INV-ROT928 Rothkanal, 1640-1645 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-ROT928
Signatur Archivplan:ROT928
Titel:Rothkanal
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Wehr bei der Spinnerei Rothkanal von Süden (2017)
Bezirk:Zofingen
Gemeinde:Rothrist
Ortsteil / Weiler / Flurname:Hungerzelg, Bonigen
Adresse:Hungerzelg, Bonigen
Parzellen-Nr.:3223, 2, 3623, 3600, 3539, 3531, 3620, 3614, 2887, 135, 3551, 3516, 3508, 1833, 1832, 3673, 1822, 1821, 1820, 1819, 3673, 1072, 1872, 3502
Koordinate E:2631539
Koordinate N:1237884

Chronologie

Entstehungszeitraum:1640 - 1645
Grundlage Datierung:Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Verkehrs- und Infrastrukturbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Kanal, Wehr

Schutz / Status

Bemerkungen:entspricht MUT932

Dokumentation

Würdigung:Ab 1640 durch den bernischen Landvogt Jakob Wyss auf Anregung der notleidenden Landbevölkerung erstellter Wässerungskanal, der zur Düngung der mageren Böden in der Rothrister „Hungerzelg“ und auf den benachbarten Feldern diente. Der Kanal, der mit der Abdichtung, der Beherrschung des Gefälles und der Befestigung des Wasserlaufs eine ingenieurtechnische Meisterleistung darstellt und die Geschichte der landwirtschaftlichen Anbaumethoden dokumentiert, diente seiner ursprünglichen Funktion bis zum Abrücken von der als veraltet geltenden Wässerung im Rahmen der „Anbauschlacht“ im Zweiten Weltkrieg. Seit 1862 treibt er zudem die Turbinen der „Spinnerei Rothkanal“ (Bauinventarobjekt ROT929) an. Er verlässt unterhalb des Murgenthaler Weilers Walliswil den natürlichen Lauf der Roth oder Murg, um mit äusserst schwachem Gefälle in leicht erhöhter Lage entlang dem Hangfuss die Rothrister Gemeindegrenze zu erreichen (zum Murgenthaler Teilstück vgl. Bauinventarobjekt MUT932); etwa auf der Höhe der Spinnerei verzweigte er sich ehemals in eine Vielzahl von Läufen, von denen heute noch zwei existieren.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Der Bau des Rothkanals ist hauptsächlich das Verdienst des bernischen Landvogts Jakob Wyss, der von 1639 bis 1645 auf der Aarburg amtete [1]. Kurz nach seinem Amtsantritt wurde Wyss durch Vertreter der Dorfgemeinden Oberwil und Niederwil (heute Rothrist) sowie Riken (heute Murgenthal) gebeten, das Wasser der Roth auf ihre mageren Böden zu leiten, da sie von den kargen Erträgen kaum sich selbst ernähren, geschweige denn die geschuldeten Zinsen und Zehnten bezahlen konnten. Der hauptsächliche Teil des Wässerungsgebiets trägt denn auch heute noch den sprechenden Namen „Hungerzelg“. Argumentiert wurde, dass die bei Murgenthal in die Aare mündende Roth stets mehr Wasser führe, als für den Betrieb der dort eingerichteten Mühle, Reibe, Stampfe sowie einer Säge vonnöten sei. Nachdem Landvogt Wyss die Erlaubnis des Abts von St. Urban, dem der Wasserlauf der Roth und die Fischenz (Fischereirechte) gehörten, sowie jene des bernischen Rates eingeholt hatte, stellte er am 29. September 1640 die Haupturkunde über den Kanalbau aus, welche den Hergang der Ereignisse und das beabsichtigte Werk schildert [2]. Der Bau des Kanals wurde im Winter 1640/41 auf Kosten des Landvogts und unter Beteiligung der Besitzer des künftig bewässerten Landes in Angriff genommen. Dem Kloster wurde zugesichert, dass stets ausreichend Wasser für die Gewerbebetriebe unterhalb des Wuhrs in Murgenthal übrigbleibe; auch sprach man ihm die Fischenzrechte vom Ausgangspunkt des Kanals bis zur Friedau zu, während sie unterhalb den Anstössern überlassen wurden. Ab 1649 liess Bern den nun ausgiebigeren Heuzehnten dem Landvogt auf Aarburg zukommen.
Ziel der seit dem Mittelalter bekannten, im 17. und 18. Jh. deutlich ausgedehnten Technik der Wässerung war nicht hauptsächlich die Anfeuchtung der Kulturen, die in den relativ niederschlagsreichen Gegenden des Mittellandes unnötig war, sondern die Düngung des Landes durch die periodische Überflutung [3]. Wohl von Anfang an waren die Teilhaber der Wässerung in einer Genossenschaft zusammengeschlossen, die als „Rothbachwässerungsgenossenschaft“ noch bis 1999 bestand. Sie regelte nicht nur, wann und wie lange jeder Eigentümer sein Land wässern durfte; nach der Anzahl dieser sogenannten „Kehren“ bemass sich auch die Anzahl der bei der jährlichen Bachreinigung zu leistenden Arbeitsstunden.
