INV-ROT908 Pilatusweg 9, 17. Jh. (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-ROT908
Signatur Archivplan:ROT908
Titel:Pilatusweg 9
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Südwesten (2017)
Bezirk:Zofingen
Gemeinde:Rothrist
Ortsteil / Weiler / Flurname:Fleckenhausen
Hist. Name Objekt:"Kristallpalast"
Adresse:Pilatusweg 9
Versicherungs-Nr.:43
Parzellen-Nr.:1306
Koordinate E:2635338
Koordinate N:1239510

Chronologie

Entstehungszeitraum:17th cent.
Grundlage Datierung:Schätzung

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerlicher Vielzweckbau

Dokumentation

Würdigung:Im 17. oder 18. Jahrhundert entstandenes, ehemals mit Stroh und später mit Holzschindeln gedecktes Hochstudhaus, das sich im Rothrister Weiler Fleckenhausen an der alten Fahrstrasse nach Zofingen erhebt. Das hochragende, allseitig abgewalmte Dach bewahrt die intakte Konstruktion aus vier Hochstüden (Firstständern), die starke Russschwärzung zeigt. Am Wohnteil wie auch an der Ökonomie ist die teilweise noch bauzeitliche Ständerkonstruktion erhalten, während die Ausstattung des Inneren stark fragmentiert ist. Das Gebäude dokumentiert damit als letztes, authentisch erhaltenes Element in seiner unmittelbaren Umgebung den ehemals sehr verbreiteten bäuerlichen Haustypus und besitzt mit seiner charakteristischen, geschlossenen Dachfläche einen erheblichen Situationswert im ansonsten stark veränderten Weiler Fleckenhausen.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das Haus steht unmittelbar an der alten Fahrstrasse nach Zofingen, die bis zur Anlage einer direkten Verbindung von Rothrist (damals Niederwil) nach Oftringen um 1770 auch als Variante der „Zürichstrasse“ diente. In Niederwil 1504 erstmals erwähnt, zweigte diese Route im Dietiwart von der in Richtung Aarburg verlaufenden Hauptroute der Bern-Zürich-Strasse ab und führte über Niederwil, Fleckenhausen, Säget, Aesch (die dortige Wiggerbrücke wird schon 1440 genannt), Nigglishäusern, das Oftringer Oberfeld und den Strigel nach Safenwil und weiter ostwärts [1].
Nach den Bauformen der Ständerwände wie auch der vollständig russgeschwärzten Hochstudkonstruktion dürfte das Gebäude zumindest noch ins 18. oder gar ins 17. Jh. zurückreichen. Im Volksmund ist es als „Kristallpalast“ bekannt, was sich – in ironischer Abwandlung des von der Weltausstellung 1851 her geläufigen Namens – vielleicht auf das Spiegeln der Lampen im Fensterglas bezog [2]. Im ersten verfügbaren Brandkatastereintrag von 1875 wird das Gebäude als „Wohnhaus mit Scheune v. Rieg u. Holz mit 2 gew[ölbten] u. 3 Tremkeller“ beschrieben. Es besass weiche Bedachung, wobei es sich nach Ausweis des nachfolgenden Eintrags von 1899 um Holzschindeln handelte, wohl als Ersatz einer früheren Strohbedachung [3]. 1875 war die Liegenschaft in zwei Hausteile zu je zwei Wohnungen geteilt, auf denen sich in den darauffolgenden Jahrzehnten jeweils mehrere Eigentümer folgten, darunter ebenso Landwirte wie Fabrikarbeiter und einfachere Angestellte. 1908 wurden die beiden Hausteile eigentumsrechtlich vereinigt. Die Umdeckung erfolgte nach Ausweis einer Wertsteigerung wohl erst im Jahr 1936 [4]. Im Stall des Hauses sollen früher die Gäste des nordwestlich benachbarten Restaurants „Bären“ ihre Pferde eingestellt haben [5].
In den letzten Jahren hat das Gebäude unter vernachlässigtem Unterhalt gelitten. Das Innere der beiden alten Wohnungen wurde vor etlichen Jahren durch Herausbrechen einzelner Teile der Geschossdecken und durch die Anlage zusätzlicher Wandöffnungen beschädigt und präsentiert sich heute in einem stark fragmentierten Zustand. Beide Wohnungen sind seit geraumer Zeit unbewohnt. Die Hochstudkonstruktion wie auch Teile der Fassaden haben sich demgegenüber bis heute weitgehend intakt erhalten.
Beschreibung:Das mächtige, ehemals mit Stroh und später mit Holzschindeln Hochstudhaus steht am Hangfuss des Hölzlis quer zum 1970 kanalisierten Hardbach und zur alten Fahrstrasse nach Zofingen. Es handelt sich um einen in Firstrichtung geteilten bäuerlichen Vielzweckbau mit zwei an der südlichen Stirnseite gelegenen Wohnteilen und einer in der Nutzungsabfolge Tenn-Stall-Futtertenn (Mittertennhaus) gegliederten Ökonomie. Eine wohl im Lauf des 19. Jh. ausgebaute weitere Wohnung nimmt die Nordwestseite der Ökonomie ein. Das charakteristisch hochragende, allseitig abgewalmte Dach wird von vier vollständig russgeschwärzten Hochstüden (Firstständern) getragen, von denen der südwestliche über dem Erdgeschoss des Wohnteils abgefangen ist. Die samt Unterfirst, Sperrrafen und Windstreben sowie der ebenfalls russgeschwärzten Rafenlage vollständig erhaltene Dachkonstruktion ist durch einige Ausbesserungen aus jüngerer Zeit verstärkt.
