1934 als Point-de-vue inszeniert. Erst am Ende der Treppe öffnet sich der Blick seitlich auf die „Piazza“. Diese präsentiert sich, in erhöhter Lage ebenerdig auf die Kirche und das Pfarreizentrum bezogen, als Innenhof von klösterlicher Abgeschiedenheit, eine Disposition, die auch im Wunsch nach Abschirmung des Verkehrslärms von der Bahnhofstrasse begründet lag [5]. Die südliche Begrenzung bildet die Längsseite der Kirche mit der Seitenschiffwand und den Obergadenfenstern. Nach Norden und Westen wird der Hofbereich zweiseitig von Gebäudeflügeln umfasst, deren Erdgeschosse sich über Portiken mit Rundpfeilern aus Sichtbeton öffnen; darüber erhebt sich ein Obergeschoss mit aluminiumgerahmter, vollflächiger Verglasung. An der Nordostecke springt ein konvex gerundeter Bautrakt vor, welcher den Platzraum abschliesst und gleichzeitig zum Zugang überleitet. Er ist wiederum als weisser Putzbau gestaltet und im Erdgeschoss mit einem langgestreckten Fensterband geöffnet.
Über die Portiken erfolgt direkt der Zugang zu den einzelnen, in sich unabhängig gestalteten Bereichen des Pfarreizentrums. Im Erdgeschoss des Nordflügels liegen Räume für Jugendgruppen und Erwachsenenbildung, nach Nordwesten das Pfarreisekretariat. Den vorspringenden Eckbau an der Ostseite nimmt der „Ritrovo“, ein von der Missione Italiana betriebener Veranstaltungs- und Barraum, ein. Ein Teil des Westflügels ist ebenerdig als Foyer einegrichtet, von dem über eine Treppe die Seminarräume sowie der erweiterbare Veranstaltungssaal in den Obergeschossen der beiden Flügel zugänglich sind. An der Südwestecke erfolgt der Zugang zur Kirche; im Erdgeschoss des Westflügels öffnet sich ein Durchgang zur alten Kirche samt Pfarrhaus. Die Innenräume sind betont zurückhaltend und einfach gestaltet. Sie zeigen weisse Wände sowie Bodenbeläge aus Holz, respektive Linoleum (Inneres nicht besichtigt).
Anmerkungen:[1] Geschichtliches nach Neuenschwander et al. 1995 sowie Vorlage Bauprojekt- und Kreditbeschluss 1989.
[2] Zu Luigi Snozzi vgl. Isabelle Rucki / Dorothee Huber (Hrsg.), Architektenlexikon der Schweiz, 19./20. Jahrhundert, Basel 1998, S. 499f.
[3] Luigi Snozzi, in Neuenschwander et al. 1995, S. 51.
[4] Ebd.
[5] Ebd., S 52.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Stadt Lenzburg. Inventar der kommunal schutzwürdigen Gebäude, 1997 (BNO 1997, Anhang 1, Inventarliste), Nr. 3b.
Literatur:- Claude Lichtenstein, Luigi Snozzi, Basel / Boston / Berlin 1997, S. 109-111.
- Heidi Neuenschwander et al., Das katholische Pfarreizentrum Lenzburg, in: Lenzburger Neujahrsblätter, 66. Jg. (1995), S. 41-62.
Quellen:- Stadt Lenzburg, Baugesuchsarchiv: Baupläne und Akten 1989-1994.
- Katholische Kirchgemeinde Lenzburg, Pfarreizentrum Lenzburg. Vorlage Bauprojekt- und Kreditbeschluss, Beilage zum Pfarrblatt Nr. 35, 3.9.1989 (Baugesuchsarchiv Lenzburg).
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=132666
 

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