Ab 1856 nutzte die Weberei in Murgenthal und ab 1862 die auf Rothrister Boden gelegene Spinnerei am Rothkanal (Bauinventarobjekt ROT929) Kanalwasser zum Antrieb von Wasserkraftturbinen und übernahm dafür einen Teil der Unterhaltspflichten. Seit 1944 besteht im Fabrikgebäude ein Kleinkraftwerk. Der allgemeine Rückgang der Wiesenwässerung im 20. Jh. war in neuen Anbaumethoden und insbesondere in der zunehmenden Kunstdüngung der Kulturen begründet. Das Ende der Wässerung besiegelte schliesslich die „Anbauschlacht“ im Zweiten Weltkrieg, als man auch in Rothrist gemäss den Direktiven des Bundes ehemalige Wässerwiesen in Ackerland umwandelte (vgl. histor. Landkarten in der Bilddokumentation).
Erst 1999 wurde die Rothbachwässerungsgenossenschaft aufgrund der zunehmend schwierigeren Finanzierung des Unterhalts aufgelöst, worauf der Kanal an den Kanton überging.
Beschreibung:Um das begehrte Wasser überhaupt bis auf die mageren Felder der „Hungerzelg“ leiten zu können, musste der Kanal mit möglichst kleinem Gefälle erstellt werden. Er verläuft daher über weite Strecke am bisweilen recht steilen Hangfuss und bedingte dort heikle Angrabungen. Die technische Ausführung des Kanals mit der Abdichtung, der Beherrschung des Gefälles sowie der seitlichen Abflussmöglichkeiten ist für die Entstehungszeit als eine ingenieurtechnische Meisterleistung anzusehen.
Der Kanal zweigt etwa 400 Meter unterhalb des Weilers Walliswil (Gde. Murgenthal) mit einem Wuhr aus dem natürlichen Lauf der Rot oder Murg ab. In der Gegend der Murgenthaler Mühle wendet er sich nach Nordosten und fliesst bis kurz nach der Rothrister Gemeindegrenze parallel zur Aare erhöht am Hangfuss und streckenweise entlang dem Waldrand. Nach der Spinnerei bewässerte der Kanal über mehrere Wässergräben die Hungerzelg und das Land des Bonigerhofs. Von diesen existieren heute insbesondere noch zwei Läufe, wobei der Hauptlauf knapp oberhalb des Kraftwerks Ruppoldingen in die Aare mündet. Oberhalb der Spinnerei (Bauinventarobjekt ROT929) zweigt bei einem wohl 1944 erneuerten Wehr eine Druckleitung zum damals errichteten Kraftwerk der Spinnerei ab.
Anmerkungen:[1] Geschichtliches nach Boner / Oehler 1959, S. 63-68; Baer 1982; Jäggi 1988; Widmer-Dean 2012, S. 30-37.
[2] Jakob Wyss, Obervogt zu Aarburg, beurkundet die Anlage des Rothkanals zur Wässerung mageren Landes zu Ober- und Niederwil. Urkunde vom 29. September 1640, abgedruckt in: Georg Boner (Hg.), Aargauer Urkunden XV. Die Urkunden von Stadt und Amt Aarburg, Aarau 1965, S. 202-205.
[3] Zur Technik der Wässerung vgl. Widmer-Dean 2012, S. 33; Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Art. ‚Wiesen‘ (2015): http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D27649.php; ebd., Art. ‚Bewässerung‘ (2006): http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D7955.php.
Literatur:- Valentin Baer, Die Rothbachwässerungsgenossenschaft Rothrist, in: Aarburger Neujahrsblätter 1982, S. 43f.
- Willi Jäggi, Der Rothkanal. Ein Gewässer in der Westecke des Kantons Aargau, in: Jahrbuch des Oberaargaus, 31. Jg. (1988), S. 107-114.
- Markus Widmer-Dean, Rothrist im Lauf der Zeit, Rothrist 2012, S. 30-37
- Ein Fabrikgebäude erzählt, in: Beat Guthauser/Andrea John/Felix Boller, Leben im Aargau. Menschen und Natur in Raum und Zeit : Lehrmittel zu Geografie, Geschichte und Sozialkunde im Kanton Aargau, Buchs AG 2006, S. 86f. (zur Spinnerei am Rothkanal).
- Georg Boner / Robert Oehler, Rothrist, mein Dorf, Aarau [1959], S. 63-68.
Quellen:- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv.
- ETH-Bibliothek, Zürich, Bildarchiv: LBS_MH03-1529.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

Related units of description

Related units of description:siehe auch:
KI-MUT932 Rothkanal von 1640-45, Keine Angabe (Dossier (Kurzinventar))
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=133591
 

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