Die beiden südwestseitigen, alten Wohnteile sind über einem niedrigen Mauersockel und einem eichenen Schwellenkranz im Ständerbau aufgeführt. Der nach Süden und Osten freiliegende Obergaden zeigt über einem durchgehenden, kräftig profilierten Brustriegel noch die alten Bohlenausfachungen sowie angeblattete Kopfhölzer, dazu barock beschnittene Pfettenbüge und mit Zierfasen versehene Wandständer. Am westlichen Hausteil ist der Obergaden unter einer Verbretterung verborgen. Dem ursprünglichen Zustand entsprechen teilweise auch noch die Fensteröffnungen. Der Brüstungsbereich ist vertikal verschalt und mit einer Hobelkerbverzierung versehen, wobei die Wand- und Eckständer an den Einzapfstellen durch überlappende, tropfenförmig endende Brüstungsbretter geschützt sind. Das ursprünglich ebenfalls in Ständerbauweise errichtete Erdgeschoss dürfte im Lauf des 19. Jh. erneuert worden sein. Der östliche Wohnteil weist aussen bündig versetzte Flecklingfüllungen (Kanthölzer) auf. Der nördliche wurde im Fachwerkbau neu aufgeführt und zeigt eine Einzelbefensterung mit profilierten Simsen.
Im Ökonomieteil sind die alten Bohlenständerwände noch beidseits des Tenns sowie zwischen Stall und Futtertenn erhalten. Anstelle des Futtertenns wurde wohl in der Zeit um 1900 ein über die alten Gebäudefluchten hinausreichender, eingeschossiger Anbau in verputztem Backstein, mit Wohnräumen für zwei weitere Parteien, erstellt. Ungefähr gleichzeitig dürften die Aussenmauern des Stalls in Sichtbackstein aufgemauert worden sein.
Ob die beiden alten Wohnteile von Anfang an bestanden oder erst durch nachträgliche Unterteilung entstanden sind, lässt sich kaum schlüssig beurteilen. Sie sind jeweils von den Traufseiten her zugänglich und zeigen ein unterschiedliches Grundrissmuster. Der nördliche, kleinteiliger gegliederte wird durch die Küche betreten, von der aus ehemals die Stube in der südwestlichen Gebäudeecke, eine schmales, tennseitiges Zimmer sowie eine enge Kammer mit Treppenaufgang in den Obergaden erschlossen waren. Die Räume auf beiden Geschossen sind stark in Mitleidenschaft gezogen, wobei verschiedentlich Zwischenwände entfernt und Oberflächen beschädigt wurden. In der ehemaligen Hinterstube ist der abgefangene westliche Hochstud mitsamt dem über Eck gestellten Auflager sichtbar. Die noch 1991 vorhandene Ausstattung mit Brettertäfer samt Deckleisten sowie einem reich profilierten barocken Türgewände am Durchgang zur Hinterstube ist verschwunden (vgl. Kurzinventar 1991). Erhalten sind die durch die ehemalige offene Rauchküche stark geschwärzten Obergadenkammern. Der ostseitige Wohnteil wird ebenfalls direkt über die ehemalige Küche betreten und zeigt einen vierteiligen Grundriss. Durch Beseitigung einzelner Zwischenwände und teilweise auch der Geschossdecken sowie durch unsachgemässe Einbauten sind die Räume stark beschädigt. Im nur noch beschränkt zugänglichen, ausgesprochen niedrigen Obergaden bestehen auch in diesem Hausteil noch teilweise die alten Bohlenständerwände. Unter dem nordseitig angebauten Wohnteil erstreckt sich quer zum First ein kleiner Gewölbekeller.
Anmerkungen:[1] Heitz 1991, S. 22; IVS, AG 10.3 (1992).
[2] Vgl. Hofer 1981, Abb. 52.
[3] Staatsarchiv Aargau: CA.0001/0647-0649, Brandkataster Gemeinde Rothrist, 1875-1938.
[4] Staatsarchiv Aargau: CA.0001/0647-0649, Brandkataster Gemeinde Rothrist, 1875-1938. – Eigentümer von Hausteil A: 1875 Friedrich Siegrist, Färber; 1897 Gottfried König und Ida Siegrist; 1904 Johann Hähni, Fabrikarbeiter. – Hausteil B: 1875 Johann Hofer, Pintenwirth; 1891 Samuel Müller, Knecht. – Nach der Vereinigung beider Hausteile 1908 Johann Hähni; später Andreas Wälchli, Landwirt; 1914 Johann Zinniker, Imprägnierarbeiter; 1923 Johann Friedrich Flückiger, Landwirt; 1936 Emil Plüss, Zimmermeister, Alwin Jäggy, Ortspolizist sowie Hermann Arthur Rüegger, Elektromechaniker.
[5] Vgl. Hofer 1981, Abb. 53.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung.
Literatur:- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, hg. v. d. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2005, S. 37.
- Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 2, Baden 2002, S. 255f.
- R[olf] Hofer, Rothrist in alten Ansichten, Zaltbommel (NL), 2. Auflage, 1981, Abb. 52-53.
- Theo Elsasser, Der Aargau einst. Photographien aus der guten alten Zeit, Aarau 1974, S.25.
- Fritz Heitz, Von Strassen und Brücken in und um Aarburg, Aarburg 1991, S.22 (zur „Zürichstrasse“).
- Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz (IVS), AG 10.3 (1992).
Quellen:- Staatsarchiv Aargau: CA.0001/0647-0649, Brandkataster Gemeinde Rothrist, 1875-1938.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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